NACH SÜDEN
Skygate, Hauptstadt von Meracon, 442 nach der Eroberung
~
„Und?"
„Nein."
Gezzarro ließ entgeistert die Weinflasche sinken. „Was soll das heißen, nein?"
„Ich werde nicht angenommen." Solofar blieb vor dem steinernen Geländer der Brücke stehen und blickte müde auf die bräunlichen Fluten des Kerr hinaus.
„Willst du mir jetzt erzählen, dass wir von Hastator aus durch ganz Nyradon geritten sind, die Banditen in Hiron überlebt haben, den Brand in den Armenvierteln von Tikmer, diesen Hurensohn von einem Flussschiffer, der uns die Kehlen durchschneiden wollte, kaum, dass wir über der Grenze waren?" Gezzarro sprang vom Geländer und blickte Solofar an. „Dass wir fast im Ustar ersoffen sind, für nichts und wieder nichts?"
Solofar nickte. Die schwere Anreise kümmert mich nicht. Ich bin nur enttäuscht, dass sie mich nicht annahmen. Die Geheimnisse der Gifte erlangen, die die Stummen so eifersüchtig hüten, die Wege, wie sie die Substanzen für ihre Zwecke nutzen, das war alles, was ich wollte. Doch ihr Anführer verwehrte ihn mir. „Die Stummen nehmen nur Faroun auf. Die Ausbildung beinhaltet Staatsgeheimnisse des Reiches Meracon, die einem Außenstehenden nicht anvertraut werden. Das, was sie wissen, ist ihnen vorbehalten."
„Verfluchte Götter." Gezzarro hielt ihm die Weinflasche hin. Solofar wehrte ab, und der Panthera trank selbst einen Schluck. Langsam trat er neben seinen Freund und lehnte sich gegen das Geländer. „Und wenn du nur die Lektionen der Gifte besuchst und alles andere außen vor lässt?"
„Sie waren deutlich, dass sie mich niemals aufnehmen, selbst, wenn ich drohe, mich selbst oder gar sie zu töten." Sie sagten, eben so etwas wäre bereits vorgefallen. „Ihnen hat ebenso nicht gefallen, dass ich nicht an Licht und Dunkel glaube. Als Stummer lernt man weit mehr als nur das Wissen um Alchemie und Gifte. Sie sind Priester, Assassinen und Heiler. Man lernt, Dämonen zu beschwören und zu kontrollieren, wie man die schrecklichsten Wunden heilt, wie man mit allen Waffen der Welt umgeht und mit noch einigen anderen, die noch nie jemand zu Gesicht bekam, außer sie und ihre Opfer. Sie arbeiten für Meracon und sonst für niemanden. Wer einmal in ihren Reihen ist, darf sie nie wieder verlassen."
Gezzarro nahm die Hand vom Griff seines Rapiers. „Schade, sonst hätte ich gesagt, wir machen ein paar von ihnen fertig und bringen dich dann in die geheimen Giftküchen der Stummen."
Solofar schnaubte. „Du willst dich mit den gefährlichsten Gilde der Welt anlegen? Du hattest bereits bessere Ideen, Gezzarro."
Er lachte, leerte die Flasche und warf sie von der Brücke. Schlammiges Wasser verschlang das Glas, die Abendsonne ließ die Fluten golden schimmern. Die Faroun, die die Tavernen und Läden am rechten Ufer des Flusses bewohnten, begannen bereits, ihre Häuser zu schließen. Arbeiter beendeten ihre Pflichten und machten sich zügig auf den Weg nach Hause, immer mit verstohlenen Blicken zur tief hängenden Sonne, die sich immer mehr den goldenen Dünen näherte.
„Verdammte Faroun", fluchte Gezzarro.
„Ich hätte es wissen sollen. Die Professoren in Hastator warnten mich, dass es noch nie jemandem gelungen ist, den Stummen beizutreten, der kein Faroun war." Solofar beobachtete, wie ein massiges Luftschiff aus dem Gewirr aus Türmen, Häusern und Straßen von Skygate aufstieg und mit dem Wind der Sonne entgegen schwebte. Ich glaubte, mein Können wäre genug, damit sie mich annähmen. Doch die Faroun nehmen ihre Regeln ernst.
„Engstirnig sind sie in der Tat", sagte Gezzarro resigniert. „Aber nun, wir können kaum noch etwas tun." Er schlug seinem Freund auf die Schulter. „Lass uns einen trinken gehen. Man kann von Meracon halten, was man will, von Wein haben sie Ahnung."
Solofar verzog unwillig das Gesicht, doch Gezzarro hatte sich bereits umgedreht und schlenderte sorglos voran. „Was hast du getan, während du gewartet hast?", fragte er, nachdem er ihn eingeholt hatte.
„Ich habe mich mit ein paar Faroun im Fechten gemessen und sie in Grund und Boden gekämpft", berichtete er stolz. „Bis wir von der Stadtwache vertrieben wurden. Danach habe ich mit Wein gekauft und ein paar Gedichte von Giano Mallezza gelesen." Seine Stimme nahm einen verträumten Klang an. „Ich wünschte, er würde derartige Poesie für mich schreiben statt für irgendeine goldene Löwin in Usan."
Und so jagen sowohl ich als auch er unmöglichen Träumen nach. Er lächelte halb. „Du wirst dein Glück finden, Gezzarro. Eines Tages."
Er seufzte und hakte die Daumen in den Gürtel. „Ich weiß nicht. Poeten können jeden haben, den sie wollen. Die Reichen und Schönen, die ihnen alles bieten können, was sie brauchen, da übersehen sie einen Mann wie mich." Unglücklich sah er an seinem schmalen Körper herunter, an seinem weiten, mit Flecken übersäten Hemd und seinen staubigen Hosen. „Wenn sie denn überhaupt nach Männern suchen. Die meisten Gedichte drehen sich nur um Frauen." Er schwieg kurz, dann zuckte er mit den Schultern. „Nun, wir können wohl beide nicht haben, was wir wollen, und müssen uns mit unserem Schicksal abfinden."
„Gerade dachte ich, du wirst nun wieder wehleidig."
„Niemals."
Solofar schnaubte. „Jammern ist das, was du am häufigsten tust."
„Im Gegensatz zu dir, in der Tat. Bei allen Höllen, du wurdest gerade von den Stummen abgewiesen, du kannst alles, worauf du gehofft hast, begraben, und ich höre nicht ein Wort der Beschwerde von dir!" Gezzarro blickte ihn ungläubig an. „Warum nicht?"
„Nun, ich kann es nicht ändern. Niemand kann das. Deswegen überlege ich nun, was mir als Alternative bleibt." Solofar blickte dem linken Ufer des Kerr entgegen, zu den ersten sich öffnenden Türen und den gähnenden Shacani, die mit ihrer Arbeit begannen. Beinahe freue ich mich darüber, nicht von den Stummen aufgenommen worden zu sein. Ihr Schweigegelübde hätte mir nicht gefallen.
Gezzarro seufzte. „Beneidenswert, dass du sofort über die Zukunft nachdenken kannst. Ich an deiner Stelle hätte mich erst einmal hemmungslos besoffen."
„Das tust du auch so, ohne dass du von den Stummen abgewiesen wurdest."
Der Panthera lachte. „Stimmt. Und, was wirst du nun tun?"
Es gibt noch andere, die den Giften zugewandt sind. Eine Gesellschaft von ihnen ist ebenso gefürchtet wie berüchtigt. „Wir reiten weiter."
„Wohin? Einfach sinnlos in die Richtung, die uns gerade gefällt? Oder haben wir wieder ein Ziel?", fragte Gezzarro gespannt.
„Wir reiten nach Osten, bis wir das Meer erreichen. Von dort nehmen wir ein Schiff, das uns zu den Tierras Santas bringt. Und dort werden wir ein weiteres Schiff bis nach Santaca besteigen."
Der Panthera blickte ihn für einen Moment verwirrt an, dann hellte sich seine Miene auf. „Du willst zu den Selketien, nicht wahr?"
„In der Tat."
„Du willst ihnen beitreten? Du glaubst nicht mal an die Prophezeiungen der Scorpia."
„Ich werde lügen und ihnen meinen Glauben vorgaukeln müssen." Doch was tut man nicht alles für das Wissen der Skorpionskrieger mit ihren tödlichen Einhörnern und dem Sektenkult.
„Wenn sie herausfinden, dass du sie angelogen hast, bist du tiefer in der Scheiße, als du jemals zuvor warst."
„Diese Gefahr werde ich auf mich nehmen müssen."
Gezzarro blickte ihn skeptisch an. „Du bist von Sinnen."
„Ich kann nicht von dir verlangen, mich zu begleiten. Wir werden stets in Lebensgefahr schweben, und ein einziges falsches Wort kann unseren Tod bedeuten." Solofar blieb stehen und sah seinem Freund in die Augen. „Du musst nicht mit nach Santaca kommen."
„Und ich soll mir diesen Spaß entgehen lassen?", entgegnete Gezzarro begeistert. „Niemals."
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GUESS WHO'S BACK
Na, meine lieben Freunde? Habt ihr Solofar vermisst? Und Gezzarro? Endlich geht es weiter mit Solofar, Tiborazo und allen anderen... ich für meinen Teil habe sie schrecklich vemrisst, wie ich ich des öfteren kundgetan habe.
Die nächsten Wochen - ein Abenteuer, an dem ich seit mehr als einem Jahr arbeite. Es ist nicht perfekt, oh nein. Eher habe ich die ersten beiden Kapitel geschrieben, es dann über ein Jahr verkommen lassen, dann besagte Kapitel krude überarbeitet und nun fertig geschrieben. Freut euch auf einen Ipotame und einen Panthera in üblen Schwierigkeiten - und einen bereits bekannten Roten Magier, der ihnen wieder raus hilft.
Nächsten Freitag. Wenn ich dran denke.
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