RATTENFÄNGER

Soundtrack: Do you Know Who I Am? - Paul Haslinger

Meine persönliche Empfehlung: sucht die passende Musik auf einem Musikdienst eurer Wahl. Die Quali bei YouToube lässt des Öfteren arg zu wünschen übrig.

Mellerc, im Süden von Subat, 448 nach der Eroberung

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Das Geräusch ließ Solofar aufhorchen, noch bevor er richtig wach war, und ehe er darüber nachgedacht hatte, schlossen sich seine Finger um den Griff des Dolches unter seinem Kissen. Angestrengt lauschte er in die Dunkelheit seines Gemaches. Es war das Geräusch von raschelndem Stoff und von tappenden Füßen, von Füßen ohne Schuhe und ohne Hufe. Keiner der Bediensteten. Sie alle sind Dracones und Drakonier, keine Menschen, keine Pantheras, keine Ipotame und Minotauren in Arnauds Gefolge. Erneut lauschte er. Doch das... sind Pranken. Leiser als die eines Dracon, lauter als die eines Pantheras. Sie näherten sich langsam, bewusst vorsichtig gesetzt, vermutlich in dem Wissen, dass ein Ipotame das Atmen eines Meuchelmörders unter dem eigenen Bett hören konnte, noch während ihm von seiner Braut jauchzend die Seele aus dem Leib gevögelt wurde.

Ein weiteres Geräusch erklang, im Takt mit den Schritten. Das Klirren von Waffen, unterlegt von dem hellen Klang von Glöckchen, vielen, unterschiedlich großen Glöckchen.

Der Sirea. Plötzlich war Solofar hellwach. Der Sirea, der ebenfalls bei der Soiree auftauchte, dieser große, ungehobelte Mann, der sich offensichtlich so unwohl in der feinen Gesellschaft Subats fühlte. Der Sirea, dessen Kleidung bunt und abgerissen genug gewesen waren für einen Spielmann, der nach einem Protektor suchte, wie er es behauptet hatte, mit den Glöckchen in der Mähne und an den Fußknöcheln. Selbst sein Können an der Laute und an der Schalmei war gut genug gewesen, dass Gezzarro darüber begeistert gewesen wäre.

Doch seine Augen hatten seine Geschichte zur Lüge erklärt. Der berechnende Blick in seinen bernsteinfarbenen Augen, die aus dem Löwengesicht starrten, mit den Drachenhörnern, die aus seinem Hinterkopf wuchsen, und wie er über Solofars Waffen und seine Maske gehuscht war, war zu auffällig gewesen, als dass Solofar ihn nicht bemerkt hätte. Viel zu offensichtlich. Dazu die Waffen, gut verborgen, doch nicht gut genug, um sie vor Solofar zu verstecken. Wer zeit seines Lebens nach unsichtbaren Waffen sucht, kennt sie alle, diese Ausbeulungen, wie sie nur Messer und Pistolen hervorrufen. Seine Bewegungen waren träge gewesen, wie die eines Löwen, der er zur Hälfte war, doch Solofar war sich sicher, dass der Sirea mit dem Schwert, das er am Gürtel in einer bunt lackierten Scheide getragen hatte, auch umgehen konnte.

Die Schritte näherten sich zügig, das Klingeln der Glöckchen wurde lauter, und Solofar handelte. Mit fliegenden Fingern griff er nach der Maske und seinen Waffen, huschte über den gnädigerweise mit Teppichen ausgelegten Boden des Gemaches, das Gräfin Arnaud ihm zur Verfügung gestellt hatte, und postierte sich neben der Tür. Fahles Mondlicht erhellte das Zimmer durch einen Schlitz in den Vorhängen und warf kaltes Licht über edle Möbel und wuchtige Polster. Hastig schloss er die Seidenbänder der Maske, strich ein betäubendes Gift auf die Klinge des Dolches, und zog, so leise er konnte, sein Rapier.

Das Klingeln verstummte. Etwas klirrte leise, und er hörte, wie der Sirea mit dem Schloss kämpfte. Ein Augenblick nach dem anderen verstrich, während Solofar angespannt neben der Tür stand, die Waffen bereit. Langsam wird es lächerlich. Bevor er mich ermorden will, sollte er üben, mit einem Dietrich umzugehen.

Ein lautes Klacken durchschnitt die angespannte Stille, gefolgt von einem neuerlichen Klirren und dem scharfen Zischen eines Schwertes. Endlich. Beinahe erwartete Solofar ein lautes Knarren, als die Tür aufschwang, doch sie öffnete sich ohne jedes Geräusch. Wie auch sonst. Dies ist das Herrenhaus der Arnauds. Mag es ein armes Haus sein, so ist es dennoch kein Gasthaus in der Unterstadt von Aidestrad. Der Sirea war ein riesiger Schatten vor dem Zwielicht der wenigen Kerzen auf dem Flur. Langsam trat er einen Schritt in das dunkle Zimmer hinein, seine Augen blitzten, die Glöckchen klirrten. Ein weiterer Schritt, ein dritter, und Solofar trat heftig die Tür zu.

Donnernd fiel sie ins Schloss. Der Sirea wirbelte mit gezogenem Schwert herum, Metall klirrte auf Metall, als Solofar seinen ersten, unbeherrschten Schlag abfing. Kreischend schrammten die Klingen aneinander vorbei, und der Sirea trat einen schnellen Schritt zurück.

„Oh, verfluchte Götter", zischte er. „Das läuft ganz und gar nichtso, wie ich es es geplant habe."

„In der Tat, das tut es nicht." Niemand sollte mich hier aufsuchen. Morgen wäre Graf Arnaud tot, und ich hätte das Gold seiner Gattin zu Recht in meinen Taschen. Doch dieser Sirea musste in meinen Gemächern erscheinen und meinen Plan zunichte machen. „Wer seid Ihr? Und warum versucht Ihr, mich zu töten?" Solofar hob das Rapier, bereit zum Angriff.

Der Sirea krümmte sich zusammen, die Beine gebeugt, den Säbel fest in der Hand. Seine Drachenflügel raschelten, als er sie leicht spreizte. „Was geht dich das an, Ipotame?"

Die Spitze von Solofars Rapier zuckte. „Ich weiß gerne, wen ich töte. Vor allem jene, die sich mir in den Weg stellen."

Der Sirea lachte leise auf. „Du wirst mich nicht töten. Eher bringe ich dich um."

„Und warum wollt Ihr mich töten, wenn ich fragen darf? Ihr seid mir nie zuvor begegnet. Mit solchen wie Euch pflege ich keinen Umgang."Warum spreche ich überhaupt mit ihm? Er ist zu ungehobelt, als dass er meine Worte verdient hätte.

„Dafür schlage ich mich oft mit solchen herum wie mit dir", knurrte sein Gegner. Er machte eine schnelle Bewegung auf Solofar zu, und er parierte elegant. Hell hallte das Klirren der Waffen in dem Zimmer.

Solofar lächelte schmal. „Ich bezweifle, dass Ihr oft Umgang mit adeligen Ipotame habt, so, wie Ihr den Anschein habt."

„Mit Ipotame nicht allzu oft. Mit Spionen dafür schon", grollte der Sirea. Erneut erstarrten sie, die Schwerter in den Händen, die Spitzen der Waffen nur eine Handbreit von einander entfernt.

Solofar musterte ihn überrascht. „Ich bin kein Spion."

„Ihr seid doch alle Spione. Das gesamte verfluchte Pack, das im Sold der Rhymers steht." Triumphierend beobachtete der Sirea ihn.

„Ich nicht", entgegnete Solofar unbeeindruckt.

„Du bist der schlimmste von ihnen allen. Ein Auftragsmörder."

„Was seid Ihr dann? Wie ich sagte, ich bin Euch nie zuvor begegnet. Ihr habt keinen persönlichen Groll gegen mich. Ihr tötet ebenso für Geld wie ich, also versucht nicht, mir einzureden, Ihr seid etwas besseres als ich. Und nun sagt mir Euren Namen, es wird langweilig", sagte Solofar ungeduldig.

„Mein Name ist Tiborazo Nastura. Graf Arnaud beauftragte mich, einen Blick auf die Gäste seiner Gattin zu werfen. Falls sie ihm an den Kragen wollen." Der Sirea lächelte und entblößte gelbliche Fänge, weiß schimmernd im Mondlicht. „Gerade auf dich, Solofar Darke."

„Ihr glaubt also, ich wollte Graf Arnaud töten?" Ich bin beeindruckt. Mein Name hat es also auch in die nicht allzu erlesenen Kreise geschafft.

„Aye, das tue ich."

„Da habt Ihr recht."

„Das habe ich öfters. Gerade, wenn es um die Ratten der Rhymers geht."

„Leider werde nur ich meinen Lohn einstreichen können. Denn Euer Geldgeber wird tot sein, noch bevor die Sonne aufgeht." Das war nicht, was ich vorgesehen hatte. Ich sollte Graf Arnaud morgen früh vergiften, ein paar Tropfen Nebelessenz in den morgendlichen Wein, und er wäre an einem Fieber gestorben, das sich kein Heiler Abisyalas erklären könnte. Seine Frau wäre die neue Gräfin Arnaud, die Herrscherin über diese Ländereien, und alles wäre nach ihrem Willen geschehen. Doch dieser Nastura macht mir einen unschönen Strich durch die Rechnung.

„Eher offenbare ich dich, und du kommst an den Galgen, wie es das Gesetz von Abisyala vorsieht." Nastura straffte die Schultern, die Glöckchen in seine Mähne klingelten. „Oder ich verteile hier deine Eingeweide über diese Teppiche."

„Das wird Graf Arnaud kaum gefallen."

„Dass ich den Plan seiner Gattin offenbart habe, wird dieses kleine Chaos ziemlich langweilig aussehen lassen."

Genug geplaudert. „Master Nastura, es war mir eine Freude, Eure Bekanntschaft zu machen, und ich bedaure es zutiefst, dass es unter diesen hässlichen Umständen sein musste. Auch bedaure ich es sehr, dass Ihr meine Pläne derart zunichte macht." Solofar griff an und parierte einen schnellen, hinterhältigen Schlag mit dem Dolch, das Klirren war laut wie Donner in der Stille des schlafenden Herrenhauses. Es muss enden, bevor ich die gesamte Wache in meinem Gemach stehen habe. Seine linke Hand schnellte vor, und er landete einen Schnitt auf Nasturas Oberarm. Immer leichter wurde es, seine Schläge abzuwehren, seine Bewegungen wurden langsam und verwaschen, und schließlich brach er auf den Teppichen zusammen.

Zufrieden trat Solofar einen Schritt zurück und betrachtete sein Werk. Kurz überlegte er, ihm einfach die Kehle durchzuschneiden, doch er verwarf es. Ein Toter in einem Herrenhaus reicht. Zwei, die der gleichen Gesinnung angehören, sind auffällig. Er wird schlafen, bis der Morgen graut, und bis dahin bin ich längst auf dem Weg nach Norden. Vielleicht ist Gräfin Arnaud klug genug, um ihn für den Tod ihres Gatten anzuschwärzen.

Hastig suchte er seine Habseligkeiten zusammen, legte seine Rüstung an und zog die Riemen fest, die die kleinen Phiolen mit Giften an ihren Plätzen an seinem Gürtel hielten. Zeit, sich um den Grafen zu kümmern. Kurz hielt er inne und lauschte auf weitere Schritte, doch auf dem Gang war es totenstill.

Dennoch entschied er sich für den Weg über die Fassade. In Herrenhäusern gab es stets Wachen, selbst, wenn sie nicht zu hören waren. Unter ihm gähnte der Abgrund, während er Stück für Stück die Mauer des Hauses emporkletterte, darunter schimmerte das feuchte Kopfsteinpflaster des Hofes. Irgendwo schnaubte ein Pferd.

Seine Arme protestierten, als er sich auf das Dach zog und über den First zum Westflügel des Anwesens huschte. Immer wieder zahlt es sich aus, den Rhymers zu dienen. Nur sie statten mich mit einem Grundriss des Hauses aus, in dem ich töten soll. Falls etwas schief laufen sollte, und als hätten sie es gewusst, ist in der Tat etwas geschehen. Tiborazo Nastura. Ich werde sie nach ihm fragen.

Unbemerkt stieg Solofar über das niedrige Geländer eines kleinen Turmes, öffnete die Luke am Boden und stieg hinab in die privaten Flure. Wie von selbst umschloss seine Hand die Nadel mit dem Gift, das er bereits Nastura verabreicht hatte, ein weit verbreitetes Mittel, zu finden in der Schublade einer jeden Hure, für den Fall, dass ihr Freier ein wenig zu übermütig wurde. Doch nun brauchte er es, um die Bediensteten außer Gefecht zu setzen, falls ihm einer über den Weg lief.

Doch niemand begegnete ihm, nur ein schlafender Wachmann lehnte an einem Türrahmen. Der Inbegriff der Unfähigkeit. Verfluchte Dracones. Solofar schlich an ihm vorbei und betrat lautlos das Gemach des Grafen. Noch im Laufen tauschte er die Nadel gegen eine Phiole mit einer klaren Flüssigkeit darin. Im Licht des Tages würde sie bläulich schimmern, doch nun schien sie so durchsichtig wie Wasser Keine Nebelessenz. Etwas, das den Tod herbeiführt, noch bevor ich seine Ländereien verlassen habe.

Neben dem Bett des Grafen blieb er stehen. Arnaud lag mit leicht geöffnetem Mund neben seiner ebenfalls schlafenden Frau, als wartete er nur darauf, dass Solofar ihn tötete, verwickelt in Decken und Laken.

Schnell goss Solofar die Hälfte der Flüssigkeit zwischen die Lippen des Grafen, schloss sanft seinen Mund und bedeckte seine Nase. Das Schlucken des Grafen klang zufrieden. Der beste Schnaps, den Ihr jemals kosten werdet, Graf Arnaud. Und der letzte.

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