Der dritte Glückskeks
»Auch eine Reise von 1000 Meilen fängt mit dem ersten Schritt an.«
Meine Eltern klopften gegen drei Uhr nachmittags an meine Zimmertür.
"Hallo, Schatz.", begrüßte mich meine Mutter.
"Hey, Mum.", antwortete ich und lächelte sie an.
Meine Eltern wechselten einen verwirrten Blick. Dad trat ans Bett und umarmte mich.
"Hi, Dad.", sagte ich.
"Hallo, Spätzchen."
Zu dem Kosenamen, den ich hasste, sagte ich nichts. Ich war zu...glücklich.
Diese Erkenntnis traf mich so plötzlich, dass mir das Lächeln aus dem Gesicht rutschte.
"Lauren, alles okay?", wollte meine Mum wissen.
Ich schüttelte mit dem Kopf.
Nein, nichts war okay. Ich würde bald sterben und ich war glücklich. Das durfte nicht sein. Und daran war nur William Schuld. Ich durfte ihn morgen auf keinen Fall sehen. Das würde nur alles komplizierter machen.
"Hast du Schmerzen?", fragte meine Mum.
Ich schüttelte den Kopf.
"Hast du Hunger?", wollte Dad wissen.
Wieder schüttelte ich nur den Kopf.
Es klopfte an der Tür.
Bitte, lass es nicht William sein.
Sam steckte den Kopf durch den offenen Türspalt.
Erleichtert atmete ich aus.
Mir warf sie ein Lächeln zu, was ich versuchte so gut es ging, zu erwidern. Sam öffnete die Tür nun ganz und kam mit einem Tablett herein. Ich warf ihr einen verwirrten Blick zu.
"Ah, hallo Mrs. und Mr. Davies.", wendete sie sich an meine Eltern.
Die beiden nickten als Antwort.
Anscheinend waren sie ebenso verwirrt, wie ich. Sam stellte das Tablett auf den kleinen Tisch neben meinem Bett. Sie zwinkerte mir zu.
"Dann lass es dir schmecken."
"Äh, Sam?"
"Ja, Liebes?"
"Was ist das?", fragte ich.
"Schokokuchen.", erklärte sie lächelnd.
"Ja, das sehe ich. Aber wieso?"
Sams Lächeln wurde noch ein wenig breiter.
"Der junge Mann wollte, dass du ihn bekommst. Es ist mit den Ärzten abgesprochen, kein Problem."
Der junge Mann?
"William.", flüsterte ich und riss erschrocken die Augen auf.
"Genau William.", sagte Sam.
"Wer ist William?", fragte Mum mit einem misstrauischen Unterton in der Stimme.
Ich überging ihre Frage und sagte an Sam gewandt: "Aber ich mag doch gar keinen Schokoladenkuchen."
Sams Gesichtszüge schienen ihr zu entgleiten.
"Wer mag denn bitte keinen Schokokuchen?"
Entschuldigend zuckte ich mit den Achseln.
"Und was sage ich jetzt William?", wollte sie wissen.
Wieder zuckte ich mit den Schultern.
Wie kommt er auch auf so eine Idee?
Traurig nahm Sam das Tablett.
"Dann bekommt er das halt wieder."
"Tut mir leid.", sagte ich.
Sam schüttelte den Kopf, dann verließ sie das Zimmer.
Ich warf meinem Dad einen ängstlichen Blick zu. Sobald sich die Tür hinter Sam geschlossen hatte, stemmte meine Mum die Hände in die Hüften und fragte wieder, diesmal ein wenig aufgebracht: "Wer ist William?"
"Niemand, Mum.", sagte ich.
"Ach, deshalb schenkt er dir auch Kuchen."
"Den ich nicht mag, Mum."
"Ja, na und? Wer ist dieser Junge?"
Leicht panisch, sah ich in die Richtung meines Vaters.
"Harry?"
"Schatz, also..."
Meine Mutter hob ihre Augenbrauen an.
"Der Junge ist hier gestern aufgetaucht."
"Wie? Einfach so? Was wollte er?"
"Sie haben sich unterhalten...", fing mein Dad an die Situation aufzuklären.
Ich warf ihm einen warnenden Blick zu.
"Und wieso habt ihr mir nichts davon erzählt?", fragte Mum beleidigt.
"Ich kenne ihn doch gar nicht, Mum. Es war nicht wichtig, es ist nicht wichtig."
"Ach ja? Der Junge schenkt dir Kuchen!"
"Ja und?", wollte ich verzweifelt wissen.
"Ich will diesen William kennenlernen. Jetzt.", sagte sie bestimmend.
"Jetzt? Wie jetzt?"
Die Panik war aus meiner Stimme herauszuhören.
"Ja, jetzt. Komm, wir gehen ihn suchen.", sagte Mum.
Stöhnend ließ ich meinen Kopf ins Kissen sinken.
Musste das sein?
Doch Mum ließ nicht locker, zog meine Decke weg und zerrte an meinem Arm. Widerwillig setzte ich mich auf und schlüpfte in meine Schuhe. Meinem Dad warf ich einen bösen Blick zu, den er mit einem Entschuldigenden beantwortete. Leider konnte er da auch nichts machen, meine Mutter war die Sturheit in Person.
Seufzend folgte ich ihr aus dem Zimmer.
"Also, auf welchem Zimmer ist er? Und wieso ist er hier?", wollte sie wissen.
Mum lief so schnell vorne weg, dass ich Mühe hatte, Schritt zu halten.
"Ich weiß es nicht. Ich bin mir nicht mal sicher, ob er hier Patient ist.", antwortete ich schweratmend.
Abrupt blieb Mum stehen, sodass ich in sie hineinlief.
"Mum!", erwiderte ich aufgebracht.
Sie drehte sie um und sah mich empört an.
"Du lässt dir von einem Fremden Kuchen schenken?"
"Hey, ich wollte ihn nicht und ich habe doch gesagt, dass ich ihn nicht kenne."
Traurig schüttelte sie den Kopf.
"Lauren?"
Großer Gott, bitte nicht.
Stöhnend schloss ich die Augen und drehte mich dann um. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und blickte in das strahlende Gesicht von William.
"William, hi.", sagte ich schüchtern.
"William? Lauren, das ist er?", fragte Mum da plötzlich.
Sie schob mich zur Seite, hielt dem verdutzt dreinschauenden William eine Hand hin und stellte sich vor: "Ich bin Emily Davies, Laurens Mum."
Ich stöhnte.
William grinste breit, reichte ihr dann seine Hand.
"Freut mich sehr, Emily. William Almond."
"Almond?"
William nickte.
Mum wandte sich an mich.
"Heißt die Dame, die in deinem Nachbarzimmer liegt, nicht auch Almond?"
"Das ist meine Mum.", erklärte William.
Bitte nicht.
Mums Gesicht hellte sich auf.
"Dann könnt ihr Zwei euch ja öfter sehen! Kontakt mit jungen Leuten in deinem Alter, tut dir gut, Schatz.", sagte Mum begeistert.
Ich blickte William entschuldigend an. Der grinste breit.
"Mit Vergnügen. Ihre Tochter ist sehr nett."
Das war doch wohl nicht sein Ernst.
Meine Mutter lächelte vergnügt.
"Du kennst mich doch gar nicht.", zischte ich.
"Ich denke es reicht, um beurteilen zu können, ob ich dich mag oder nicht."
Die Wärme, die seine Worte in mir auslösten, ignorierte ich.
"Denkst du das, ja? Ich denke, dass dein Urteilsvermögen nicht so gut ist, wie du meinst. Sonst wüsstest du, dass ich keinen Schokoladenkuchen mag.", erwiderte ich mit zusammengekniffenen Augen und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Ja, das hat Sam mir bereits berichtet.", sagte William seufzend.
"Na, dann wird es Zeit, dass ihr Zwei euch besser kennenlernt."
Meiner Mum warf ich einen bitterbösen Blick zu.
"Das würde mich freuen.", antwortete William vergnügt.
Entsetzt starrte ich ihn an.
"Es ist so schönes Wetter! Wieso macht ihr nicht draußen einen Spaziergang? Du bist doch so gern in dem Park, Lauren."
Das durfte doch jetzt nicht wahr sein.
William warf mir einen belustigten Blick zu.
"Ich wünsche euch viel Spaß!", flötete Mum und ließ mich mit William allein.
Als sie außer Hörweite war, sah ich ihn finster an und sagte: "Auf keinen Fall!"
Ich drehte mich um und ließ ihn stehen.
"Mist. Nicht schon wieder!", hörte ich ihn fluchen.
"Lauren, verdammt, Lauren warte auf mich."
"Was willst du? Lass mich in Ruhe.", entgegnete ich genervt.
"Dich kennenlernen, wie deine Mum es vorgeschlagen hat."
Ich schwieg und durchquerte den Eingangsbereich.
Gerade als ich die Tür öffnen wollte, versperrte William mir den Weg.
"Was soll das?", fragte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust.
"Komm, so schlimm bin ich nicht. Gib mir eine Chance dich besser kennenzulernen."
Ich hatte Kopfschmerzen von den ganzen Diskussionen, was mich seufzten und schließlich nicken ließ.
William öffnete die Tür und gemeinsam traten wir nach draußen.
"Also...wie kann es bitte sein, dass du keinen Schokoladenkuchen magst?"
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