III. Wort und Schwert




„Er war es nicht", sagte Solofar. „Er kann es nicht gewesen sein."

„Natürlich nicht. Aber solange wir keinen Beweis haben, der dagegen spricht, haben sie ihren Schuldigen. Verdammt, es braucht immer einen Schuldigen." Hyatt hob sein Schwert vom Boden auf und kratzte etwas Erde von der Klinge. „Paycaster hat genug Feinde, da muss es nicht Elvengrave gewesen sein. Die Hälfte des Nordens ist gegen ihn. Aber komm jetzt. Hol mich aus dieser verdammten Rüstung, und ich werde noch einmal versuchen, die Hohen Lords davon zu überzeugen, dass Elvengrave kein verdammter Meuchelmörder ist." Er klang nicht besonders zuversichtlich.

Solofar folgte Hyatt in das Zelt und ging an die Arbeit. Sliv war es nicht, niemals. Ich werde nicht zulassen, dass er für etwas hängen muss, was er nicht getan hat. Der wahre Verantwortliche muss gefunden werden, und wenn schon niemand außer mir und Hyatt an der Wahrheit interessiert ist, muss ich es tun. Ich werde Sliv wieder aus dem Kerker holen, koste es, was es wolle. Vorsichtig hängte er Hyatts Rüstung über den passenden Ständer und half dem Lord in einfache, doch edle Kleidung.

„Was werden wir nun tun?", durchbrach der Junge schließlich das betroffene Schweigen.

„Wir werden gar nichts tun. Ich werde nach den letzten Kämpfen die Hohen Lords aufsuchen und ihnen klar machen, dass ihre Anschuldigungen Unsinn sind." Hyatt wies auf eine gelbblau gemusterte Schärpe, und Solofar befestigte den Stoff mit einer Brosche an seiner Kleidung.

„Darf ich mit Euch kommen?", fragte Solofar hoffnungsvoll.

„Nein." Hyatt hob eine Hand und erstickte Solofars Protest im Keim. „Keine Widerrede. Für Knappen ist dort kein Platz. Du wirst das Geschirr des Drachen bereit machen, den Überwurf flicken, und das Biest überprüfen, nach neuen Wunden, brüchigen Krallen und abgebrochenen Zähnen. Du wirst für ihn eine größere Portion Fleisch erbetteln, und mit ihm eine Runde über das Gelände reiten, und nach dem Festmahl wirst du mir Bericht erstatten, ob er so läuft, wie er sollte."

Das ist nicht fair. Sliv ist mein Freund. Ich sollte helfen, ihn zu befreien, anstatt die Arbeiten zu machen, die wir gemeinsam erledigen sollten. „Ja, Mylord."

Hyatt sah ihn scharf an. „Keine Heldentaten, keine dummen Versuche, irgendetwas zu ändern. Hast du mich verstanden, Darke? Das ist eine Sache der Ritter und Lords. Wenn du irgendeinen Unsinn baust, und ich dich auch aus dem Kerker holen muss, ich schwöre bei den Göttern, ich peitsche dich persönlich aus."

Das würde er niemals tun. Es entspricht nicht seinem Kodex. Doch sicher war er sich nicht. Folgsam nickte Solofar. „Ja, Mylord."

„Gut. Dann komm." Er winkte ihn zu sich und schritt energisch die leichte Steigung zur Festung hinauf.

Im Hof vor den Stallungen blieb Solofar zurück und machte sich daran, den kleinen Riss im Überwurf des Drachen zu flicken. Hyatt ist es egal, ob der Überwurf ein Loch hat oder nicht. Er will nur nicht, dass ich ihn begleite, schoss es ihm durch den Kopf. Dennoch bemühte er sich, im Zwielicht der Öllampe vernünftige Stiche zu machen. Aber er hat recht. In der Welt der Ritter kann kein Knappe etwas ausrichten, selbst wenn meine Familie noch so mächtig ist.

Mit dem Zaum in den Händen trat er zu dem Platz, an dem der Drache angekettet war, und ließ sich von einem Stallburschen beim Satteln helfen. Allein wagte er es nicht. Normalerweise hätte Sliv mir geholfen. Resigniert ließ er seine Hand an den muskulösen Beinen des Tieres entlang gleiten und achtete auf eine Reaktion. Nichts geschah, nur ein tiefes Knurren ließ seinen Körper erbeben. Der Junge half ihm auf den Rücken der Bestie, und Solofar lenkte ihn aus dem Hof hinaus, hinein in das schwindende Abendlicht.

Der Drache, den Hyatt bei seinen Turnieren ritt, war ein prächtigesTier, ein wenig größer als ein Pferd, kräftig und mit fließenden, starken Bewegungen. Solofar fürchtete ihn beinahe, und zugleich liebte er das Gefühl der Überlegenheit, die er mit sich brachte. Doch die Sorge um Sliv vertrieb jegliches Gefühl des Glücks. Ich hoffe, es geht ihm gut. Sie werden ihn kaum in die finsteren Löcher gebracht haben, in denen die wahren Verbrecher sitzen müssen, schließlich ist auch er von adeligem Geblüt.

Das Volk strömte zu den Toren, die aus der Festung hinaus führte, angetrieben von den erschöpften Soldaten. Zurück blieben Huren, ein paar wenige Spielleute und jene, die einen Platz in den Zelten des Lagers hatten. Arbeiter kehrten Dreck auf und lockerten den festgestampften Sand des Festplatzes. Solofar wagte einen schnellen Galopp über den kleinen Turnierplatz, gesäumt von Stechpuppen und Zielscheiben, die Krallen wirbelten blutigen Dreck auf. Immer noch kreisten seine Gedanken um Sliv, mit jeder Runde, die er ritt. Ich könnte mit dem Drachen in die Kerker hinabreiten und ihn mit Gewalt holen. Doch selbst dann würden sie mich erschießen, bevor ich fliehen könnte. Und wohin dann? Nein, ich muss seine Unschuld beweisen. Dafür kann ich nicht kämpfen.

Er parierte den Drachen durch und lenkte ihn davon, vorbei an den mürrischen Arbeitern und den Soldaten, die ihm skeptische Blicke zuwarfen. In Gedanken versunken, doch ohne den Griff um die Zügel zu lockern, ritt er ins Heerlager hinein. Angst vor den betrunkenen Rittern hatte er nicht. Niemand würde ihm etwas antun können, nicht, solange er den Drachen bei sich hatte.

Huren pfiffen ihm zu, Heckenritter bewunderten sein Reittier, und letzte Händler versuchten, ihm ihre Waren zu verkaufen, doch Solofar beachtete sie nicht. Stattdessen zerbrach er sich den Kopf darüber, wie er Sliv aus den Kerken befreien könnte. Es kann nicht Sliv gewesen sein. Niemals. Er mag vieles sein, aber kein kaltblütiger Mörder. Wenn Sliv jemanden töten wollte, würde er ihn zu einem Duell herausfordern, und wenn er noch so schlecht ist. Alles andere geht gegen seine Ehre. Wahrscheinlich würde er mich vorschicken. Der Gedanke ließ ihn grinsen. Wie bei dem Turnier in Soran, wo wir uns mit diesen anderen Knappen angelegt haben und wir uns tatsächlich bekämpft haben. Selten war Hyatt so wütend auf uns.

Eine Gestalt am Rande seines Blickfeldes ließ ihn aufblicken. Gehüllt in einen weiten Mantel mit Kapuze schritt der Ipotame durch die Zelte, zielstrebig und doch abseits des großen, schlammigen Hauptweges, und als er den Schein eines Lagerfeuers kreuzte, glänzten Goldfäden im Stoff seiner Kleidung. Seine Hufe waren sauber, hell schimmernd in der heraufziehenden Dunkelheit, anders als die mit Schlamm verschmierten jener, die in den Zelten lebten. Er muss aus der Festung kommen. Ein Adeliger, niemand sonst hat die Zeit, sich so um sein Äußeres zu kümmern. Aber welcher Adeliger verirrt sich jetzt, so kurz vor dem Festmahl, noch ins Lager? Von mir einmal abgesehen.

Milde interessiert beobachtete er den Mann, folgte seinem Weg durch die Zelte aus den Augenwinkeln und hoffte, einen Hinweis auf seine Identität zu erhaschen. Scheinbar unbekümmert folgte Solofar ihm, der Hauptweg ging parallel zu dem Pfad, den der Vermummte einschlug. Für einen Moment verlor er ihn aus den Augen, doch kurz darauf war er wieder zu sehen. Mit einem langen, affektierten Schritt stieg er über einen im Dreck schlafenden Mann hinweg, und Solofar erkannte die schwarze Zeichnung auf dem staubfarbenen Fell.

Lord Messyah. Was, bei allen Göttern, macht Lord Messyah im Lager? Er sollte in der Festung sein, bei Hyatt. Schließlich hat er Sliv angeklagt. Die Wut wallte in Solofar auf, und er widerstand der Versuchung, mit dem Drachen durch die Zelte zu brechen, nur um dem Lord im Labyrinth aus Stoffen und Leinen zur Rede zu stellen. Ich muss vorsichtig sein. Keine Heldentaten, sagte Hyatt. Solofar erlaubte sich ein spöttisches Halblächeln, rutschte vom Rücken des Drachen und band ihn an einem Pfosten fest. Niemand würde es wagen, ihn zu berühren. Wenn einer der Soldaten einen Heckenritter auf Lord Hyatts Drachen erwischte, würde der Ritter hängen. Nur zur Sicherheit lockerte er die Ketten des Drachen, nur ein wenig, dann trat er gemessenen Schrittes in das Gewirr der Zelte.

Lord Messyah zu verfolgen war erstaunlich einfach. Er sah nur ein einziges Mal hinter sich, doch Solofar verbarg sich zwischen einer Gruppe Spielleute, und der Lord setzte seinen Weg unbehelligt fort. Er huschte vorbei an offen stehenden Zelten, in denen Männer um Geld würfelten, umgeben von Huren, Teilen ihrer Rüstungen und Weinflaschen, andere, in denen zwei halbnackte Frauen sich vor einem angelaufenen Spiegel schminkten, während ihre ersten Kunden wartend von einem Bein aufs andere traten. Runden an Lagerfeuern ließen Flaschen kreisen und spielten Karten. Die Gesänge der Spielleute hingen über dem Lager wie der Geruch von unbekümmerter, betrunkener Armut.

Fasziniert und angewidert zugleich drückte Solofar sich an den roten Stoff eines Zeltes, aus dem eindeutige Geräusche drangen, und beobachtete, wie Messyah in einem schmutzig gelben Zelt verschwand. Vorsichtig, um seinen Schatten nicht auf die Leinwand fallen zu lassen, schlich er auf das Zelt zu, löste die Schnüre seines Waffenrockes und drehte ihn auf links. Und schon sehe ich aus wie einer der anderen. Hyatt wäre überrascht, wenn ich zu den Turnierhuren gehen würde, Sliv würde jubeln, weil er nun nicht mehr allein in die Bordelle von Ryvebridge gehen müsste, doch Messyah muss nicht sofort wissen, wer ihm hinterher schleicht. Er klemmte sich das Kleidungsstück nachlässig unter den Arm, griff sich eine im Dreck liegende, leere Weinflasche und lehnte sich schwankend an die Wand des Zeltes neben sich. Ein anderer Mann passierte die Ecke zwischen den Zelten, blickte ihn mitleidig an und setzte seinen Weg fort. Solofar hob die leere Flasche zum Gruß und lauschte auf das gedämpfte Gespräch im gelben Zelt.

„Er ist tot." Eindeutig Messyahs Stimme. „Deine Mittel sind beachtlich."

„Eine Prise Pulver in seine kostbare Medizin, und er erstickt an seinem eigenen Blut." Eine zweite Stimme, rau und keuchend. Solofar kannte dieses trockene Husten, von den Armen, denen der Tabakrauch zu lange zugesetzt hatte, doch die Stimme selbst hatte er noch nie gehört. „Und keine Spur führt zu mir?"

„Selbstverständlich nicht. Ich habe einen von Hyatts Knappen angeklagt, es gibt kaum einen Grund, es nicht zu glauben. Sein Vater und Paycaster hatten eine lange und komplizierte Feindschaft, so sehr, dass niemand beachtet, welchen Vorwürfen ich mich erwehren musste."

„Dabei sind sie wahr." Der Fremde hustete heftig.

Stille kehrte ein. Kalte Luft stieg vom feuchten Boden auf und ließ Solofar schaudern.

„Habt Ihr jemals Bedenken, dass Euer Handeln als unehrenhaft gilt?", durchbrach der Fremde das Schweigen.

Messyah schnaubte. „Mit Ehre kommt man nur weit, wenn man sie zum Schein wahrt. Vor den Augen aller von der hehren Ritterlichkeit schwafeln, und ihnen das Messer in den Rücken stechen, wenn sie es nicht mehr von einem erwarten."

„Oder sie schlicht und einfach vergiften." Erneut hustete der Fremde. „Jeder, der behauptet, Gifte sind etwas für Feiglinge, die haben noch nie erlebt, dass ihnen die Prise Goldpfeffer, die sie ihren Feinden ins Gesicht warfen, zurück in die eigenen Augen wehte. Man kann alles mit ihnen erreichen. Ihr wollt etwas? Findet das passende Mittel, und Ihr erreicht es. Wer mit derartigen Mitteln spielt, kann nicht feige sein."

„Vielleicht noch das passende Gold, um jemanden zu bezahlen, der es auch anwenden kann, ohne sich selbst umzubringen", meinte Messyah süffisant.

Er war es. Er hat Paycaster getötet und Sliv dafür verantwortlich gemacht. Ein Mann, der nicht einmal den Mut hat, Paycaster selbst entgegen zu treten. Und doch... so ist der Verlauf der Welt, wie Messyah es sagte. Zu den Hohen Lords, Sir Gareth gegenüber, zu mir und zu Hyatt, stets spielte er den Ehrenhaften, den Guten, der Paycasters Mörder zur Verantwortung ziehen wollte, und nun ist er es selbst, der schuld an diesem Mord ist. Wahrscheinlich wäre mit seiner Tat durchgekommen, wenn ich ihn nicht hier gefunden hätte. Solofar starrte unschlüssig auf die Zeltwand ihm gegenüber, seine linke Hand umschloss den Hals der Flasche, die rechte umklammerte den Griff von Hyatts Rapier. Ich werde ihm seine Strafe zuteil werden lassen, dafür, was er Sliv angehängthat. Er müsste in den Zellen der Zitadelle sitzen, und nicht Sliv! Er ließ die Flasche los und löste sich von der wabernden Zeltwand. Gerade, als er das Schwert ziehen wollte, taumelten zwei Betrunkene vorbei, eine kichernde Hure in ihrer Mitte, und er beugte sich schwankend vor, als würde er sich übergeben, während der Zorn ihn zusammen mit der feuchten Kälte zittern ließ.

Ich kann ihn nicht töten, bemerkte er. Niemand würde mir glauben, nicht einmal Hyatt. Es wäre nur der lächerliche Versuch eines Jungen, eine Heldentat zu begehen. Der Griff des Schwertes schmiegte sich kalt gegen seine Handfläche, und seine Rachsucht kämpfte gegen seine Vernunft an.

Die raue Stimme des Alchemisten riss ihn aus seinen Gedanken. „Warum, bei allen Göttern, nutzt ihr Adeligen nicht einfach eure Degen, um eure Probleme aus der Welt zu schaffen? Nicht, dass ich mich beschweren würde, Mylord." Geld klimperte leise gegen Metall.

Messyah schwieg. „Solltest du jemals jemandem verraten, was ich dir nun sage, wirst du erfahren, dass es mehr als einen Alchemisten auf der Welt gibt, der für Gold arbeitet, und dass du bei weitem nicht der beste von ihnen bist. Aber die Wahrheit ist, dass ich in einem Duell gegen Paycaster verloren hätte. Und das konnte und wollte ich nicht zulassen."

„Das ist in der Tat ehrlich."

„Das, mein Freund, ist Politik. Verrat, Lug und Trug, Intrigen und Mord."

Der Fremde lachte hustend. „Ihr habt wohl ein bemerkenswertes Gefühl für den Lauf der Dinge."

„Deswegen bist du in meinen Diensten. Weil ich es weiß, und weil deine Gifte mir die tödliche Wirkung eines Schwertes in der Welt der Worte bringen."

„Ihr schwingt beeindruckende Reden, Lord Messyah."

Die Kälte des Metalls in Solofars Hand wich seiner eigenen Wärme, und er ließ es los. Ich kann ihn nicht töten. Dies ist die Welt der Worte, und dort hat ein einfacher Knappe keine Macht. Wenn ich einen Alchemisten hätte, könnte ich zurückschlagen, bemerkte er, und der Gedanke, wie er und Lord Messyah einen Kampf der Gifte austrugen, ließ ihn grinsen. Doch ich weiß, wie ich ihn in die Welt der Schwerter zwingen kann, und ich weiß auch, dass ich dabei Erfolg haben werde.

Entschlossen wandte er sich um und kehrte zu seinem Drachen zurück. In seinem Kopf schwirrten die Worte des Alchemisten und jene Lord Messyahs, während er zurück zur Zitadelle ritt. Dort, wo das Schwert nicht regieren kann, regiert das Gift. Dort, wo das Gift zu schwach ist, herrscht das Schwert. Der Mann, der beides nutzt, wird sich von keiner der beiden beirren lassen können. Wenn ich auch die Gifte an meiner Seite hätte, würden jene, die mir oder meinen Freunden etwas anhaben wollen, immer verlieren.

Mit fliegenden Fingern sattelte er den Drachen ab, brachte ihn in den Ställen unter und hetzte zu seinen Räumen, wo er sich das erstbeste saubere Wams überwarf, das er fand. Das zweite Bett, ungeordnet und leer, erinnerte ihn daran, was er vorhatte, und warum er es tat.

Hyatt rief ihn zu sich, gerade, als er die letzten Schnallen schloss. „Bist du bereit? Wir gehen."

Solofar nickte und folgte ihm durch mit Kerzen erleuchtete Gänge zum großen Saal. „Habt Ihr etwas über Sliv erfahren?", fragte er.

„Es geht ihm gut, etwas verstört vielleicht. Er bekommt seine eigene Zelle. Leider sind die Hohen Lords nicht willens, sich vor Ende des Turniers mit ihm zu befassen." Hyatt klang müde. „Und davor kann nichts und niemand ihn aus dem Kerker holen."

„Wirklich nichts?"

Hyatt bedachte ihn mit einem strengen Blick. „Nichts, außer der wahre Schuldige, den handfeste Beweise anklagen müssen. Aber nun, bis dahin können wir kaum etwas tun. Wie hat sich mein Drache draußen gemacht?"

„Tadellos. Keine Wunden, keine Verletzungen, und läuft, als könnte er von hier bis zur Nordmark rennen."

Hyatt nickte zufrieden, doch in seinen Augen schimmerte immer noch die Sorge.

Das Festmahl schien ewig zu dauern. Gang um Gang wurde aufgetragen, doch Solofar hatte keinen Hunger. Ich muss essen. Ich muss stark sein für morgen. Und doch bekomme ich keinen Bissen runter. Zu sehr saßen ihm seine Pläne im Magen. Er stellte sich Lord Messyahs entsetztes Gesicht vor, wie das Lachen über einen von Solstices Scherzen aus seinem Gesicht rutschte, Hyatts Unbill und seinen verborgenen Stolz und die Überraschung der Hohen Lords. Sliv tauchte in seinem Geist auf, und er fragte sich, was er wohl zu essen bekam. Was Sliv wohl tun würde, wenn ich in Schwierigkeiten wäre? Wahrscheinlich reden, verhandeln, Beweise sammeln und sie gegen Messyah werfen. Er hätte die Geduld und das Können dafür. Für einen Moment fragte er sich, ob er wirklich das Richtige tat. Natürlich. Ich tue das einzig Richtige, ich suche die Gerechtigkeit, so selten sie ist, wenn man Messyah glaubt.

Es schien ihm, als wären Jahre vergangen, als das Fest sich seinem Ende zuneigte. Die ersten Lords verließen die Tafel, und Solofars Puls beschleunigte sich. Entschlossen stand er von seinem Platz zwischen zwei Knappen auf. Zwei Knappen, nicht Sliv und ein anderer. „Lord Messyah!", rief er. Die hohe Decke des Saals schien seine Stimme laut wie Donner erscheinen.

Zu seiner Überraschung verebbten die Gespräche beinahe sofort. Hunderte Augen wandten ihm sich zu, doch er beachtete sie nicht. „Lord Messyah, ich beschuldige Euch des Mordes an Lord Sage Paycaster."

Für einen winzigen Moment lang herrschte Stille. Lord Messyah starrte ihn an, als wäre er verrückt geworden, Hyatt blähte wütend die Nüstern, Lord Dauntless schien milde amüsiert. Solstice blickte ihn erwartungsvoll an, während Chainey aussah, als hätte er einen solchen Vorfall bereits geahnt und mit Freuden herbeigesehnt.

Messyahs Lachen durchbrach die Stille und entzündete das Raunen am Tisch der niederen Adeligen. „Nehmt dem Jungen den Wein weg!", rief er nur.

„Ich beschuldige Euch des Mordes an Paycaster durch ein Gift. Ihr arbeitet mit einem Alchemisten zusammen, der sein Zelt im nördlichen Heerlager hat. Ihr wolltet Euch einiger Anschuldigungen erwehren, die Paycaster gegen Euch hegte, und dafür musste er sterben. Und statt für Euer Verbrechen gerade stehen zu müssen, habt Ihr Rufmord an Slivrael Elvengrave begangen." Solofars Herz hämmerte in seinerBrust.

Messyahs Lachen verstummte. „Das ist doch lächerlich. Ich und ein Alchemist sollen Paycaster getötet haben? Wir waren nie Freunde, er und ich, doch das ist mehr als nur unerhört."

„Hast du Gründe für diese Anschuldigungen?", mischte Lord Dauntless sich ein.

„Ja, Mylord. Ich belauschte Lord Messyah bei einem Gespräch mit dem Alchemisten."

Dauntless warf Messyah einen langen Blick zu. „Was sagt Ihr dazu?"

„Ihr habt es gehört, Mylord. Ich halte den Jungen für verrückt und seine Worte für Lügen!" Messyah starrte wütend auf Solofar hinab.

Solofar erwiderte grimmig seinen Blick. „Wenn dem so ist, Mylord, fordere ich Euch heraus. Euch obliegt die Wahl von Ort, Zeit und Waffen. Wenn ich siege, ist Slivrael Elvengraves Namen reingewaschen, und Eurer trägt Eure Schuld."

„Bei allen Göttern, Darke!" Hyatt sprang auf. „Lass den Unsinn!"

„Höre auf deinen Herrn", schloss Messyah sich ihm an. „Du kannst nicht gegen mich kämpfen."

„Ich kann und ich werde. Eines jeden Adeligen Recht ist es, einen anderen herauszufordern. Und als Sohn von Lord Calhorm Darke, Lord von Murrim, fordere ich Euch zu einem Duell der Ehre!"

Messyah blickte ihn lange an. „Schön", sagte er schließlich, die Stimme voller Verachtung. „Wenn der Junge spielen will, kann er das gerne tun. Hyatt, Euer Knappe verlangt nach einer Lehre, die Ihr ihm nicht erteilen könnt. Erlaubt Ihr?"

„Nein, verdammt! Ihr lasst die Finger von ihm, und du, Darke, wirst dich nicht duellieren!", fauchte Hyatt aufgebracht.

Solofar blickte ihn an. „Er erlaubt es", sagte er, an Messyah gewandt.

„Hervorragend. Ich wähle das Rapier, bis zum Ersten Blut, drei Runden. Morgen, zwei Stunden nach Sonnenaufgang." Messyah blickte zu den Lords und Ladys an der Hohen Tafel. „Ich hoffe, ihr alle werdet zusehen, wie ich Hyatts Knappen zu Staub zertrete."

„Eher sehen wir zu, wie er Euch zu Staub tritt", meinte Dauntless süffisant, die Adeligen lachten.

Mit ein paar wenigen Worten lösten die Hohen Lords das Festmahl auf, und Solofar folgte dem wutschnaubenden Hyatt zurück zu ihren Gemächern. Die Tür war kaum hinter ihnen ins Schloss gefallen, als Hyatt herumwirbelte und ihm mit der flachen Hand ins Gesicht schlug. Überrascht stolperte Solofar zurück und widerstand dem Drang, sich die Wange zureiben.

„Was, bei allen Höllen, hast du dir dabei gedacht?", brüllte Hyatt. „Du hast dich mir widersetzt und dich in höchste Gefahr gebracht!"

„Ich sorge für Slivs Freiheit und finde den wahren Schuldigen. Messyah hat Paycaster getötet. Er und dieser Alchemist." Solofar widerstand dem Blick des alten Ritters.

„Ich hoffe, du hast dir das alles nicht ausgedacht, und die Götter halten noch zu denen, die die Wahrheit vertreten. Sonst habe ich ab morgen keine Knappen mehr. Der eine verstoßen, der andere wahrscheinlich gehängt wegen Mordes." Schwer atmend ließ er sich in einen Stuhl sinken. „Du hast meine Befehle missachtet und mich gedemütigt, vor dem ganzen Hof. Ich hoffe, das weißt du."

Daran habe ich nicht gedacht. „Ja, Mylord", murmelte er, während das schlechte Gewissen sich in ihm ausbreitete.

„Schön. Dann hoffe ich für uns alle, dass du diesen Messyah in Stücke schneidest. Sonst sind wir tief in der Scheiße." Er löste das Seidenband, das seine Mähne zusammenhielt, und durchkämmte die roten Strähnen mit den Fingern. „Wenigstens bist du ein guter Kämpfer und Messyah ein miserabler. Wenn du vorsichtig bist, kannst du es schaffen."

„Ich hatte einen guten Lehrer. Nach seinen Lektionen wird Messyah verlieren."

Hyatt sah auf. „Jetzt reicht es auch wieder mit der Schleimerei, Darke", schnaubte er, milde Belustigung unter seinem Zorn, und erhob sich wieder aus seinem Stuhl. „Hilf mir aus diesen Klamotten, wisch deinen Schleim damit auf und leg dich hin. Eine Niederlage kann ich nicht gebrauchen."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top