II. Warum
„Solofar!" Erneut rief eine Frau nach ihm.
„Versteht Ihr keine höflichen Worte?", murmelte er und fuhr mit angelegten Ohren herum. „Was ich sagte, bedeutet, dass Ihr verschwinden sollt!"
Doch keine Pegai und keine Ipotame stand vor ihm. Greasy Sade stolperte einen überraschten Schritt zurück und hob beschwichtigend die Hände. „Keine Panik, ich bin keine von den dreien."
„Das sehe ich. Und nun entschuldige mich, ich muss noch einige Besorgungen machen", knurrte Solofar, wandte sich um und setzte seinen Weg fort.
„Ich komme mit dir", verkündete Sade und holte zu ihm auf, die Röcke gerafft. Fluchend sprang sie über Schlammpfützen hinweg.
„Das musst du nicht."
„Ich weiß. Trotzdem. Mir ist langweilig, ich habe meinen Ehemann verlassen, und lungere nur hier in den Tavernen herum. Da kann ich genauso gut mit dir gehen."
Kurz war Solofar versucht, ihr zu sagen, dass er etwas vorhatte, bei dem sie nicht mitgehen durfte, doch beließ es schließlich dabei. Besser sie als jemand anders. Er nickte ihr knapp zu.
„Fliehen wir vor irgendwas, oder warum, bei den Titten der Mistress, rennst du?", beschwerte sie sich nach einem Moment der Stille.
„Ich ziehe es vor, zügig ans Ziel zu kommen."
„Fliehst du etwa nicht", keuchte sie, „vor den drei Frauen? Den Ipotame und der Pegai?" Obwohl Solofar ihr Gesicht nicht sehen konnte, hörte er ihr Lächeln.
Er schwieg für einen Moment und dachte an einen kalten Morgen in Orenst. „Ich hoffe für dich, dass du nichts mit ihnen zu tun hattest", raunte er beherrscht.
„Nein, ehrlich nicht. Ich bin nur wie üblich in einer dunklen Ecke gesessen und habe beobachtet. Zuerst habe ich überlegt, ob ich dich retten sollte, aber es schien, als würdest du die Situation meistern können." Greasy Sade fluchte und sprang über eine weitere Pfütze. „Außerdem versprach es, amüsant zu werden."
Solofar schnaubte missbilligend. „Du hattest wohl deinen Spaß."
„Oh nein, nebenbei musste ich mir einen betrunkenen Tagelöhner aus Amorys vom Hals halten, der mir ziemlich auf die Pelle rückte. Das war alles andere als Spaß. Aber, mal ehrlich. Warum bist du nicht mit ihnen mitgegangen? Sie waren alle drei hinreißend, und die kleine Goldene und die Pegai haben dir mehr als nur ein wenig ihre Titten ins Gesicht gehalten." Sie hielt inne. „Die Schwarzweiße hatte allerdings nichts, was sie dir ins Gesicht halten konnte."
„Sie wäre auch so recht attraktiv gewesen." Greasy Sades Miene hellte sich auf zu einem diabolischen Grinsen, und er erstickte es im Keim. „Wenn man Frauen wie ihr zugetan ist. Warum ich das nicht bin, habe ich dir bereits in Orenst erklärt."
„Du hast mir gesagt, dass es so ist, aber nicht warum."
„Es gibt Dinge, die sind, wie sie sind. Das ist der erste Grund. Der zweite ist, dass sie alle drei nicht um meinetwegen auf mich zukamen, selbst wenn es zunächst so schien. Sie arbeiten für Victoire de Lascare. Die Pegai ist ihre Tochter."
„Oh."
„Sie hat wohl Avalee de Lascare und die anderen beiden ausgesandt, um die Pläne der Rhymers zu ergründen. Nebenbei wollte sie mich wohl in eine unschickliche Situation bringen, was Miss Ivy Swords wohl in die Wege geleitet hätte."
„Die Schwarzweiße war Ivy Swords? Bei der Mistress, Solofar!" Greasy Sade kicherte albern, was ihn unangenehm an Marv erinnerte. „Was Swords kann, weiß selbst ich. Wenn auch nur von Hörensagen. Der Bruder meines letzten Mannes war derartigen Dingen ziemlich zugetan und hat sich eine Dame ins Haus geholt, die auch Swords' Beruf nachgeht, wie auch immer man ihn nennen will. Wir hatten ein anregendes Gespräch. Und die letzte?"
„Marvella Taylor."
„Die?" Greasy Sade lachte laut auf. „Verdammt, ich kann besser töten als sie!"
„Das ist auch wahrlich nicht schwer."
„Wann hast du gemerkt, dass du es mit den Gesandten der Königin der Pegai zu tun hast?"
„Ich hatte einen Verdacht, als ich sie gesehen hatte, und nachdem sie mir nahe kamen und ihre Namen nannten, war ich mir sicher. Ich wollte nur herausfinden, was sie wollten, und wie sie vorgehen." Er sah sie milde amüsiert von der Seite an. „Die Wirtin hat mir Ghora in den Wein gemischt, wohl auf ihre Anweisungen hin."
Greasy Sade brach in lautes Lachen aus. „Das hat dir gefallen, was? Warum lagst du am Ende nicht auf der Theke?"
„Viel zu niedrig dosiert. Die Menge hätte dich vielleicht zum Tanzen und danach zu einem leichten Schlaf gebracht, und mich hat es höchstens... ein wenig angeheitert." Solofar spürte, wie ein spöttisches Lächeln sich auf seine Lippen schlich.
Sie lachte erneut auf. „Bei der Grausamen Mistress, Solofar. Lascares Spione sind auch nicht das, was wir gewohnt sind."
„Es hat einen Grund, warum die Herren Rhymer das größte Handelsnetz des Westens haben, und nicht sie."
Sie senkte die Stimme. „Nicht mal ihre Tochter weiß, dass es mehr als nur ein paar Krümel braucht, um dich lahmzulegen. Aber es war wohl immerhin etwas, oder?" Er schwieg, und sie lachte leise. „Kein Wunder, dass du so lange dort sitzen geblieben bist. Ein bisschen von dem, was du brauchst. Und du brauchst es wohl dringend, denn sogar ich merke, dass wir auf dem Weg zu Belladonne sind, obwohl ich den Orientierungssinn eines betrunkenen Minotauren habe."
Solofar widerstand dem Impuls, ihrem leicht enttäuschten Blick auszuweichen. „Darüber haben wir ebenfalls bereits gesprochen."
Sie hob die Hände. „Ich meine es nicht böse, ich kann dich so oder so nicht davon abhalten und will es auch nicht."
„Du willst schon, aber du weißt, dass du es nicht kannst."
Sie wandte den Blick ab. „Aye. Das hört sich jetzt bescheuert an, gerade, weil ich zehn Jahre jünger bin als du, aber ich mache mir eben Sorgen."
„Das musst du nicht." Solofar bog in die schmale Gasse ein, in der Belladonnes Laden lag. Das grüne Schild verkündete in dramatischen, zackigen Buchstaben den Namen des Besitzers. Schnüre mit Muscheln daran klimperten in einer feuchtwarmen Brise. Hinter dem milchigen Schaufenster brannte schummriges Licht.
„Ich weiß." Sade blickte unwohl zu dem Schild hinauf, als könnte es sie angreifen. „Trotzdem. Ich glaube nicht, dass du so stark bist, wie du von dir denkst, und dass du vielleicht tatsächlich Hilfe brauchst."
Solofar sah sich zu ihr um, sie erwiderte seinen Blick trotzig. „Das ist lieb von dir, Sade, aber ich glaube, dass ich stärker bin, als du mir zutraust."
„Ich weiß, was du denkst. Du bist der große Solofar Darke von Murrim, mit deinen Giften und deinen Schwertern, ungeschlagen, undurchschaubar, und jeder verdammte Mord bestärkt dich darin, dass du nichts brauchst, außer dem, was du hast." Sie verschränkte die Arme und zog fröstelnd die Schultern hoch. „Aber ich bin mir sicher, du brauchst mehr."
Er legte den Kopf schief. „Als da wäre?"
„Jemandem, dem du vertrauen kannst. Vielleicht sogar lieben kannst." Peinlich berührt spuckte sie in den Straßendreck. „Götter, ich höre mich so dumm an."
„In der Tat, das tust du." Solofar wandte sich um und betrat den Laden. Beinahe erwartete er, dass sie ihm nicht folgte, doch er hörte ihre Schritte hinter sich. Die Tür fiel ins Schloss, etwas lauter als gewöhnlich.
„Ich wünsche es dir nicht, aber einmal in deinem Leben musst du scheitern, um so was zu sehen. Dass es mehr gibt als das, was du hast", flüsterte sie heftig und sah sich in dem engen Laden um.
Weise Worte von dir, die viel jünger ist als ich. Doch sie macht sich Sorgen, und das ist mehr, als ich von allen anderen Wesen auf dieser Welt bekomme. Glöckchen und büschelweise Kräuter streiften seine Schultern, Bänder mit Knochen daran hingen neben ihnen von der Decke. Ein Klumpen Kerzen stand auf der Theke, daneben das blank polierte Holz, ein merkwürdiger Gegensatz zu dem staubigen Chaos um sie herum. „Ich bin oft gescheitert."
„Aye, das mag sein. Du und deine Fehde mit diesem Rattenfänger", spottete sie und betrachtete eine Flasche mit einer undefinierbaren Substanz darin. „Aber du hast immer irgendwas getan, dass doch alles nach deinen Vorstellungen lief. Du hattest Glück, nichts weiter."
„Er hatte Glück, Gift, und alles, was ihn sonst noch ausmacht", mischte sich Crestia Belladonne ein, ihre Hufe klapperten dumpf auf dem Holzboden. Glöckchen klingelten in ihrer Mähne, zu einem unordentlichen Knoten gebunden, und an ihren Knöcheln. „Das ist mehr als die meisten haben. Master Darke, Miss Malone."
„Madame Belladonne." Solofar nickte ihr zu.
Sade stellte die Flasche zurück ins Regal. „Crestia", sagte sie, um Neutralität bemüht.
Crestia blickte unter schweren Lidern von Solofar zu Sade. „Worum geht es?"
„Ihr wisst, warum ich hier bin. Meine Vorräte gehen zu neige." Solofar griff nach seinem Geldbeutel.
„Nein." Die Zentaurin wies auf ihre beiden Besucher. „Zwischen euch beiden."
„Das Übliche", seufzte Sade. „Ich kritisiere seinen Lebenswandel, und er wird zusehends unfreundlicher, was mir zeigt, dass ich mehr als nur ein wenig recht habe." Sie zog ein Buch aus dem Regal und blätterte beiläufig darin.
Crestia hob eine perfekt geschwungene Augenbraue. „Hat sie recht?"
Aus dem Augenwinkel sah Solofar, wie Sade erwartungsvoll zu ihm hinüber schielte. Innerlich verfluchte er Crestia, dafür, dass sie ihn so bloßstellte. Aber nun. Wenn es eines gibt, was sie nicht kümmert, dann sind es Manieren. „Bisweilen." Sade lächelte, ohne den Blick von ihrem Buch zu heben. „Aber das Meiste sind falsche Vermutungen. Wo ist Euer Mann?" Ich kann es kaum erwarten, meine Geschäfte abzuhandeln und nach hause zu gehen. Dorthin, wo mich weder Spione noch Weiber belästigen.
„Er hat noch zu tun, aber er sollte bald hier sein." Crestia spähte in den Flur neben der Theke, dann wandte sie sich wieder an Solofar. „Womit hatte sie recht?"
Er zwang sich zu einem dünnen Lächeln. „Das geht Euch, bei aller Freundschaft, nichts an. Und ich möchte klarstellen, dass ich mitnichten hierher kam, um mich für meine Entscheidungen rechtfertigen zu müssen, sondern um Gifte zu kaufen. Danach werde ich Euren Laden wieder verlassen, als wäre wie üblich nichts geschehen." Gereizt legte er die Hände auf die Waffen.
Crestia warf ihm einen abschätzenden Blick zu, trat auf die andere Seite der Theke und stellte sich neben Sade. „Ziemlich empfindlich, was sein Privatleben angeht, nicht wahr?"
„Das sagt mir, dass er eines hat." Sade klappte mit einem Knall das Buch zu und stellte es ins Regal zurück. „Oder einen Ansatz davon. Und nicht nur ein Schwerter schwingender Giftmischer ist, der auf die Worte der Rhymers hin springt."
Crestia nahm eine Feder, die zwischen zwei Büchern klemmte, und steckte sie in ihren Haarknoten. „Wir springen alle für die hohen Herren. Warum auch nicht. Es lohnt sich."
Sade schnaubte. „Das ist wahr. Ich hatte schon schlechtere Herren. Van Euvens hatte keine Manieren. Dagegen ist John eine wahre Erlösung."
Solofar beobachtete die beiden missmutig. Starry Belladonne, selten wünschte ich Eure Ankunft mehr herbei als jetzt.
Crestia schwieg für einen Moment und ordnete ein paar Bücher neu an. „Jessadie, wie kann man nur den Ansatz eines Privatlebens haben?", fragte sie plötzlich.
„Indem man Solofar Darke ist." Sade blickte ihn an. „Man hat ein Leben, Momente zwischen den Aufträgen, so wie heute, diese Tage, die dich, Crestia, in Starrys Bett treiben, wenn man es bei euch so sagen kann, oder mich in die Tavernen zu den Leuten, die ich seit meiner letzten Zeit hier nicht gesehen habe. Vielleicht auch zu einem Mann, der auf mich wartet, ob ich ihn seit Monaten kenne oder erst seit dieser Nacht. Und du, Solofar, was tust du in dieser Zeit?"
„Ich kämpfe. Ich schlafe. Ich reite in die Wälder hinaus. Ich untersuche das, was ich hier kaufe." Solofar lehnte sich an die Theke. „Nichts, was Euch kümmern könnte."
„Gerade diese Fülle an Unternehmungen ist das, was mir Sorgen macht." Sade verschränkte wütend die Arme. „Du bist immer allein. Wir, ich, Crestia, Starry und die hohen Herren sind die einzigen, mit denen du mehr als das Nötigste redest. Schon gar nicht mit irgendwelchen Weibern, wenn man von denen, die bei den Straßenkämpfen dabei sind, einmal absieht. Das einzige, was du tust, ist das, was deine Aufträge verlangen, und zwar kämpfen, reiten, und mit deinen Giften spielen. Und wenn du schläfst, dann..." Sie wandte sich ab. „Dann finde ich dich so, wie ich dich in Orenst gefunden habe."
„Wie du vielleicht gemerkt hast, Sade, beinhaltet das Wort Privatleben das Wort Privat. Dies bedeutet, dass es für dich nicht von Belang ist, selbst wenn ich deine Sorgen zu schätzen weiß. Ich kämpfe, weil ich wenig lieber tue als das. Ebenso verhält es sich mit Ritten und den Giften. Es sind die Dinge, die ich schätze. Nicht umsonst bin ich das, was ich bin. Der Schwerter schwingende Giftmischer." Er sah Sade scharf an. „Wäre dem nicht so, würde es mir nach einem Weib, einem Zuhause und einem Leben abseits der Gefahren verlangen, wäre ich längst zurück in Ilron."
Sade biss die Zähne zusammen und senkte den Blick. Crestia trat auf Solofar zu, ihre Augen waren tiefgrün wie die Schatten in den Wäldern um Alpha Centauri. „Du bist ruhelos, Solofar Darke", flüsterte sie rau. „Du suchst nach einer Erlösung, etwas, was dich von dem Verlangen nach Tod und Gefahr bewahrt." Sie streckte die Hand nach ihm aus, doch seine behandschuhten Finger schlossen sich eisern um ihr Handgelenk.
„Was, Madame Belladonne, denkt Ihr, tue ich hier? Euer Mann wird mir das bringen, was mir meine Erlösung", das Wort schmeckte wie Asche in seinem Mund, „verschaffen wird." Er widerstand dem Drang, sie von sich zu stoßen. Stattdessen ließ er ihre Hand los.
Sie lächelte träge. „Ein Weg ist so gut wie der andere", sang sie lakonisch.
Hufschlag kündete Starry Belladonne an. Der drahtige Zentaur trat beinahe schüchtern hinter die Theke, ein freundliches Lächeln im Gesicht. „Master Darke, Miss Malone, welche Freude, euch hier zu treffen. Und, natürlich, die Liebe meines Lebens." Crestia lächelte umwerfend. Starry sah verwirrt zwischen ihnen hin und her. „Ist etwas geschehen, was ich wissen müsste?"
„Nein", sagte Solofar kalt. Ich muss nicht noch mehr Leute in meine Angelegenheiten ziehen. Starry hob eine Augenbraue, doch beließ es dabei. „Ihr wisst, warum ich hier bin."
„Natürlich. Was soll es sein?" Hinter dem Zentauren erhoben sich die großen, metallenen Flaschen, sorgfältig beschriftet und in ordentlichen Abständen auf die Regalbretter gestellt.
„Salva-Salbe. Valdez. Vay. Nebelessenz. Veinster. Den Langen Schlaf. Wüstenregen, falls du ihn da hast. Nesselbrand. Ghora." Hinter ihm stieß Greasy Sade ein missmutiges Geräusch aus. „Stramger. Fhirre. Yluf. Und Schwarzgras. Die üblichen Mengen, Nesselbrand das doppelte."
Unbehagliche, wütende Stille kehrte ein, während Starry die Substanzen abwog und in Flaschen, Tiegeln und Beuteln verpackte, und hielt an, selbst als er begann, zu plaudern, den neuesten Tratsch über die Königsfamilie, nutzlose Informationen über die Kräuter, die er in Leder einschlug, und Fragen stellte, die er nach unheimlichen Momenten des Schweigens selbst beantwortete. Crestia pflückte einen Stängel Lavendel aus einem Büschel aus der Decke, hielt es in die Kerzenflammen und summte gedankenverloren ein Lied, während Solofar Sades anklagenden Blick im Rücken spürte.
Schließlich reichte Starry Solofar einen Beutel über den Tresen. „Hier. Lasst Euch nicht erwischen." Er hielt inne und lachte nervös. „Doch selbst wenn, jemand, der in den Diensten der Rhymers steht, ist in dieser Stadt nicht lange hinter Gittern."
„Niemand ist lange hinter Gittern, wenn er den Namen Rhymer in Eisen trägt." Solofar reichte ihm den Geldbeutel. „Vier Kreuzer, acht Shilling, vier Cer."
Starry wirkte für einen Moment, als wollte er noch etwas sagen, doch schwieg mit einem unbehaglichen Lächeln. „Drei Shilling mehr. Es gab Komplikationen bei der Beschaffung des Wüstenregens", sprach Crestia für ihn.
Solofar grub das Geld aus seiner Tasche und legte drei Münzen auf die Theke, träge glänzte das Silber im Kerzenlicht. „Guten Abend, Master Belladonne, Madame." Er lächelte der Menschenfrau halb zu. „Sade."
Sade blickte auf, immer noch trotzig, doch ließ sich dennoch zu einem Halblächeln herab und stieß sich von der Wand ab. „Ich gehe ebenfalls. Starry, Crestia." Sie nickte ihnen zu, dann folgte sie Solofar in die dampfige Nacht hinaus.
Sorgfältig verbarg Solofar den Beutel unter seinem Mantel und schritt voran, abseits der bevölkerten Hauptstraßen, von denen das Gebrüll und Gelächter der Zentauren durch die Dunkelheit drang, durch das Gassengewirr des Rhymer Quarter. Beinahe erwartete er, dass Sade erneut begann, ihn zur Rede zu stellen, doch sie schwieg beharrlich, ohne zurückzubleiben.
Vor einer schmalen Tür blieb er stehen. Der Steg war kaum einen Schritt breit, das dunkle Wasser leckte schmatzend am Holz und Gestein der Häuser. Ein Zentaur mit einem Strohhut stakte mit einem flachen Kahn durch den Nebel, sein unmelodisches Pfeifen klang bis zu ihnen heran.
Greasy Sade zog ihren Schal enger um sich. „Tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe. Auch, dass ich Crestia mit in unseren Streit gezogen habe." Sie sah sich um. „Aber... Ich mache mir einfach Sorgen, und dass du das einfach so in den Wind schlägst, macht mich einfach wahnsinnig."
„Ich verzeihe dir. Dafür solltest du wissen, dass ich es hasse, wenn sich andere in meine Angelegenheiten einmischen." Er bemühte sich, nicht drohend zu klingen.
„Ich weiß. Aber wir können beide nicht anders, oder?" Sie spuckte ins Wasser.
Solofar blickte dem Zentauren nach und spürte den Hunger nach dem, was er in seinem Beutel mit sich trug, in sich. „Wahrscheinlich nicht."
Kurz schwiegen sie beide in die kühle Meeresnacht hinein, der Nebel schlich um sie wie eine zutrauliche Katze. „Solofar?", brach Sade schließlich die Stille. „Darf ich dich was fragen? Nicht böse werden. Es ist was persönliches."
Er lächelte dünn. Das schulde ich ihr wohl. „Sprich."
Sie mied kurz seinen Blick, dann sah sie auf. „Warum bist du wirklich süchtig nach Schwarzgras? Und nach Ghora, dem Langen Schlaf und wie sie alle heißen. Warum? Das ganze Gerede von Erlösung hört sich zwar nett an und ist auch herrlich poetisch, aber das kann doch nicht die Wahrheit sein."
Ein Windstoß ließ den Nebel tanzen, die Fransen von Sades Schal flatterten, und Solofar unterdrückte ein Schaudern. „So ist es jedoch." Er atmete tief durch und kämpfte sein Verlangen nach den Drogen nieder. „Was ich dir jetzt erzähle, wird dir helfen, mich zu verstehen. Es wird dir ebenso etwas geben, was jemand, der mir schaden wollte, gegen mich verwenden könnte. Es ist deswegen von äußerster Wichtigkeit, dass du ein solches Geheimnis unter allen Umständen bewahrst." Er sah sie eindringlich an und hoffte beinahe, dass sie sich ihre Frage noch einmal überlegte.
Doch sie schluckte nur und nickte ein wenig eingeschüchtert. „Ich schwöre es. Bei allem, was mir heilig ist."
Es ist nicht meine Art zu beten, doch ich bete, dass sie sich daran hält. Denn sonst werde ich ihr weh tun müssen, und das möchte ich vermeiden. Entgegen seines Willens war er beinahe berührt davon, dass sie sich um ihn sorgte. „Ich habe dir einst von den Selketien erzählt, nicht wahr? Wie ich bei ihnen lernte."
„Aye."
„Sie nehmen Gifte, um dagegen immun zu werden. Das habe ich ebenfalls getan, mit allen, die sie nehmen, und mit einigen mehr. Ich habe erst spät gemerkt, dass es Gründe gab, warum sie niemand außer mir nahm. Zusammengemischt machen diese Gifte den Schlaf unmöglich. Ich war erschöpft, ich war zu schwach, um zu essen, doch einschlafen konnte ich nicht, mehrere Tage hintereinander." Er ballte die Hand um den Knauf seines Rapiers, so fest, bis seine Knöchel schmerzten. „Ich war am Ende. So griff ich zu dem, was mir noch geblieben war. Zuerst Ghora, doch allein schien es nicht zu wirken, nicht, nachdem ich es über ein Jahr beinahe täglich genommen hatte und es nun eine beträchtliche Menge braucht, um mich damit einzuschläfern. Das einzige, was mir noch blieb, war Schwarzgras. Und ich schlief, so lange wie nie zuvor, mir wurde gesagt, dass ich mehrere Tage hintereinander geschlafen hatte, und in diesem Moment war es eine Erlösung. Das ist es heute noch."
Sade starrte ihn entgeistert an. „Bei der Grausamen Mistress", flüsterte sie. „Und warum setzt du die Gifte nicht einfach ab?"
„Ich würde sterben ohne sie. Ich würde mich selbst vergiften. Heute kann ich schlafen, auch ohne Schwarzgras, doch nie lange. Selten schlafe ich eine Nacht durch. Das", er klopfte sanft auf den Beutel, „hilft mir dabei."
Sade senkte den Blick. „Es tut mir leid", flüsterte sie.
„Das muss es nicht."
Sie sah ihm in die Augen, und er wusste, dass sie sein Geheimnis bewahren würde. Ich mag nicht viele Freunde haben, doch sie gehört sicherlich dazu. „Kannst du mir trotzdem versprechen, dass du es nicht übertreibst? Bitte. Für mein Seelenheil." Sie lächelte, der klägliche Versuch, einen Scherz zu machen.
„Natürlich. Immer."
„Lass es nicht so enden wie in Orenst."
„Niemals." Es wird morgen schlimmer sein als in Orenst.
Sie trat auf ihn zu und schlang die Arme um ihn. Überrascht erwiderte er die Umarmung. Der Nebel umhüllte sie wie eine kalte, sanfte Decke.
„Pass auf dich auf, Greasy Sade", raunte er.
Sie löste sich von ihm und zog den Schal fester um sich. Ein beinahe melancholisches Lächeln spielte um ihre Lippen. „Gute Nacht, Solofar Darke."
~ ~ ~
Nun, da habt ihr den Grund, warum Solofar ein verfluchter Junkie ist.
Natürlich ist er nicht frauenfeindlich, wie es vielleicht scheinen mag, sie gehen ihm nur zuweilen auf die Nerven. So wie Männer ebenfalls.
Fun Fact am Rande: Valdez-Pulver ist ein starkes Aphrodisiakum, geschätzt von Huren, Zuhältern und alten Männern. Eine Frau, die Solofar und Gezzarro dereinst in eine kompromittierende Situation bringen wollte, gab ihnen etwas davon, in der Hoffnung, dass die beiden Männer sich auf die anwesenden Frauen stürzen würden.
Solofar ist gegen Valdez immun und langweilte sich. Gezzarro stürzte sich auf die anwesenden Männer. Die Frau war verwirrt.
Mein Leben geht drunter und drüber, meine Zeit ist begrenzt, und mein Inspiration hat sich davon gemacht. Brotherhood wird immer noch überarbeitet, es ist ein wahrlich ätzender Prozess... weswegen in Kürze hier etwas Stille einkehren wird. Leider, leider.
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