Der letzte Glückskeks

»Es führen viele Wege zum Gipfel eines Berges, doch die Aussicht bleibt die gleiche.«

Eine weitere Woche war vergangen. An meine Situation wieder zur Schule zu gehen, hatte ich mich soweit gewöhnt. Sam ging ich weiterhin aus dem Weg. Vielleicht noch zwei Wochen, dann würde sie keine Lust mehr haben mir hinterherzurennen und es aufgeben - das hoffte ich zumindest.

Heute war Samstag und ich war bei Ikea. Ja, ich weiß, da könnte ich mir auch gleich die Kugel geben. Es war wirklich rammelvoll, doch das war mir egal. William und ich hatten noch zwei freie Hocker ergattern können, zwischen sich anschreienden Familien und frischverliebten Pärchen. Er hatte mich einfach gefragt, ob ich Lust hätte bei Ikea was Essen zu gehen. Natürlich! hatte ich geantwortet.

Immerhin war es Ikea. Ihr könnt mich für verrückt halten, aber was soll ich in einem teuren Restaurant, wo die Gerichte so merkwürdige Namen haben, dass ich keine Ahnung habe, was ich da esse, wenn ich auch was Leckeres zu Futtern hier bekommen kann?

Vorher waren wir durch die Ausstellung gelaufen, ich hatte mich an Essenstische gesetzt, während William mir Luft-Pfannenkuchen gemacht hatte und wir hatten uns lachend in verschiedene Betten fallen lassen. Danach hatten wir uns bei der Essensausgabe angestellt und anschließend durch die Massen gekämpft.

William hatte seine Fleischklöschen fast aufgegessen und ich biss genüsslich in meinen Wrap. Ich schluckte und spülte mit einem Schluck Kakao nach - der beste Kakao der Welt!  Meine Tasse war leider schon alle. Ich hüpfte von meinem Hocker runter und fragte William, ob ich seine Tasse auch nochmal auffüllen solle. Er nickte dankend und reichte sie mir.

Ich ging zu dem Automaten und hielt erst meine, dann seine Tasse drunter. Mit den zwei dampfenden Tassen ging ich zurück und stellte sie auf den Tisch.
"Lauren, du hattest recht. Das ist defintiv der beste Kakao!", meinte William.
Ich lächelte und nickte.
Wir aßen auf und beschlossen uns dann wieder los zu machen, da William die Idee hatte doch noch einen Film im Kino anzusehen.

Ich willigte ein und so stiegen wir wieder ins Auto und fuhren los. Kurz darauf setzte er den Blinker und wir bogen auf einen Parkplatz ganz in der Nähe des Kinos. Ich öffnete die Beifahrertür und hüpfte raus. William verriegelte seinen Wagen, kam dann zu mir und griff nach meiner Hand.

"Welchen Film wollen wir eigentlich ansehen?", fragte ich.
"Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was zur Zeit kommt. Ist mir aber auch ziemlich egal.", entgegnete er grinsend und zuckte mit den Schultern.
Ich boxte ihm spielerisch gegen den Arm und zog ihn in das Gebäude, indem es nach Popcorn roch. Wir stellten uns an der Kasse an und beschlossen einfach den Film zu nehmen, den unsere Vorgänger nehmen würden.

Hätten wir auch nur eine Minute länger darüber nachgedacht, wäre uns aufgegangen, dass es klar war, was eine Familie mit zwei Kindern für einen Film wählen würde. Es war irgendein Kinderfilm von Disney. Na gut, dann eben wieder eine Kindervorstellung.

Als William zerknirscht dem Kassierer unseren Wunsch mitteilte, musterte er uns verwirrt, ich versuchte mir nichts weiter anmerken zu lassen. Anschließend bestand William darauf mir eine Tüte Popcorn zu kaufen. Als ich meinte, dass ich gern Salziges hätte, schaute er abschätzend auf mich hinab und schüttelte mit dem Kopf.

Trotzdem murmelte er etwas von wegen, dass er gleich wieder da wäre und verschwand. In der Zeit öffnete ich meine Tasche, um mein Handy rauszuholen. Eine Mitschülerin wollte mir noch wegen einem Referat schreiben.

Doch als ich den Reißverschluss aufzog, fiel mein Blick als erstes auf einen Umschlag. Verwundert zog ich ihn heraus. Darauf stand mein Name. In Williams Schrift. Verwirrt blickte ich in seine Richtung, doch er stand noch immer in der Schlange am Popcornstand. Ich öffnete den Umschlag und zog das Stück Papier heraus.

Liebe Lauren,
ich kann mir bildlich deine Verunsicherung und Verwirrung vorstellen, wenn du diesen Brief entdeckst. Ich habe ihn vorhin in deine Tasche gesteckt, als du uns bei Ikea nochmal neuen Kakao geholt hast. Ich wollte ihn dir nicht so geben, daraus wäre nur eine komische Situation entstanden.

Ach, Lauren. Zu Beginn dieser Idee mit der blöden Liste, wollte ich dir nur das zurückgeben, was du mir geschenkt hast, doch jetzt...Ich glaube zu wissen, dass eigentlich alle Punkte erfüllt sein müssten, okay, fast alle. (wenn man von den fünf Extra-Punkten absieht) Einer ist hiermit auf jeden Fall auch noch erledigt. 14. einen Brief bekommen Ich weiß es ist deine Liste, Lauren, doch ich hatte das Gefühl, da ich das Ganze mit dir gemeinsam gemacht habe, dass ich sie für mich selbst auch erfüllt habe.

Ich kann nicht für dich sprechen, Lauren, doch ich hatte Glück. Ich hatte so ein riesen Glück auf dich zu treffen. Ebenso hatte ich das Glück, dass du das alles zugelassen hast und ich dich besser kennenlernen durfte.

Der einzige Punkt, der neben diesem noch übrig bleibt, ist der, sich zu verlieben. Lauren, ich habe ihn erfüllt. Und es ist ganz egal, ob du ihn auch abstreichen kannst oder eben nicht, ich will nur, dass du weißt, dass ich...William Almond mich in dich, Lauren Davies, vollkommen und mit tiefstem Herzen Hals über Kopf verliebt habe. Und ich...ich weiß gar nicht, wie ich damit umgehen soll.

Da ist viel zu viel Liebe, die ich für dich empfinde. Keine Ahnung wohin damit. Ich hoffe dich schreckt das nicht ab, genauso wie da dieser kleine Funken Hoffnung in mir ist, dass es dir vielleicht ähnlich gehen könnte. Dass du es genauso genießt mit mir zusammen zu sein, mit mir zu lachen, gemeinsam zu frühstücken, durch den Garten zu tanzen, eine Kindervorstellung im Planetarium zu gucken und dabei heimlich rumzuknutschen. Denn, Lauren, ich tue es.

Meine Aufgabe wäre dann damit erledigt. Ich hatte dir versprochen, dass ich mit dir diese Liste abarbeite, in der Hoffnung, dass du wieder glücklich wirst. Wenn du für dich jeden Punkt abhaken kannst, habe ich das damit geschafft. Jetzt liegt es bei dir, ob du möchtest, dass ich in deinem Leben bleibe oder ob ich gehe.

In Liebe,
Dein William

Ich spürte, wie mir Tränen die Wange herunterliefen. Als ich den Blick hob, kam William gerade auf mich zu. Das Lächeln in seinem Gesicht verschwand schlagartig. Er blieb stehen und schien auf eine Reaktion von mir zu warten.

Ich ging vorsichtig auf ihn zu, wischte mir mit dem Handrücken über die Tränen und konnte nicht verhindern, dass meine Mundwinkel nach oben wanderten. Ich stellte mich direkt vor ihn, legte meine Hand an seine Wange und meinte mit zittriger Stimme: "William?"

William schluckte und entgegnete dann: "Lauren?"
"Ich warne dich, wehe du haust jetzt einfach so ab. Wen soll ich denn sonst beim Scrabble besiegen?", meinte ich und lachte.
Da verstand William und Erleichterung machte sich in seinem Gesicht breit.

Er schlang seine Arme um meine Taille. Dass er dabei Popcorn verschüttete, war egal. Seine Augen glänzten, vor Freude und Tränen. Er schloss sie und senkte seine Lippen auf meine.
Dieser Kuss war anders, als jeder vorherige. Ich konnte Freude schmecken, Williams bedingungslose Liebe und ich versuchte ihm zu sagen, dass ich bereit war ihm diese zurückzugeben.

Als wir uns kurz danach voneinander lösten, murmelte ich: "William, ja, sicher durch die Liste hast du mir geholfen, aber nicht diese Liste abzuarbeiten, hat mich glücklich gemacht. Anders gesagt ich setze Glück haben mit William treffen gleich. Und das reicht mir, oder auch nicht...diese fünf freien Punkte, William, würden mir niemals ausreichen. Ich will noch mehr dieser Glückslisten-Momente mit dir."

William grinste über beide Ohren und drückte mir die Popcorn-Tüte in die Hand, um mein Gesicht mit seinen beiden Händen halten zu können. Dieser intensive Blick, der mich zu Beginn unseres Kennenlernens so verunsichert hatte, bewies mir jetzt nur mehr, wie ernst es ihm war.

Er küsste mich sanft auf die Stirn und murmelte dann: "Du weißt schon, dass du mich heiraten musst."
Ich sah ihn entrüstet an: "Mal ganz langsam!"
"Wieso? Du hast mal gesagt, dass, falls dich mal ein Junge zu Ikea ausführt, du diesen heiratest."

Ich musste so lachen, als ich mich an diesen Tag erinnerte. Ergeben nickte ich und gab ihm noch einen Kuss.
"Ist gut, William."
Lächelnd sahen wir uns eine Weile an, bis mir etwas einfiel.
"Sag mal, woher wusstest du, dass ich dir Kakao nachfüllen würde?"
"Ich denke, Lauren, es war Schicksal.", meinte er augenzwinkernd.

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