Der dreiundzwanzigste Glückskeks

»Wenn Güte von uns ausgeht, werden wir auch Güte erfahren.«

Natürlich brauchte ich mehr als einen Versuch. Grummelnd schrieb ich die Punkte auf und trottete William hinterher zur nächsten Bahn. Dieses Mal benötigte er zwei Schläge, was man aber keinesfalls als schlecht bezeichnen kann.
„Ich weiß schon, warum du mit mir Minigolf spielen gehen wolltest.", meinte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
Er lachte und kam einen Schritt auf mich zu.
„So wie du damals mit mir Scrabble spielen wolltest?"

Ich hob einen Finger.
„Du konntest es dir aussuchen."
„Du hättest auch nein sagen können, Lauren.", meinte er.
Ich zog eine Grimasse und trat wieder an die Markierung. Ich konnte spüren, dass William hinter mich getreten war. Sofort schnellte mein Puls in die Höhe. Ich räusperte mich.
„William?"
„Lauren?", raunte er mir in mein Ohr.

„Das ist unfair. Du lenkst mich ab."
„Ich steh doch nur hier."
Das Grinsen konnte ich aus seiner Stimme heraushören. Empört drehte ich mich um, schnappte kurz nach Luft als mir bewusst wurde, wie naher mir wirklich war. Ihm anscheinend auch, denn sein Lächeln verrutschte kurz, er räusperte sich und rückte ein Stück von mir ab. Um die Stimmung wieder aufzulockern, boxte ich ihm spielerisch auf den Arm und streckte ihm die Zunge raus.
Natürlich tat es ihm keineswegs weh.

„Kann ich dir was zeigen?", wollte er lachend wissen.
Ich zuckte nur mit den Schultern.
Vorsichtig legte er seine Arme um mich, seine Hände auf meine und bewegte den Schläger zaghaft nach hinten. Anschließend ließ er ihn nach vorne schnellen und ich sah dem Ball dabei zu, wie er ins Loch kullerte. Verdattert starrte ich auf den Schläger in meiner Hand.
Glücklicherweise löste sich William von mir und mein Herzschlag normalisierte sich langsam wieder.

Er holte den Ball aus dem Loch, ich verengte meine Augen zu Schlitzen und hob den Zeigefinger.
„Das hast du mit Absicht gemacht!"
Überrascht hob er seinen Kopf.
„Wovon sprichst du?"
„Dass du zwei Schläge gebraucht hast! Du hast geschummelt, dass ich mich besser fühle! Und damit jetzt...", rief ich empört aus.

Ein Lächeln stahl sich auf Williams Lippen, bevor er in schallendes Gelächter ausbrach und mit dem Ball in der Hand wieder auf mich zutrat.
„Du dachtest ich hätte eh keine Chance gegen dich! Und deshalb...Du...du...du!"
Ich war noch längst nicht fertig, die Worte, die ich aussprechen wollte, schwirrten in meinem Kopf umher, doch ich konnte sie zu keinen Sätzen zusammensetzen, da William mir schon wieder so nah war.

„Lauren?"
Wenigstens vergaß ich dabei, wie er meinen Namen sagte, nicht, ihn anzufunkeln. Ich verschränkte die Arme vor der Brust, mehr als Schutzschild.
„Was?"
„Ich habe nur keine Lust mir nachher dein Jammern anzuhören, weil du verloren hast."
„Pah! Dass ich nicht lache. Ich verliere lieber ehrlich, als dass ich falsch gewinne. Ich will ein ehrliches Spiel, okay? Mir ist klar, dass du denkst, dass ich keine Chance gegen dich hätte – aber denk bloß nicht, dass ich es nicht versuchen werde dich zu schlagen!"

Mit diesen Worten stapfte ich an ihm vorbei zur dritten Bahn. William hatte die ganze Zeit gespielt ernst genickt, jedoch konnte ich ihn jetzt leise lachen hören.
Abwartend stand ich an der Station und hob eine Augenbraue.
Von Bahn zu Bahn wurde ich frustrierter, meine Punkte stiegen ins Unermessliche, trotzdem machte er Spaß zu sehen, wenn William mal nicht traf und sich dunkellila ärgerte. Umso größer war meine Freude, wenn ich durch Zufall mal traf.

Dann vergaß ich sogar, dass ich auf William wütend war und schlug mit ihm ein. Ob er sich wirklich für mich freute, oder es nur spielte, war mir egal.
Schneller als gedacht, kamen wir bei der letzten Station an und zählten schließlich unsere Punkte zusammen.
William hatte letzten Endes 32 Punkte, ich 63.
Ich fand mich gar nicht schlecht, forderte trotzdem, dass William als Gewinner dem Verlierer ein Eis auszugeben hätte.

Schmunzelnd willigte er ein und kurze Zeit später saß ich auf dem Beifahrersitz seines Wagens und schleckte mein Joghurteis.
William schaltete wieder das Autoradio ein und kurz danach erklangen Kings of Leon.
Mittlerweile war es bereits abends, vielleicht neunzehn Uhr.
Ich blickte William an, musterte ihn.
Abwartend schaute er zu mir rüber.
„Hast du Lust noch was zusammen zu essen? Eine Pizza oder so?"

Ein Lächeln umspielte seine Lippen und er nickte.
„Sehr gerne, Lauren. Bei mir um die Ecke gibt es eine sehr leckere Pizzeria."
„Na dann, nichts wie dahin!"

Eine viertel Stunde später bogen wir auf den Parkplatz zum La Fortuna. Es war ein sehr kleines Restaurant, aus den Fenstern strahlte ein warmes Licht nach draußen und durch die offene Tür dröhnten italienische Volkslieder. Grinsend reichte mir William seinen Arm. Lachend hakte ich mich unter und ließ mich von ihm hinein führen.
Ein älterer Herr mit grauem Haar strahlte, als er uns erblickte und kam auf uns zugelaufen.

„Will! Oh, Rosanna Will ist hier!", rief er aus.
William löste seinen Arm aus meinem und trat auf den Mann zu, welcher ihn sofort in eine Umarmung zog.
„Buona sera, Lorenzo! Das ist Lauren."
Als er meinen Namen sagte, wies er auf mich.
Auf Lorenzos Gesicht bildete sich ein Lächeln.
„Oh, deine Freundin, caro? Bellissimo!"

„Äh, eine Freundin.", meldete ich mich zu Wort.
In diesem Moment trat eine kleine, zarte Frau aus der Tür zur Küche getreten.
„Will!", rief sie und kam auf uns zu.
Auch dieses Mal wurde sich umarmt.
„Es ist ja so lange her, dass du das letzte Mal hier warst."
„Ja, ich weiß.", sagte William traurig.
„Naja, aber jetzt bist du ja hier. Kommt, ihr Zwei."

Rosanna, wie ich annahm, führte uns zu einem kleinen Tisch, nach hinten raus, am Fenster.
Sie zündete uns die Kerze an, die auf dem Tisch stand und legte zwei Karten für uns hin. Wir bedankten uns und sie verschwand lächelnd. Wir setzten uns und ich starrte verdattert aus dem Fenster.
„Wow.", war alles, was ich sagen konnte.
Vielleicht zehn Meter entfernt lag ein kleiner See, um den sich ein Wald säumte. Der Mond, sowie der Himmel mit seinen verschiedenen Farben spiegelte sich im Wasser. Ein unglaublicher Anblick.

„Ja, es ist echt schön hier.", entgegnete William. Ich konnte nur nicken.
Kurz danach tauchte Rosanna wieder auf und wir bestellten Pizza und Cola. Als sie lächelnd wieder verschwunden war, blickte ich meinen Gegenüber an.
„Du warst früher öfter hier?"
„Ja.", antwortete er.
„Warum jetzt länger nicht mehr?"
„Ich war früher immer mit meiner Mum hier."

„Oh.", konnte ich bloß sagen, dann griff ich nach seiner Hand.
„Danke, dass du mich mit hierhergenommen hast.", sagte ich und drückte seine Hand.
„Kein Problem."
„Lauren?", fügte er hinzu.
Ich lächelte.
„William?"
„Weißt du was La Fortuna bedeutet?"
Ich schüttelte den Kopf.
„Das Glück."
Entgeistert starrte ich ihn an.

Wollte er mich damit irgendwas sagen? War das Zufall? Wieso war es ihm so wichtig mir das zu sagen?
Ich war verwirrt und wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte, weshalb ich wieder aus dem Fenster sah.
„Sag mal.", unterbrach William plötzlich die Stille, die entstanden war.
„Ja?"
„Wieso nennst du mich immer William?"

Jetzt war ich definitiv noch verwirrter. Ich war so überrumpelt, dass ich anfing zu lachen. William schmunzelte.
„Was ist daran so lustig?"
„Wie soll ich dich denn sonst nennen? Du heißt nun mal William."
„Ja, aber es gibt auch viele, die mich Will nennen. Du nicht."

„Du nennst mich doch auch Lauren."
„Ja, weil ich mir da keinen Spitznamen ableiten kann. Hast du einen?"
Ich schüttelte mit dem Kopf.
„Wieso denkst du über sowas nach?"
„Naja..."
Er räusperte sich und seine Wangen färbten sich rosa.
Er wurde rot!
„Ich dachte immer, dass man Menschen, die man mag mit Spitznamen anspricht."
Ich legte den Kopf schräg und lächelte.

„Dein Name wurde dir bei deiner Geburt gegeben. Er gehört zu dir, wie deine blauen Augen, deine braunen Haare, deine Nase, deine Ohren. Er gehört zu dir, wie dein Charakter, er...ist ein Teil von dir. Und dafür bin ich dankbar, okay? Für mich gehört William zu dir. Ich mag deinen Namen. Wenn man es mal so sieht, sind Namen auch nur Wörter. Und William ist eines meiner liebsten Wörter, weil es für mich du bedeutet."

Ich räusperte mich kurz.
„Ich finde, wenn denn sollte man einen Spitznamen finden, den sonst niemand benutzt, weil es dann ein Wort ist, was für die Beziehung zwischen den beiden Personen steht."
Verdutzt schaute William mich an, dann grinste er breit.

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