IV. Drachenfänger


Die Bestie heulte auf, als Listana ihr den Speer erneut zwischen Schulter und Flügel rammte, ihre Krallen zerpflügten den Boden vor Stravas Füßen, die zugleich nach dem freien Zügel angelte und den Angriffen der Bestie auswich. Die Nebelspinne rollte sich ab und schlug mit dem Schwert nach dem Bein der tobenden Bestie, doch verfehlte sie.

Gemeinsam stürzten Shinn, Ghanteri und Tiborazo auf die Kämpfenden zu und griffen an. Strava erhob sich aus dem Staub und warf ihnen scheele Blicke zu, doch hob ebenfalls ihr Schwert.

Tiborazo zog der Bestie die Klinge über die Schulter, und mit einem Grollen fuhr sie zu ihm herum. Ihr Atem schien die Luft vor ihm in Brand zu setzen. Das Auge. Ich kann ihr das Schwert ins Auge rammen. Mit aller Kraft stieß er sich vom Boden ab und stach zu.

Knirschend rutschte die Klinge an den zerklüfteten Panzerplatten am Kopf ab. Ein Zittern lief durch den Körper der Bestie, ihr Brüllen ließ den Boden erbeben, als die Parierstange durch ihr Auge schrammte. Das Schwert scharrte über die schuppige Haut, hinterließ eine tiefe, blutige Furche und zerriss den Lederriemen, der das Maul der Bestie geschlossen hielt.

Tiborazo fluchte lautlos, als die Bestie mit einem triumphalen Brüllen den letzten Fetzen Leder, der das Zaumzeug zusammenhielt, zerriss. Feuer barst aus ihrer Kehle, und die Nebelspinne, die ihre Zügel hielt, ging kreischend in Flammen auf.

„Was tust du, Rattenfänger?", brüllte Ghanteri voller Zorn, während er sich von den lodernden Flammen abwandte. Es stank stechend nach brennenden Federn.

Die Bestie wandte grollend den nach hinten, doch Listana war schnell. Die Flammen streiften sie nur, als sie aufflog und geschmeidig neben ihrem Vater landete, den Speer fest in den Händen. Hastig erstickte sie die Flammen an ihrer Kleidung und bedachte Tiborazo, der sich ebenfalls zu ihnen stellte, mit einem vernichtenden Blick.

Strava stürzte zu dem Mann und stieß ihm das Schwert in den Hals, dann wandte sie sich wieder der Bestie zu. „Und jetzt?", wollte sie wissen.

„Das könnten wir dich fragen, du hinterlistige, verfluchte Schlampe! Was fällt dir ein...", fauchte Listana, doch Shinn unterbrach sie.

„Ghanteri, Strava, ihr greift ihre rechte Flanke an, Nastura und ich die linke. Du, Listana, versuchst, sie am Kopf zu treffen. Du kannst am besten mit dem Speer umgehen. Wir versuchen, ihre Aufmerksamkeit so sehr zu erwecken, dass sie uns angreift, sodass du ihr den Speer ins Auge rammen kannst."

Strava und Ghanteri warfen sich derart hasserfüllte Blicke zu, dass Tiborazo beiden zutraute, den anderen versehentlich sterben zu lassen. Oder den anderen der Bestie zum Fraß vorwirft, um sich selbst zu retten. Obwohl Hinterlist wohl eher Stravas Stil ist. Dennoch liefen beide an die Seite, die Shinn ihnen gewiesen hatte. Der Anführer der Sturmsänger winkte Tiborazo zu sich, und gemeinsam stürzten sie sich auf den tobenden Drachen.

Es war nicht schwer, die Bestie zu treffen. Mit jeden Schlag spürte Tiborazo das Metall seines Schwerts erzittern, wenn es gegen die Beine der Kreatur prallte, doch nur oberflächliche, dünne Schnitte zeigten sich auf der dicken Haut. Pfeile flogen auf sie zu, doch sie schienen den Drachen nicht mehr zu stören als ein Mückenstich. Die Hitze der Flammen zausten Tiborazo das Fell, und er befahl sich selbst, nicht zu sehr auf das Feuer zu achten, das die Bestie auf Listana spie. Wenn ein Drache Feuer auf dich speit, weiche aus. Kein Schild, keine Rüstung ist stark genug, um Drachenfeuer aufzuhalten. Shinn hatte ihm diese Worte eingebläut, und Listana schien sie seit Beginn ihrer Ausbildung zu kennen. Den Speer in der Hand tänzelte sie um die Flammen herum, wich ihnen aus und stieß mit ihrer Waffe nach Augen, Maul und Nüstern des Drachen, doch bis auf leichte Kratzer erzielte sie keine Erfolge. Wenigstens halten die Fesseln am linken Flügel. Wenn er fliegen könnte, hätten wir keine Chance.

Ghanteri und Strava konnte er bis auf ihre Beine nicht sehen, doch die langen Risse in der Flügelhaut des Drachen sprachen von ihrem Erfolg. Doch Listana sah er. Sie tänzelte vor und zurück, erhob sich in die Luft, um dem Drachen ihren Speer in den Hals zu rammen, doch die Bestie war klug. Sie bäumte sich auf, Flammen erhellten den Nachthimmel, schiefe, zersplitterte Zähne schlossen sich um nichts als Luft und Staub, dort, wo noch Augenblicke zuvor Listana gewesen war. Hektisch schlug die Jägerin das Feuer an ihrer Kleidung aus.

Ein Schuss donnerte, tief und dunkel wie das Brüllen der Bestie. Blut spritzte, Knochensplitter flogen, und die Bestie wirbelte fauchend herum, wie eine Peitsche schoss ihr Schwanz durch die Luft. Hastig warfen Tiborazo und Shinn sich zu Boden, die schweren Schritte der Bestie trieben ihnen den Staub in die Augen. Durch die Strähnen seiner Mähne sah Tiborazo die weiche Flanke des Drachen, zerschunden von Listanas Sporen und unzähligen Pfeilen, und sprang auf, das Schwert erhoben.

Shinns Warnschrei hörte er zu spät. Der Flügel der Bestie traf ihn im Rücken und schleuderte ihn über den staubigen Boden. Steine drückten gegen sein Kettenhemd, seine Knochen knirschten schmerzhaft, als er schließlich durch einen Felsbrocken abgebremst wurde. Alle Luft wich aus seinen Lungen, sein Kopf prallte gegen den Stein, weiße Lichter flackerten in seinem Sichtfeld, und er widerstand heftig dem Drang, einfach liegen zu bleiben. Heftig rang er um Atem und kämpfte sich wieder auf die Füße. Keiner seiner Knochen schien gebrochen zu sein, selbst wenn jeder einzelne schmerzte. Frisches Blut rann aus der Wunde an seinem Bauch.

Heftig schüttelte er den Kopf, um die Benommenheit loszuwerden und taumelte auf sein Schwert zu, das einige Schritte entfernt im Staub lag. Er hob es auf und atmete tief durch, seine Rippen protestierten. Nicht mehr lange. Wir töten dieses Biest, und dann kann ich mich ausruhen. Ein weiterer Schuss erklang, wieder brüllte der Drache. Mühsam kratzte Tiborazo seine letzte verbliebene Kraft zusammen und stürzte sich erneut in den Kampf.

Staub biss in seinen Augen, in den kleinen Wunden, die die Bestie schlug, kratzte in seiner Kehle und fand seinen Weg unter seine Rüstung. Heißes Blut verklebte sein Fell und durchnässte sein Fell. Er begriff schnell, dass er die Angriffe des Drachen nicht parieren konnte, sondern ihnen ausweichen und dabei einen weiteren Schnitt zufügen musste. Beinahe war er versucht, vorzuschlagen, dass sie die Bestie einfach wieder befreien sollte. Doch es war nur rechtens, wenn sie den Lohn für all ihre Mühen einfuhren. Angreifen, bis sie reagiert. Ausweichen. Zuschlagen. Der Kampf zog sich in die Länge, dauerte scheinbar Jahre, während er wohl nur wenige Augenblicke währte, und in Shinns Augen sah er bereits die gleiche Erschöpfung, die er ebenfalls verspürte. Als die Bestie den Kopf wandte und Feuer auf sie hinab spie, fühlte er sich bereits zu müde für ein elegantes Manöver und ließ sich in den Staub fallen. Krallen scharrten ihm Staub in die Augen, der Boden bebte unter dem Gebrüll des Drachen.

Plötzlich erzitterte die Bestie, erstarrte für einen Augenblick. Strava schrie einen triumphierenden Fluch. Tiborazo sprang vor und rammte sein Schwert in die Flanke der Bestie. Shinns Pike schlug neben seiner Waffe in die ledrige Haut ein.

Die Bestie brüllte, ein tiefes, kreischendes Heulen, bäumte sich auf und sprang vor. Flammen zuckten um ihre Lefzen, und Listana hob hastig ihren Speer, bereit zum Zustoßen.

Sie zögerte einen Augenblick zu lange. Einen Moment, den die Bestie nutzte. Zischend wirbelte sie herum, wurde zu einem Sturm aus Feuer, Zähnen und dunklem, blutigem Fleisch, und brachte die junge Drachenjägerin zu Fall. Noch in der gleichen Bewegung wandte sie sich erneut zu ihr um, die Pranken erhoben. Blut und Geifer sprühten von ihren Zähnen.

„Listana!" Shinn sprang vor, die Pike steckte noch immer in der Flanke des Drachen, und zog sein Kurzschwert. Mit kräftigen Flügelschlägen erhob er sich in die Luft, das Schwert erhoben.

Die Bestie schien zu erraten, was er vorhatte. Keinen Augenblick zu spät wandte sie sich zu ihm um, die Zähne gefletscht. Angelaufenes Gold blitzte auf.

Sie pflückte ihn aus der Luft, so, wie Katzen Vögel fingen. Knochen splitterten hörbar, als sie ihn zu Boden schmetterte. Zähne schlossen sich um gefiederte Flügel, mit einer schnellen Kopfbewegung schleuderte sie ihn fort. Ihr triumphales Brüllen ließ Tiborazos Eingeweide erbeben.

Listana schrie auf, fauchte Flüche und Beschimpfungen. Ihre Tränen schimmerten im Licht des Feuers, als sie den Drachen erneut angriff, der mit einem einzigen, nachlässigen Flügelschlag Strava und Ghanteri zur Seite stieß. Ghanteri strauchelte, doch die Nebelspinne hielt sich auf den Beinen. Sie tänzelte ein paar Schritte zur Seite, bis sie bei einem ihrer gefallenen Kameraden zum Stehen kam.

Tiborazo schlug weiterhin auf die Bestie ein, bis sie ihn mit einem Schwanzschlag zur Seite taumeln ließ. Hilfesuchend sah er sich zu Ghanteri um, der ebenfalls wieder aufgestanden war, doch der Drachenjäger würdigte ihn keines Blickes.

Die Bestie bäumte sich erneut auf, zwischen ihren Zähnen dräuten die Flammen. Listana lauerte zu ihren Füßen, bereit zum Sprung, und ließ in grimmigen Zorn den Speer wirbeln.

„Sirea, fang!" Plötzlich schnellte Strava vor, weiße Federn stoben auf, und ein Gewirr aus Leder und Ketten legte sich um den Kopf der Bestie. Beschwerte Seile hingen herab, und Tiborazo beeilte sich, eines davon zu ergreifen.

„Du auch, Ghanteri!", befahl die Nebelspinne, und der Drachenjäger gehorchte, selbst wenn auf seinen Zügen der blanke Hass stand. „Zieht!"

Mit aller Kraft legte Tiborazo sich in die knirschenden, mit Ketten verstärkten Seile. Der Drache schüttelte sich und grollte wütend, weitere, mit Metallkugeln verstärkte Enden legten sich um seinen Kopf und umschlossen seine Kiefer. Als er den Kopf hob, spürte Tiborazo, wie seine Füße vom Boden abhoben, und kämpfte dagegen an. Klirrend spannten sich die Ketten, als er versuchte, das Maul zu öffnen.

Listana verstand. Angesengte Federn segelten zu Boden, als sie aufflog, der Drachenkopf ruckte zu ihr herum, doch die Seile hielten ihn zurück, für einen Moment, bevor die schiere Kraft des Drachen gegen die seiner Jäger siegte.

Doch Listana brauchte nicht mehr. Sie landete auf dem schweren, mit Hörnern, Stacheln und lückenhaften, verwachsenen Panzerplatten bedeckten Kopf, verhakte die Beine in den Hörnern und rammte der Bestie den Speer in den Hals. Mit einem Aufschrei drehte sie ihn in der Wunde um.

Der Drache schrie auf, ein ohrenbetäubendes, röchelndes Heulen. Blut pulsierte aus der Wunde und bespritzte Listana mit dunkelroter, stinkender Schmiere, als sie den Speer aus dem Fleisch zog und ihn mit aller Kraft in die Lücken zwischen zwei Panzerplatten stieß, direkt über dem Netz der Nebelspinne.

Das Heulen der Bestie verklang zu einem keuchenden, feuchten Fauchen, das angelaufene Gold ihrer Augen flackerte auf und erlosch. Zuckend gaben ihre Beine unter ihr nach, die Knochen ihres Flügels brachen, als sie ihn unter sich begrub. Listana riss den Speer aus dem Kopf und erhob sich erneut in die Luft. Die Schwanzspitze zuckte ein letztes Mal, dann wich jegliche Spannung aus dem Körper der Bestie.

Staubige Stille kehrte ein, beinahe konnte Tiborazo den Nachhall des Brüllens spüren. Die Erschöpfung fraß sich durch seine Glieder, und er schwankte.

„Was für ein Bastard von einem Drachen", sagte Strava trocken und stützte sich auf ihr Zentaurenschwert.

„Rattenfänger!", fauchte Ghanteri und schritt mit der Klinge in der Hand auf Tiborazo zu, „was fällt..."

„Ghanteri!", schrie Listana, noch ehe der Jäger zu Ende sprechen konnte, und landete geduckt im Staub. „Es reicht. Gib mir die Axt."

Der Drachenjäger zögerte, doch der Stahl in ihren Augen schien ihn zu überzeugen. Wortlos reichte er ihr die Waffe, die an seinem Gürtel hing. Listana trat auf die Bestie zu, hob die Axt und begann.

Stumm sahen die anderen zu, wie sie den Kopf der Bestie vom Hals trennte. Tränen rannen ihr über die Wangen und vermischten sich mit Drachenblut, doch als Ghanteri zu ihr treten wollte, reichte ein einziger Blick von ihr, um ihn wieder zu Tiborazo und Strava zu treiben. Odenser trat hinzu und breitete eine Decke über Shinns zerschlagenen Körper.

Ein letztes Knirschen, und Listana durchtrennte den letzten Fetzen Fleisch. Langsam löste sie das Netz von den Hörnern und warf es neben die Pfütze aus blutigem Schlamm. „Ghanteri, Odenser, Rattenfänger. Schlachtet den Drachen aus, nehmt alles, was ihr könnt. Nehmt..." Ihre tonlose Stimme schwankte. „Nehmt meinen Vater mit, wir werden ihn in Port Ibes bestatten. Brecht das Lager ab. Wir reiten jetzt weiter." Müde wischte sie sich das Blut aus den Augen.

„Und sie?", fragte Tiborazo und wies auf Strava. „Sie wollte dir deine Beute stehlen."

Listana blickte zu der Nebelspinne, die ein milde verächtliches Lächeln zur Schau trug. Langsam verlagerte sie das Gewicht, sodass sie sich noch immer scheinbar entspannt auf ihr Schwert stützte, doch nun hielt sie das Heft in der Hand. „Du weißt, wer wir sind, Mädchen", sagte Strava amüsiert und sah sie eindringlich an.

Die Sturmsängerin erwiderte ihren Blick. Sie schienen sich ohne Worte zu verständigen, und schließlich wandte Strava sich ab und sah mit einem traurigen Lächeln in die Ferne, dorthin, wo Port Ibes liegen musste. „Geh", knurrte Listana beherrscht, ihre Stimme klirrte unter all den darunter verborgenen Gefühlen. „Wenn ich dich oder eine deiner Spinnen in meiner Nähe finde, bevor wir die Festung erreicht haben, wird es Krieg geben, und den wirst du nicht gewinnen."

Strava maß die verbliebenen Sturmsänger mit einem zweifelnden Blick, doch beließ es dabei. „Tut mir leid wegen Shinn", murmelte sie schließlich. Aus ihrem Mund klangen selbst diese Worte zynisch. Ruhig schob sie das Zentaurenschwert in die Scheide an ihrem Rücken und schoss in den schwarzen Himmel. Eine einzelne weiße Feder schwebte zu Boden. Ghanteri trat sie in den blutigen Dreck.

Einige Zeit später ritten sie fort von dem Ort der Schlacht, dorthin, wo hinter dem endlosen Grasmeer Port Ibes lag. Die toten Augen der Bestie, deren Kopf von Listanas Sattel hing, glänzten stumpf. Sie schienen Tiborazo zu beobachten.

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