II. Bestien

Der Wind peitschte härter als jeder Sklaventreiber, dem Tiborazo je begegnet war. Er schien ihm die Kleider vom Leibe reißen zu wollen wie eine lüsterne Frau und rieb ihm den dünnen, braungrauen Staub der Hochebenen in die Augen, unter die Kleidung und ins Fell. Er setzte sich zwischen seine Oberschenkel und den Sattel des grobschlächtigen, grauhäutigen Drachen mit den gesplitterten Hörnern, den Shinn ihm überlassen hatte. Jede Böe schien ihn und seinen Drachen aus dem Himmel reißen wollen, dem wogenden Meer aus hohem Gras entgegen, das die Ebenen bedeckte, unterbrochen von aufgeworfenen Felsen, Flecken, in denen das Gras kurz und stoppelig war, wie abgesengt, und niedrigen, stacheligen Bäumen, die sich im ewigen Sturm krümmten. Gestalten kreuzten durch das Grasmeer, nur ein Kräuseln in den langen, scharfkantigen Halmen, die muskulösen Antilopen und die schmalen Rehe, die die Ebenen bewohnten, die flügellosen Windläufer, die mächtigen Königsdrachen und die drahtigen Feuerdrachen, und jene, die sie jagten. Rith zeigte ihm die Banner der Banden, die unter ihnen nach Opfern suchten, das weiße Spinnennetz der fallenstellenden Nebelspinnen, die Fetzen aus Drachenhaut an den Waffen der Roten Hellebarden, die blutigen Flammen, die die Feuerkrallen auf die schmutzigen, hellen Stofffetzen schmierten.

Seit nunmehr vier Tagen flogen sie über die Ebenen. Die Tage waren lang, schier ewig dauernde Zeiten, in denen sie schnell wie die Wolken über ihnen durch den Sturm jagten, während die Sonne zwischen Licht und Schatten flackerte. Wenn der Wind nur für Augenblicke nachließ, wurde es trotz des Flugwindes, der Tiborazo die Haut von den Knochen schälen wollte, so warm, dass er sich seinen Umhang vom Leibe reißen wollte, doch die nächste Böe ließ ihn beinahe zittern vor Kälte. Nachts drückten sie sich um das sich sträubende Feuer, nur einen Windstoß vom Erlöschen entfernt, und beteten, ihre Decken mochten nicht mit ihnen fort fliegen. Ramire jagte, gemeinsam mit Ghanteri und Rith, und kehrte stets mit Beute zu ihrem Lagerplatz zurück.

All die Zeit hatten sie Drachen aller Größen und Formen gesehen, Schleicher und Läufer am Boden, Sturmdrachen, Feuerdrachen und Königsdrachen am Himmel. Nachts schrien die Schwärmer ihnen in die Ohren, und am Rande des Lichts ihrer Fackeln raschelten schwarze Gestalten im hohen Gras. Doch die Bestie ließ sich nicht blicken. Listana wurde zusehends ungeduldig und ließ ihre Laune an der Gruppe aus, bis Shinn sie unwirsch zur Vernunft rief.

Vor ihm lenkte Shinn seinen Drachen hinab, auf einen der kahlen Flecken zu, die ein Drache in das Grasmeer gebrannt hatte. Neben ihm landeten die anderen Sturmsänger, die Federn zerzaust, die Waffen bereit.

„Warum landen wir?", fragte Listana. Ihr Drache tänzelte unruhig auf der Stelle.

Shinn saß ab und bedeutete Ghanteri, das Gleiche zu tun. Schweigend schritten die Gryffs das Feld ab, schoben mit den Füßen verkohlte Holzteile und Knochen zur Seite und murmelten etwas zueinander. Listana ließ ungeduldig den Drachenspeer mit widerhakenbesetzter Spitze wirbeln.

Tiborazo schloss zu Rith auf. Der gescheckte Gryff hatte sich als redselig und freundlich erwiesen, ein erfreulicher Gegensatz zu Shinns knappen Befehlen und Ghanteris offener Ablehnung. „Was hat er entdeckt?"

Rith zuckte mit den Schultern und zupfte an der dünnen Mähne seines Drachen. „Ghanteri sieht alles. Er sieht einen Prankenabdruck im Schlamm und weiß, was dort wann durchging. Gegen ihn habe ich keine Ahnung." Er sah sich um. „Ist ein großes Feld. War zumindest kein Sturmdrache und auch keiner der Flügellosen, dafür ist es zu groß."

„Vielleicht ein Feuerdrache", schlug Ramire vor.

„Zu klein", wandte Listana ein und kratzte mit dem Speer an der Kante des Kreises, dort, wo nur die Spitzen der Grashalme verkohlt waren. „Das Feuer war sehr heiß. Ein Drache hat es aus kurzer Entfernung gespien, und das passt nicht zu Feuerdrachen."

„Feuerdrachen speien riesige Flammen aus großer Entfernung", erklärte Rith Tiborazo.

Shinn trat mit Ghanteri zu der Gruppe zurück, nahm die Zügel seines Drachen aus Odensers Händen und schwang sich wieder auf seinen Rücken. „Wenn wir Glück haben, ist es tatsächlich die Bestie." Er reckte den Hals, um über das hohe Gras hinwegsehen zu können, doch die Halme waren zu hoch. „Wir reiten weiter, und hoffen, dass wir mehr finden."

Listana lächelte grimmig, wendete ihren Drachen und zwang ihn grob in den Himmel, die Ketten und Stahlringe an seinem Geschirr klirrten laut. Die anderen Gryffs und Tiborazo folgten ihr.

Fern im Süden erkannte Tiborazo die Gipfel der ibessischen Berge durch die diesige Luft, doch in alle anderen Richtungen erstreckte sich nichts außer Gras. Ein leiser Schrei erreichte seine Ohren, und er sah sich aufmerksam um, doch nur ein Greifvogel kreiste über ihm in den Wolkenfetzen. Der Sturm ließ seine Mähne flattern. Er vermisste das Klingeln der Glöckchen, doch Shinn hatte ihm geraten, sie abzunehmen. Damit sie die Drachen nicht verjagen. Ich habe es für albern gehalten. ormalerweise will man Drachen so weit von sich fernhalten wie nur möglich, aber sie haben recht. Wir suchen sie schließlich. Und es wäre ziemlich schmerzhaft geworden, wenn sie mir mit dem Wind immer ins Gesicht flattern.

Der Flugwind ließ seine Flügel zittern. Nachdem Shinn ihm die Zügel seines Drachen in die Hand gedrückt hatte, hatte er sich zunächst gefragt, warum die Gryffs nicht selbst flogen, doch als er sah, wie viel Ausrüstung sie brauchten, hatte er es gewusst. Aber selbst fliegen macht viel mehr Spaß. Ich sollte Whisper einen Drachen kaufen. Wir könnten immer zusammen fliegen... hoffentlich erholt sie sich wieder. Er hatte sie wieder und wieder gefragt, ob es in Ordnung war, dass er aufbrach, um Geld zu verdienen, und sie hatte es stets bejaht, doch ein leiser Selbstvorwurf war geblieben. Was, wenn die Ungekrönten sie doch aufsuchen, und sie allein ist... ich bin zu weit weg, um ihr helfen zu können. Aber nein. Sie mag verletzt sein, aber sie ist immer noch Whisper de Guille. Sie weiß sich zu verteidigen. Ich darf sie nicht unterschätzen. Sie hasst es, wenn ich sie für schwach halte... aber sie ist es. Gerade jetzt. Das Bild, wie er sie in der Zelle der Minotauren fand, zusammengerollt und nackt auf dem schmutzigen Stroh, und ihr Schrei voller Pein und Schmerz ließ ihn erneut erschaudern. Ich sollte nach Shyreon fliegen und diese Soldaten töten. Kurz war er versucht, seinen Drachen nach Westen zu wenden, doch Ghanteris Worte kamen ihm in den Sinn. Sobald ich die Bestie mit ihnen gefunden habe. Vielleicht finde ich sogar jemanden, der mir Silber für ein paar Minotaurenköpfe bezahlt.

Shinns Ruf riss ihn aus seinen Tagträumen, und er lenkte den Drachen in den Sinkflug, dem Sturmsänger nach, auf das riesige, fleckige Feld zu. Das Gras war platt gewalzt, der Boden aufgeworfen. Riesige Krallenhatten tiefe Furchen in die Erde gerissen, um die sich eine Gruppe Gryffs scharten. Sie trugen Kettenhemden und Plattenrüstungen, an den Zügeln die flügellosen Windläufer und die ebensolchen, doch schlankeren Schleicher. Ihre schwarzen Banner zeigten ein Spinnennetz, und metallenes Gewebe war an den Sätteln ihrer Drachen befestigt. Tiborazo sah, wie Ghanteris narbenübersätes Gesicht zuckte, und fing Riths beklommenen Blick auf. Nebelspinnen.

Sie setzten neben den Drachenjägern auf, ihre skeptischen und feindseligen Blicke schienen sie durchbohren zu wollen. Waffen wurden fester gepackt, einige traten von den Gräben zurück und beobachteten die Neuankömmlinge.

Shinn trieb seinen Drachen auf eine schmutzig weiße Gryff in einer schweren Rüstung zu, mit dem Zeichen der Nebelspinnen auf das verbeulte Metall geschmiert. Auf ihrem Rücken hing ein beinahe mannshohes, zweihändiges Zentaurenschwert. Listana folgte ihm, den Speer locker in der Hand. „Strava!", rief er. „Was treibt dich in diese Gegend? Du bist selten so weit im Norden."

Sie lächelte herablassend. „Uns wurde berichtet, ein Rudel Schleicher wäre hier, und ich wollte sie nicht meinem Bruder überlassen. Wir haben sie nicht gefunden, aber dafür den Grund, warum sie fort sind." Sie wies mit ihrem Dolch auf die Furchen und schlenderte näher auf Shinn zu. „Warum bist du hier? Ich habe gehört, deine jüngste Tochter fängt bald ihren ersten Drachen."

Listana griff den Speer fester. „Aye, das werde ich."

Strava beachtete sie nicht, sondern ließ ihren Blick über Shinns kleine Gruppe gleiten. „Die üblichen Verdächtigen, aye? Ghanteri, Ramire, Rith das Schmutzmaul..." Sie blickte an Rith vorbei und musterte Tiborazo. „Und einen Sirea. Wo hast du den gefunden?"

Shinns Drache machte einen heftigen Schritt nach vorn, und er riss ihn an den Zügeln zurück. Das Metall klirrte hell. „In Seyjalla. Er versucht, Geld zu verdienen. So wie wir alle."

„Ein Besucher." Sie trat näher zu Tiborazo. „Gefällt es dir hier?"

„Ich kann mich nicht beschweren." Sein Drache schlug mit dem Kopf wie ein ungeduldiges Pferd.

Strava wandte sich wieder zu Shinn um. „Ich hoffe, du weißt, was das für deine Tochter bedeutet."

„Natürlich. Er darf ihr nicht helfen. Aber er darf helfen, Drachen aufzuspüren, die wir später verkaufen, und dafür wird er einen Anteil bekommen. So wie der Pegai, der vor ein paar Jahren bei dir mitgeritten ist." Shinn nahm die Zügel kürzer.

„Sehr hübsch, Shinn, wirklich." Sie blieb vor seinem Drachen stehen und strich ihm über das Maul. Er schnappte nach ihren Fingern, die Ketten verhinderten es. „Ihr habt doch sicher auch von der Bestie gehört?"

„Aye. Das ist unser Ziel." Er neigte den Kopf. „Wohl eher Listanas Ziel."

Strava blickte Listana überrascht an. „Große Ziele hast du dir ausgesucht, Mädchen", meinte sie anerkennend. „Wenn auch solche, die vielleicht nicht mehr allzu lange sind."

Listana trieb ihren Drachen vor. „Wie meinst du das?", wollte sie wissen. „Habt ihr ihn gesehen?"

„Wir hatten ihn sogar in einem unserer Netze", sagte Strava verschlagen. Listanas Gesicht wurde dunkel vor Zorn, doch die Anführerin der Nebelspinnen beachtete sie nicht. „Aber er hat sie zerrissen wie Grashalme. Er hat vier von uns getötet, drei Drachen, und zwei meiner Männer schwer verletzt. Er hat mich gebissen, aber ich konnte ihn dazu bringen, loszulassen, bevor er mir den Arm brechen konnte."

„Wohin ist er danach gelaufen?", fragte Listana begierig. Ihr Drache spürte ihre Unruhe und reckte den Hals.

Strava wies in die Richtung, in die die Furchen zeigten. „Dort entlang."

Shinn blickte sie misstrauisch an. „Bist du dir sicher? Wenn du uns in eine Falle locken willst..."

Sie lächelte dünn. „Als ob ich so etwas tun würde."

„Ihr seid Nebelspinnen. Verkaufe mich nicht für dumm, ich lasse mich so einfach von dir einwickeln."

„Und doch hat es schon geklappt."

„Ich werde es nicht nochmal passieren lassen."

Sie lachte rau. „Ich schwöre dir bei allen Winden, dass die Bestie, die du suchst, dorthin verschwunden ist. Und ich warne euch. Dieses Biest ist aggressiver als alles, was ich je sah, und ich habe einmal einen Schwärmer für einen reichen Kaufmann in Nyradon gefangen."

Tiborazo starrte die Wunden im Boden an. Wenn die Bestie so groß ist wie das, was diese Spuren hinterlassen hat, wird es die gefährlichste Jagd meines Lebens. Und ich habe einmal einen Selketien verfolgt. „Diese Spuren... war das die Bestie?", fragte er.

Strava wandte sich zu ihm um und lachte auf eine Art, die Tiborazo den Magen umdrehte. „Diese Spuren? Oh nein. Sie stammen vom Großen Schatten. Dem Herrscher der Ebenen. Einem Wesen so alt wie die Zeit."

„Diese Titel in Ehren, aber was ist es?", wollte Tiborazo wissen.

Strava verdrehte die Augen. „Du weißt es nicht? Der Schwarze Jäger von Eckoyr. Lang wie vier Schiffe hintereinander, groß wie eine Burg. Meistens ist er in der Luft, aber das hier", sie wies mit dem Fuß auf das platt getrampelte Feld, „beweist, dass er gelandet ist."

„Hast du mal einen Schwarzen Jäger gesehen? Nein, natürlich nicht. Sie sind riesig, und der Schwarze Jäger von Eckoyr ist der größte noch lebende Drache, so heißt es", fügte Rith ehrfürchtig hinzu.

„Aye, ich kenne die Ballade vom Schwarzen Jäger und dem Einhornritter", murmelte Tiborazo abwesend, während er versuchte, sich einen Drachen so groß wie eine Burg vorzustellen.

„Genau der. Das mit der Verkörperung Tarnovecs ist natürlich Unsinn, aber du würdest es glauben, wenn du den Göttern zugeneigt bist." Rith wickelte sich die Mähne seines Drachen um die Finger und blickte in die Richtung, die Strava ihnen gewiesen hatte. „Er ist gepanzert, von den Zähnen bis zur Schwanzspitze, und seine Flügel sind so groß, dass du denkst, die Sonne erlischt, wenn er sie ausbreitet."

„Ich kenne die Zeilen", sagte Tiborazo fassungslos. Ich habe sie nur immer für heillose Übertreibungen gehalten.

Rith seufzte. „Dann weißt du auch, was uns erwartet."

„Und die Bestie ist wirklich dort entlang gelaufen? Scheint ein wenig unglaubwürdig", wandte Shinn ein.

„Seit wann bist du so misstrauisch?" Strava hakte die Finger in den Gürtel und grinste verschlagen.

„Seit du mich in eine Falle und in ein Bett gelockt hast. Eins davon kostete mich beinahe mein Leben, das andere die Würde."

„Die Geschichte muss ich dir erzählen", zischte Rith Tiborazo zu.

„Seitdem ist dein Wort für mich Schall und Rauch, und ich glaube ebenso wenig, dass ein Drache in die Richtung läuft, in der der Große Schatten ist", endete Shinn.

„Ich bin entsetzt", sagte Strava lakonisch. „Aber glaub mir. Ich konnte es selbst kaum glauben, dass er dorthin lief, wo der Schatten war. Selbst wenn er ihm ähnlich sah. Gepanzert, groß wie drei Kutschen und so stark, dass ihn niemand aufhalten kann."

Listana ließ den Speer wirbeln und blickte begierig in die Richtung, die Strava ihnen gewiesen hatte. „Das werden wir sehen."

„Ich hoffe, dass wir es sehen. Selbst wenn ich denke, dass ihr scheitern werdet. Wir sind die besten Drachenjäger des Landes, wenn nicht sogar der Welt. Was sollen die Sturmsänger noch tun, wenn selbst wir es nicht schaffen, ihn in unseren Netzen zu fangen?" Strava zuckte mit den Schultern. „Ich wünsche euch kein Glück, weil ich euch das Kopfgeld nicht gönne. Aber es versuchen könnt ihr. Sollten wir uns beizeiten treffen, können wir unsere Verluste vergleichen." Mit einer Handbewegung bedeutete sie ihren Männern, auf ihre Drachen zu steigen, und schwang sich ebenfalls auf ihr Reittier.

Shinn nahm die Zügel auf und winkte seinen Trupp zu sich. Ghanteri spuckte hinter ihnen auf den Boden und murmelte einen gedämpften Fluch. Dann wandte er sich mit einem hinterhältigen Lächeln zu Tiborazo um. „Ich denke, du weiß jetzt, worauf du dich eingelassen hast ,Rattenfänger."

„Aye", sagte Tiborazo und straffte die Schultern. „Wir jagen eine Bestie, die sich hinter einem angeblich fleischgewordenen Dämon versteckt."

Listana wandte sich um. „Worauf warten wir dann?", schrie sie und rammte ihrem Drachen die Fersen in die Seiten.

Tiborazo sah den Großen Schatten, mehrere Stunden, nachdem sie sich in die Lüfte geschwungen hatte. Er hatte ihn aus der Ferne für einen Berg oder einen Felsen gehalten, doch nun erkannte er, was er vor sich hatte. Der Drache war tatsächlich so groß, wie Strava ihn beschrieben hatte, mit schiefergrauen, spröden Panzerplatten, die seinen gedrungenen Körper bedeckten und am Hals wie meterhohe, steinerne Masten in den hellen Himmel ragten. Schwarzgraue, riesige Flügel zuckten an seinen Seiten, geschwungene Hörner stachen wie Berggipfel in die Luft. Jeder Schritt, den er tat, schien ewig zu dauern. Die Zeilen der Ballade kamen Tiborazo in den Sinn, über seine Größe, seine Stärke, seine Macht, und er tippte den Takt auf den Hals seines Drachen. Ich habe es lange nicht mehr gespielt. Wenn ich diese Begegnung überlebe, habe ich eine Geschichte zu erzählen, für die man mir Silber zahlen wird.

Der Drache schien sie kaum zu bemerken. Bei seiner Größe müssen wir wirken wie Fliegen. Seine Aufmerksamkeit war auf etwas anderes gerichtet, eine Gestalt, die um ihn herum flog wie ein Vogel um ein Pferd und Flammenzungen auf ihn spie. Schwerfällig neigte der Drache den Kopf und schnappte nach dem Wesen, seine Zähne, so groß, dass Tiborazo mit Leichtigkeit in ihnen Platz gefunden hätte, schlugen krachend hinter ihm zusammen. Der andere Drache flog eine enge Kurve und entkam dem Biss, der Große Schatten folgte ihm wesentlich langsamer. Als derDrache ihm mit den Krallen die Flügelhaut zerfetzte, konnte Tiborazo bereits sein Einatmen hören, ein Geräusch, als halte die ganze Bevölkerung einer Stadt gleichzeitig die Luft an.

Sein Brüllen war so laut, dass Tiborazos Drache taumelte. Er wollte fliehen, doch Tiborazo zwang ihn auf den Schwarzen Jäger zu. Es schien, als schreie ein Berg seinen Schmerz und seinen Zorn heraus, wie eine Lawine aus fallendem Gestein und dem dunklen Grollen der trockenen, stürmischen Gewitter der Ebenen. Plötzlich fragte Tiborazo sich, wie viele der Donnerschläge, die er gehört hatte, nicht das Brüllen des Schwarzen Jägers gewesen waren.

Rith, der neben ihm flog, schien vergessen zu haben, dass sein Mund offen stand, und starrte entgeistert den Schwarzen Jäger an, der mit seiner riesigen Pranke nach dem kleineren Drachen schlug. Odenser stand die Angst ins Gesicht geschrieben, fest hielt er seine Zügel umklammert. Shinn stand in den Steigbügeln, die Zügel zwischen den Zähnen, und blickte angestrengt durch ein Fernrohr. Der Wind verzerrte seine Worte, doch Tiborazo verstand sie dennoch.

Es ist die Bestie. Der Kreatur, die wir jagen, einen so hochtrabenden Spitznamen geben ist gegen den Großen Schatten fast lächerlich. Aber was auch immer sich traut, den Herren der Ebenen anzugreifen, hat sich einen Titel verdient. Er nahm die Zügel kürzer und hielt den Drachen eisern auf Kurs, selbst wenn sein Herz zitterte. Ramire vor ihm tauschte einen Blick mit Ghanteri und Shinn, sie gestikulierten knapp zueinander. Shinn gab kurze Befehle an seine Männer, Odenser tastete nach seinen Pfeilen.

„Rattenfänger!", schrie Rith. „Bleib bei mir und mach genau das, was ich auch tue!"

Tiborazo nickte ihm zu und griff nach dem Langschwert, das an seinem Sattel hing. Ihnen voraus flog Listana, ihren Speer bereit, zusammen mit einem Gewirr aus Lederriemen, Ketten, eisernen Stacheln und Schnallen. Mit ihrer Waffe peitschte sie auf die Flanke ihres Drachen ein, Blut zeigte sich auf den hellen Schuppen.

Angeführt von ihr schossen sie auf die Drachen zu. Wieder und wieder griff die Bestie den Großen Schatten an, schlug seine Krallen in sein Fleisch und spie gleißende Flammenzungen auf seinen Körper, während der Schwarze Jäger mit dem gepanzerten Schwanz nach ihm schlug, wie eine gewaltige Keule. Seine Krallen wirbelten Staub auf, der sich um sie legte wie ein kratzender Nebel aus tausenden Nadeln.

Kurz bevor sie sie erreichten, riss Listana ihren Drachen nach rechts, auf die Bestie zu. Shinn, Ghanteri und Ramire folgten ihr und verschwanden hinter den Schwaden aus Staub, während Rith Tiborazo und Odenser auf das gewaltige Maul des Schwarzen Jägers zuführte. Durch den Nebel konnte Tiborazo erkennen, wie Odenser mit zitternden Händen einen Pfeil an die Sehne legte, und Rith eine schwere, metallbeschlagene Muskete mit dickem Lauf bereit hielt. Tiborazo zog seine Pistole, der Wind wollte sie ihm aus den Händen reißen, doch er schloss eisern die Finger um das kalte Holz.

Der Schuss von Riths Muskete klang wie ein Donnerschlag, doch das schmerzerfüllte Brüllen des Dachen ließ es wie ein Flüstern erscheinen. Tiborazos Pistole klang beinahe kleinlaut dagegen, seine Kugel schlug nutzlos unterhalb des Drachenauges in die Panzerplatten ein. Odensers Pfeil bohrte sich zwischen die gewaltigen Zähne in das gräuliche Zahnfleisch, und der Drache wandte erstaunlich schnell den riesigen Kopf zu ihnen um. Sein Schrei ließ Tiborazos Ohren klingeln. Jetzt folgt er uns. Aber wie überleben wir das?

Rith befestigte seine Muskete mit geübten Griffen wieder am Sattel und griff nach einem zusammengerollten Seil mit einer Harpune am Ende. In seiner Hand schien der Speer riesig, geradezu tödlich, doch gegen die Mächtigkeit des Schwarzen Jägers schien er lächerlich klein. Odenser tat es ihm gleich, doch Tiborazo sah, wie er den widerhakenbesetzten Speer beinahe fallen ließ. Hastig steckte er das Schwert wieder in die Scheide und griff nach seiner eigenen Harpune, deren Seil, ebenso wie die der anderen mit einem komplexen Knoten an seinem Sattel befestigt war. Das Knurren des Drachen ließ seinen Körper erzittern.

„Zielt auf das Zahnfleisch!", brüllte Rith über das Grollen und den Wind hinweg. Er riss seinen eigenen Drachen hoch, schoss hinauf in den diesigen Himmel, Odenser und Tiborazo folgten ihm.

Der Herr der Ebenen öffnete das Maul, erneut spürte Tiborazo das Geräusch seines Atems in seinen Eingeweiden. Seine Lefzen zogen sich zurück und entblößten das Zahnfleisch und seine Fänge, aus deren Wurzeln mehrere Spitzen in alle Richtungen wuchsen. Teile aus Holz und Metall schimmerten zwischen ihnen, die Überreste weiterer Versuche, den Großen Schatten zu bändigen.

Rith zog die Zügel an und warf, Tiborazo und Odenser versuchten ihr Glück ebenfalls. Zwei Harpunen bohrten sich tief zwischen die Zähne, Odensers prallte nutzlos von einem Zahn ab, und der Gryff drehte hastig ab.

Riths Jubeln ging im Brüllen des Drachen unter. Die Reitdrachen der Drachenjäger taumelten, und ihre Reiter lenkten sie in einer engen Kurve um den Schwarzen Jäger herum, sodass dieser seinen massigen Kopf nach hinten wandte. Der Drache breitete seine Flügel aus, Staub wirbelte auf und hüllte sie ein, Tiborazo zog sich hastig ein Tuch über Mund und Nase und trieb mit zusammengekniffenen Augen seinen Drachen zur Eile an.

Ein hohes, wütendes Kreischen klang hinter der schwarzen Flügelhaut hervor, ein Brüllen, das nur von der Bestie stammen konnte. Rith sah sich hastig um, sein Seil fest um die behandschuhten Hände gewickelt. „Rattenfänger! Dein Seil!", rief er. „Geh und hilf Listana!" Tiborazo hob an, um zu widersprechen, doch Rith unterbrach ihn. „Ich schaffe das!"

Kurz kämpfte Tiborazo gegen den Knoten an, doch löste ihn schließlich und warf das beschwerte Ende Rith zu. Der Drachenjäger flog ein flinkes Manöver und fing es aus der Luft. Man kann von ihm halten, was man will, aber er weiß, was er tut. Schnell befestigte Rith den Knoten am Sattel und griff nach einer zweiten Harpune, ein wildes Grinsen verzerrte sein Gesicht.

Tiborazo drehte ab, schoss an den riesigen, schattenhaften Flügeln vorbei und erblickte die Bestie von Nahem. Ihr Rücken war mit Flecken aus Panzerplatten bedeckt, teilweise verwachsen mit der Haut. Dickliches Blut floss aus den Wunden, die Shinn, Ghanteri, Ramire und Listana geschlagen hatten, doch sie kämpfte unbeeindruckt weiter. Harpunen mit den Resten brennender Seile, Pfeile und Armbrustbolzen bedeckten ihre Flanke. Ramire lud erneut seine Waffe nach, zielte, schoss und verfehlte, seine Federn waren versengt. Listana hielt immer noch ihr Netz aus Ketten und Leder in den Händen, das Gesicht vor Zorn und Anstrengung verzerrt, flog sie um die Bestie herum und schien darauf zu warten, dass sie es benutzen konnte.

Die Bestie fauchte tief, als sie Tiborazo bemerkte und öffnete die Kiefer. Erste Flammen züngelten über seine schiefen, schartigen Zähne, durchsetzt von Lücken, und plötzlich schlug ihm das Feuer entgegen, heiß und unerbittlich. Hastig riss Tiborazo seinen Drachen hoch, sein Reittier kreischte, als das Feuer sein Fleisch zerfraß. Es stank nach verbrannter Haut.

Doch Listana zögerte keinen Augenblick. Ihre Waffen fest in den Händen, löste sie sich aus dem Sattel und sprang.

Tiborazos Drache stürzte heulend zu Boden, seine Flügel brannten. Hastig riss sein Reiter das Schwert aus der Scheide und ließ ihn fallen, mit heftigen Flügelschlägen hielt der Sirea sich in der Luft. Jetzt verstehe ich, warum Gryffs Drachen jagen, und nicht die Flügellosen. Er warf einen hastigen Blick hinter sich, wo der Schwarze Jäger tobte, seine Klauen rissen tiefe Wunden in den staubigen Boden.

Listana warf das Netz noch im Flug, die beschwerten Enden der Lederriemen und mit Stacheln verstärkten Ketten wickelten sich um Kopf, Hals und Vorderbeine des Drachen. Wütend riss die Bestie daran, doch verstrickte sich nur noch mehr in dem Gewirr aus Leder und Stahl. Die Stacheln drückten sich in die bräunlich schwarze Haut des Drachen, frisches Blut rann über das Metall. Das Heulen der Bestie klang nach Hass.

Mit einem Schrei landete Listana auf dem Rücken der Bestie, in den Händen etwas, was wie ein Pferdegeschirr aussah. Sie wickelte die mit Dornen verstärkten Lederriemen um das Maul der Bestie und zog sie zu, bis das Tier die Kiefer nicht mehr bewegen konnte. Außer sich vor Zorn wirbelte die Bestie herum, ihre Flügel peitschten einen Sturm auf, der Tiborazo beinahe zu seinem vor Schmerz besinnungslosen Drachen hinabtaumeln ließ, doch nun hatte Listana Zügel. Die Enden der Lederriemen fest um die Hände gewickelt, riss sie die Bestie herum und lenkte sie auf den Boden zu. Mit aller Kraft zerrte die Bestie an den Zügeln, versuchte, sich zu befreien, doch Listana nahm sie immer und immer kürzer, bis sie den Kopf des Drachen auf seine Brust gezwungen hatte. Die Stacheln gruben sich tief in den knochigen Kopf.

Listana nahm die Zügel in eine Hand, riss den Speer aus seiner Halterung an ihrem Rücken und ließ ihn herumwirbeln, bis die Spitze nach unten zeigte. Mit aller Kraft rammte sie die Waffe in die Schulter des Drachen.

Die Bestie stieß ein Kreischen aus, das Tiborazo erschaudern ließ, und Listana drückte gegen den Speer. Der Drache schlug hektisch mit dem Flügel, versuchte, zu befreien, doch die Waffe bohrte sich nur tiefer in sein Fleisch. Drache und Jägerin maßen ihre Kräfte, während sie in einer zitternden Spirale dem aufgewühlten Boden entgegen fielen.

Das Krachen von brechenden Knochen und splitternden Zähnen setzten ihrem Fall ein Ende. Listana wurde von dem Drachen geschleudert und rollte sich hastig ab, doch ließ keinen Moment verstreichen. Flink sprang sie auf und humpelte auf den Drachen zu, ein breites Messer in der Hand. Die anderen Jäger landeten ebenfalls, Shinn mit einer Pike in der Hand, Ghanteri mit einem Breitschwert. Heftig trieben sie ihre zögerlichen Drachen auf die gefallene Bestie zu. In der Ferne grollte der Donner des Schwarzen Jägers.

Tiborazo trat zu den Drachenjägern, doch Shinn hielt ihn mit einer knappen Handbewegung zurück. Stumm und schwer atmend sah er zu, wie die Jäger dem Drachen ein mit Dornen besetztes Geschirr um Kopf und Hals legten, ihm die Pranken aneinander fesselten, und ihre Drachen auf den Flügel treten ließen, bis die Bestie bewegungsunfähig zwischen Dreck und Grasfetzen lag. Vor seinen Nüstern flimmerte die Luft. Listana umklammerte den Speer. Bei jeder Bewegung des Drachen drückte sie dagegen, drehte ihn in der Wunde, bis er vor Schmerzen aufschrie.

„Wir werden eine Menge Spaß bei dem Ritt zurück haben", murmelte Ramire und wandte sich zu Tiborazo um. „Wo sind Rith und Odenser?"

Tiborazo zuckte matt mit den Schultern und blickte sich zu dem Schwarzen Jäger um. Geradezu ruhig und erhaben schritt er von dannen, fort von ihnen. Die Stille, die sein Brüllen hinterlassen hatte, mischte sich mit dem Flüstern des Grases. Eine Gestalt schoss ihnen entgegen, winzig klein vor dem in einer Staubwolke verschwimmenden Großen Schatten. Schließlich landete Odenser vor ihnen, die Flanke seines Drachenblut überströmt. Vor sich trug er etwas im Sattel, rötlich schwarz und voller Staub.

„Wo ist Rith?", blaffte Ghanteri, sein Drache zuckte unter dem schmutzig gelben Blick der Bestie.

Odenser sah auf das blutige Bündel aus Federn und Knochen, die sich scharf gegen mit geschecktem Fell überzogene Haut drückten, und wandte den Blick ab. „Der Jäger hat ihm vom Himmel geschlagen", murmelte er.

Ramire und Shinn schwiegen betroffen, Listana blickte dem Schwarzen Jäger nach, als wollte sie ihn ebenfalls fangen und sich für Riths Tod rächen. Ghanteri warf Tiborazo einen anklagenden Blick zu, doch der Rattenfänger ließ sich nicht auf einen Streit ein. Der einzige in dieser Gruppe, den ich vielleicht einen Freund nenne nkönnte, statt einem zweckmäßigen Verbündeten.

„Wo ist sein Drache?", wollte Shinn wissen.

„Auch tot", sagte Odenser leise, als wäre es seine Schuld.

Erneut schwieg Shinn, dann nickte er ihm und Tiborazo zu. „Odenser, Nastura. Errichtet ein Feuer. Wir bestatten ihn."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top