V. Der Alchemist

In den Kerkern war es kalt und feucht. Die Sonne schickte helle Strahlen durch winzige, vergitterte Fenster, vor denen die Raben krächzten, und beleuchtete schmutziges Stroh und ungepolsterte Holzpritschen. Beinahe alle Zellen waren leer, und der stets fröhlich pfeifende Kerkermeister führte ihn zu dem, den Solofar sehen wollte.

„Hab gehört, was Ihr getan habt, Master Darke. Bin schwer beeindruckt. Mein Junge weiß nicht mal, an welchem Ende er ein Schwert anfassen muss", erzählte er.

„Ich habe es nicht für mich getan. Mein Freund war in Gefahr, und ich musste beweisen, dass er unschuldig war."

„Ach, der Junge, der heute morgen noch hier unten war! Aye, ein netter Bursche. Sagt ihm einen Gruß von mir." Sein Lachen hallte durch den engen Gang. „Ihr seid ein guter Mann, Master. Gibt wenige wie Euch, die sich so für ihre Freunde in Gefahr bringen. Da", er wies auf eine schwere, metallverstärkte Tür, „ist jetzt Euer Gegner drin. Hier ist der Alchemist." Er holte einen schweren Schlüssel hervor und öffnete ein weitere Zelle. „Ich warte hier draußen auf Euch, wenn's recht ist."

Solofar nickte ihm zu und betrat die Zelle. Donnernd fiel die Tür hinter ihm ins Schloss, Metall klirrte leise, ein Schlüssel wurde im Schloss umgedreht. Doch er sah sich nicht um, sondern heftete seinen Blick fest auf den Mann vor sich.

Der Alchemist trug nichts am Leibe außer einer fadenscheinigen Kniehose.Er war dünn wie ein trockener Zweig, seine Rippen zeichneten sich durch sein schmutzig weißes Fell ab. Seine Mähne war kurz gestutzt wie Slivs, etliche kahle Stellen an seinem Körper rührten wohl von kleinen Wunden her. Er sieht erbärmlich aus. Wie der Abschaum, der er ist.

„Was wollt Ihr, Master?", fragte der Alchemist ohne Umschweife. „Ihr seid der, der Messyah besiegte, oder?"

„Ebender."

„Wollt Ihr Euch nun über mein Unglück belustigen?"

„Nein." Solofar lehnte sich an die schmutzige Steinwand und hoffte still, der schmierige Staub würde leicht von dem gelben Stoff abzubürsten sein. „Ich habe Fragen."

Der Alchemist lehnte sich zurück. „Sprecht."

„Ich habe dich und Messyah belauscht. Gestern, vor dem Fest. Warum tötest du für Geld?"

Ein Husten schüttelte seine schmalen Schultern. „Wer nicht in eine reiche Familie hineingeboren ist, so wie Ihr, muss dafür sorgen, sich einen stetigen Geldfluss zu sichern", stieß er keuchend hervor. „Ich wurde Alchemist, doch mir bekamen die dunklen Labore nicht. Dafür jedoch Wein, Weib, diverse Rauschmittel und das Glücksspiel, und mit diesen Vorlieben verschwand das Geld wie durch Zauberhand. Und da der Tod ein gutes Geschäft ist, habe ich diesen Weg eingeschlagen."

Wer wohl noch so viel für den Tod eines anderen bezahlt, außer Messyah? Solofar dachte an die vielen Tode, die den Hochadel von Ilron seit dem Seekrieg heimgesucht hatten. Wer von ihnen starb nicht eines natürlichen Todes, sondern durch Gifte, Schwerter und andere Aufträge? „Ich habe schon bemerkt, dass die Welt nicht so ist, wie sie scheint. Nicht so... ehrenhaft."

Erneut hustete der Mann. „Gut. Wenn Ihr das begriffen habt, ist der erste Schritt, mit dieser ekelhaften Welt zu gehen, und Euch anzupassen. Lernt alles, und wendet es gegen jene an, die Ihr aus dem Weg haben wollt." Er keuchte und spuckte einen blutigen Klumpen ins Stroh. „Man mag von Messyah halten, was man will, aber er mit einem hat er recht. Es gibt die Welt der Schwerter, und die der Worte. Und wer in beiden einen entscheidenden, wenn auch nicht allzu ehrenhaften Vorteil haben will, der nutzt die Gifte."

„Aber wen kümmert schon die Ehre", murmelte Solofar.

Der Alchemist lächelte halb. „Ihr werdet es noch weit bringen."

„Noch weiter, wenn ich mir deine Macht ebenfalls aneigne."

Er blickte Solofar überrascht an. „Wollt Ihr mich hier rausholen?", fragte er misstrauisch, mit einem ersten Funken Hoffnung.

Solofar lächelte spöttisch. „Eher will ich wissen, woher Ihr Euer Wissen habt."

Er lachte keuchend. „Ihr bergt eine Menge Überraschungen, Master. Warum?"

„Beantworte meine Frage, und ich beantworte deine."

„Du wirst es wirklich noch zu viel bringen. Nun denn. Wenn du die Kunst der Alchemie erlernen willst, geh nach Hastator. Die Pantheras mögen stolz und wild sein, aber sie wissen mehr als alle Gelehrten von Ilron zusammen. Das muss man ihnen lassen." Er hustete. „Warum wollt Ihr das wissen?"

Solofar zuckte mit den Schultern. „Das liegt auf der Hand."

Der Alchemist legte zweifelnd den Kopf schief. „Wenn Ihr einen Lehrer braucht, kann ich...", begann er, doch Solofar schnitt ihm das Wort ab.

„Ich brauche jemanden, der sein Fach wahrlich beherrscht. Nicht jemanden, der der Beihilfe des Mordes angeklagt wird." Er lächelte süffisant.

Der Alchemist lachte leise. „Viel Glück, Master. Aber werdet nicht so wie ich. Es ist ein hässliches Leben."

Solofar schlug mit der Faust gegen die Tür, die Schlüssel des Kerkermeisters klirrten. „Mit Gift für Geld töten? Als Vagabund durch das Land ziehen, bis ich jemanden finde, der mir mein Geld verschafft? Mein Schwert an den Meistbietenden verkaufen?" Er grinste verschlagen. „Niemals."

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