FÜR DIE EHRE


Hastator, 439 nach der Eroberung


„Was gibt es, Master?" Der Nebelparder hinter der Theke versuchte ein freundliches Lächeln, doch ihre schweren Lider machten die Bemühungen zunichte. Sie schien lediglich übermüdet, und Solofar sah ihre stille Hoffnung, er würde nichts allzu Unangenehmes verlangen.

„Ich suche einen Karakal. Jung, schlank, Student. Laut seinen Freunden war er letzte Nacht hier." Solofar sah sich in der leeren Taverne um. Ein Mann mit dem struppigen Fell eines Luchses fegte gemächlich den Boden, kehrte Scherben und Dreck zusammen und lauschte mit einem Ohr in ihre Richtung. In einer Ecke lag ein Jaguar in der Uniform eines Rekruten der Stadtwache auf einer Bank und schnarchte leise. Seine Vorgesetzten werden kaum begeistert sein, wenn er zu spät zum Appell kommt. Die Hauptmänner sind nicht für ihre Neigung zur Gnade bekannt.

„Es waren eine ganze Menge Karakale gestern da. Bisschen genauer müsst Ihr schon werden", murrte die Frau und schenkte sich eine scharf riechende Flüssigkeit in einen kleinen Becher. Die Hand in die Hüften gestemmt, trank sie, ohne ihn aus den Augen zu lassen.

„Er heißt Gezzarro di Varia. Trägt wahrscheinlich ein Rapier und einen Dolch bei sich. Wenn gestern Nacht jemand hier war, der Poesie oder Lieder vorgetragen hat, dann war er es, der den Dichter am meisten angeschmachtet hat." Solofar drängte ein verächtliches Lächeln von seinen Lippen.

Die Miene der Frau hellte sich auf, und sie lachte heiser. „Aye, natürlich. Den meint Ihr. Er ist mit dem Dichter in ein Gasthaus gegangen, es nennt sich Tanzender Narr oder so ähnlich. So, wie es aussah, wollten sie nicht nur trinken."

Solofar verzog das Gesicht und verfluchte Gezzarro innerlich. Das sieht diesem viel zu schnell verliebten Romantiker ähnlich. Wenn wir jetzt neben dem Lord auch noch den Sohn am Hals haben, dessen Ehre er verteidigen will, kann er sich auf etwas gefasst machen. Er bedankte sich, legte ein paar Münzen auf die Theke und trat hinaus in die kühle Morgenluft von Hastator.

Die Sonne kroch bereits über die Hügel, die den See säumten, ihr Licht ließ das Wasser in den Kanälen schimmern. Die Rufe der Händler klangen vom nahen Marktplatz an Solofars Ohren, eine Frau sang einige Stockwerke über ihm ein Kinderlied, die Schritte einer Gruppe Wachen klangen dumpf auf dem Straßenpflaster. Ihre Waffen klirrten warnend, ein Geräusch, das Solofar nach seinem Schwert greifen ließ, doch ihre vergnügten Worte über einen Kameraden, der in der vergangenen Nacht wohl in einen Kanal gefallen war, reichten, um seine Vorsicht zu senken. Selbst wenn ich gesucht werde, eine gewöhnliche Patrouille wird sich nicht mit einem ordinären Duellisten befassen. Wenn überhaupt müssen sie mich erwischen, wenn ich kämpfe. Und das werden sie nicht.

Er ging an einer Zuckerbäckerei, deren Düfte nach Vanille und süßem Teig sich mit dem fauligen Geruch des Wassers vermischten, mehreren Wohnhäusern und einem Obstladen, vor dem sich die Ernte aus dem Umland stapelte, vorbei, bis er das Schild des Gasthauses erblickte. Vier Pantheras, ein Löwe mit kurz geschorener Mähne, ein Gepard und zwei Luchse, alle in heruntergekommener Kleidung und kaum verborgenen Waffen, lungerten neben der Tür herum und schienen auf etwas zu warten.

Eine Löwin taumelte aus dem Eingang, in einem zerknitterten Kleid, mit verschmierter Schminke um die Augen und einem Gesichtsausdruck, der in jeder Faser von einer durchzechten und durchvögelten Nacht kündeten. Die Männer vor der Tür tasteten nach ihren Waffen, doch ließen die Hände sogleich wieder sinken. Der Löwe pfiff ihr hinterher, sie antwortete mit einer unflätigen Geste. Der Gepard kratzte sich die dünnen Säbelbeine und lachte.

Ihr Anblick verriet Solofar alles, was er über das Gasthaus wissen musste. Ebenso taten es die Tavernen, die sich um denTanzenden Narren herumdrückten. Ein Ort für jene, die ihre Nacht nicht allein verbringen wollen. Mit einem abschätzigen Schnauben betrat Solofar das Haus.

Ein fülliger Panther in einem billigen, dunkelroten Gehrock hob den Blick von seinem Buch, als Solofar eintrat. „Guten Morgen, Master!", flötete er affektiert. „Wie kann ich Euch helfen? Mit einem Glas Wein oder einem Zimmer? Einer Mahlzeit oder..."

„Ich suche einen Master di Varia, der gestern hier mit einem jungen Mann abgestiegen ist", unterbrach Solofar ihn ungeduldig.

Der Panther wirkte ein wenig beleidigt. „Natürlich. Und Ihr seid?"

„Solofar Darke. Ein Freund von ihm."

„Ah. Selbstverständlich." Er erhob sich von seinem Stuhl und trat mit kleinen Schritten hinter die perfekt polierte Theke. „Er sagte bereits, dass ein schwarzer Ipotame nach ihm suchen würde. Ich soll Euch dieses Schreiben geben." Spitzfingrig reichte er ihm einen kleinen Umschlag.

Ein wenig verwundert nahm Solofar das Schreiben und öffnete es. Der Panther reckte den Hals, Solofar wandte sich mit einem vernichtenden Blick ab und überflog die Zeilen. Obwohl ich mir sicher bin, dass er nicht lesen kann. Das Buch hat er verkehrt herum gehalten. Davon einmal abgesehen kann ich es selbst kaum entziffern. Gezzarros Handschrift war bereits im nüchternen Zustand eine Zumutung, und in der letzten Nacht war er wohl jenseits von Gut und Böse gewesen. Und das einen Tag vor einem Kampf. Sogar einem legalen, welche Ehre für uns Fechter der Studenten. Solofar vertiefte sich kurz in den hingeschmierten Worten, dann hob er den Blick von dem Schreiben und nickte dem Panther zu. „Guten Tag, Master."

Der Mann trat einen pikierten Schritt zurück. „Guten Tag."

Erneut trat Solofar in die Morgensonne, die Männer beäugten ihn und seine teuren Waffen skeptisch, doch der Ipotame beachtete sie nicht. Zügig umrundete er das Gasthaus, vorbei an zwei nackten Jaguarinnen, die in einem Kanal neben einem Haus mit roten Seidenvorhängen badeten, und zählte die Fenster des Gasthauses ab. Das vierte von links im ersten Stock, wenn ich seine Schrift richtig interpretiert habe.

Ein wenig peinlich berührt blickte er sich um, zu den ersten sich öffnenden Fensterläden und den arbeitenden Pantheras. Zwei Männer versuchten, eine sich im warmen Wind sträubende Markise vor einem Blumenladen aufzubauen, der rote Stoff knatterte laut. Der Besitzer des Tuchgeschäftes daneben lugte aus dem Eingang seines Ladens und rief nutzlose Hinweise zu ihnen hinüber. Zwei Straßenjungen schlichen betont unauffällig näher, und Solofar legte ebenso die Hand auf seinen Schwertgriff und bedachte sie mit einem bedeutungsvollen Blick aus dem Augenwinkel. Die Jungen drehten ab und suchten sich nach leichterer Beute um.

Solofar hob die größten beiden Steine auf, die er im Straßenstaub finden konnte, beide kaum größer als eine Murmel, und blickte hinauf zu den verschlossenen Fensterläden. Kurz wog er den ersten in der Hand und visierte sein Ziel an. Dann warf er sie, einen nach dem anderen.

Der Tuchhändler beobachtete ihn milde belustigt, und Solofar bemühte sich, nicht in seine Richtung zu sehen. Beeile dich, Gezzarro.

Seine Bitte wurde erhört. Die Läden öffneten sich und Gezzarro blickte zu ihm hinab, ohne Hemd und mit zerzaustem Fell. „Ist es schon so spät?", murrte er und blinzelte in die Sonne.

„Du hast eine halbe Stunde, bis der Baron dich auf dem Marktplatz von Varre erwartet." Solofar hakte die Daumen in den Gürtel. „Und du hast die Zeit, in der ich bis fünfzehn gezählt habe, in der ich dich hier unten erwarte, und eine Erklärung verlange, was dieses Theater mit den zwei Steinen soll."

Gezzarro gähnte ausgiebig und fluchte leise. „Du bist ein Sklaventreiber, Darke", befand er und wandte sich um.

Solofar blickte die Straße entlang und wartete. Die Männer mit der Markise hatten es geschafft, den widerspenstigen Stoff zu einem Zelt zu errichten und betrachteten zufrieden ihr Werk. Der Tuchhändler hatte endlich einen Kunden gefunden und versuchte nun, einer Kaufmannsfrau einen Ballen hellvioletter Seide aufzuschwatzen, die sich entsetzlich mit ihrem orangefarben gestreiften Fell biss.

Gezzarros Stiefel kamen mit einem knirschenden Schlag auf dem Boden neben ihm auf, elegant rollte der junge Mann sich ab und erhob sich, eine Zigarette zwischen den Lippen. Umständlich klopfte er sich die Kleidung ab. „Flavio, meine Waffen!", rief er dem zweiten Karakal zu, der nun ans Fenster trat. Für einen Panthera war er wohl relativ hübsch, mit charakteristischen Gesichtszügen und einem kühnen, liebevollen Lächeln zu Gezzarro.

Der Mann warf Solofars Freund seine Schwerter zu, er fing sie aus der Luft. „Gewinne für mich, Gezzarro!"

Gezzarro verneigte sich galant. „Für dich immer", versprach er und wandte sich um. „Gehen wir, Solofar."

Solofar lächelte mit dünnem Spott auf den Lippen und folgte dem Panthera, der geradezu eilig voranschritt. „Also nun, Gezzarro. Warum musste ich mit Steinen an die Fensterläden werfen wie ein Mann seiner geheimen Geliebten? Und warum stiehlst du dich ebenso aus dem Gasthaus?", wollte er wissen.

Gezzarro warf einen schnellen Blick über seine Schulter und schnallte seine Waffen fest. „Standen vor dem Gasthaus zufällig einige nicht allzu freundlich wirkende Gestalten?", nuschelte er um die Zigarette herum.

Solofar nickte.

„Ich dachte es mir. Die suchen mich. Ich schulde ihnen Geld, und wenn ich es nicht bis gestern Abend zurückgeben würde, dann wollten sie mir eine Abreibung verpassen." Er grinste breit. „Allein komme ich nicht gegen sie an."

Solofar verstand. Er mag ein guter Fechter sein, doch gegen eine solche Überzahl bekommt selbst er Schwierigkeiten. Sie jetzt, vor einem Kampf gegen einen Baron zu fordern, ist ebenso unklug. Er muss ausgeruht für seinen adeligen Gegner sein. Selbst wenn er es nach der vergangenen Nacht kaum ist. „Wer sind sie?"

„Gehören den Sanverenas an. Deswegen halten sie sich auch für unbesiegbar. Nach dem Kampf gegen den Baron werde ich sie aufsuchen und fordern."

„Während ich daneben stehe, versteht sich", präzisierte Solofar milde gereizt.

Gezzaro grinste verlegen und blies Rauch in den warmen Wind. „Du stehst mir doch bei, oder?"

Solofar seufzte und bog auf die Brücke ein, die in die Richtung des Marktplatzes führte. „Natürlich." Einen Kampf gegen eine der Banden von Hastator, so etwas werde ich mir kaum entgehen lassen. „Und der Dichter, den du in deinem Bett hattest? Du kämpfst gegen den Baron di Giura, um deine Affäre mit seinem Sohn zu verteidigen, warum liest du am Abend davor einen Dichter von der Straße auf? Wenn wir nun gegen Vater und Sohn gemeinsam kämpfen müssen..."

Gezzarros Lachen unterbrach ihn. „Dieser Dichter ist Flavio di Giura, der Sohn des ach so großen Sebastione di Giura. Er trägt zuweilen seine Gedichte in den Tavernen vor", sagte er verträumt. „Noch etwas, was sein Vater nicht gutheißt. Seines Erachtens sollte Flave ein Soldat werden, doch so etwas passt zu ihm ebenso wenig, wie mir das Priestertum stehen würde."

Solofar verdrehte die Augen. Es muss nur einen hübschen jungen Mann geben, der Poesie und den schönen Künsten zugeneigt ist, und er verfällt ihm Hals über Kopf. Wahrscheinlich riskiert er sein Leben nun für einen flüchtige Affäre, die nach einem Monat wieder vergangen ist. Wenn es überhaupt so lange hält. Doch ich werde nicht mit ihm darüber diskutieren. Nicht erneut. „Was sagt dein hübscher Freund zu den Sanverenas vor eurer Tür?"

Gezzarro zuckte mit den Schultern und schnippte etwas Asche auf die Straße. „Wenn sie ihn behelligen, bekommen sie es mit mir zu tun, und dann werden sie sehen, dass meine Vorliebe für Männer mich nicht zu einem schwächeren Gegner macht."

Solofar lächelte amüsiert. Bei jedem anderen würde ich es als Gerede abtun, doch ich sah ihn kämpfen, und ich weiß, dass er recht hat. Bei der Verteidigung seiner Geliebten kennt er keine Gnade.

Der Baron erwartete sie bereits, flankiert von einem Herold in den Farben des Reiches und einem Sekundanten. Wachen, in den Farben Nyradons und in denen des Barons, hatten sich auf dem Platz postiert, gerade genug, um zu zeigen, dass die Macht des Königs nicht weit war. So werden die Sanverenas es kaum wagen, Gezzarro anzugreifen. Vor einer Taverne lungerten einige Männer herum, die Solofar von der Universität kannte. Einer von ihnen prostete ihnen mit seinem Weinbecher zu. Auch Gezzarro hat seine Wachen bei sich.

Solofar lehnte sich zu seinem Freund. „Keine Masken?"

„Im Hochadel ist es üblich. Beginnend beim Rang eines Grafen. Ritter und Barone haben mit den Statussymbolen der Großen nichts verloren", erklärte Gezzarro. „Manche, der Baron d'Irghese zum Beispiel, tut gerne so, als wäre er ein Graf oder gar ein Herzog, und besteht bei seinen Kämpfen darauf, eine Maske zu tragen. Um ihn zu beleidigen, kann man barhäuptig kämpfen. Als du damals gegen den Conte di Seste gekämpft hast, oder dieser eine unheilige Kampf gegen den Duca von Usan, das waren ein Graf und ein Herzog gegen dich. Dein Vater ist einer der mächtigsten Lords von Ilron, er hat mindestens den Rang eines Duca." Er schnippte den erlöschenden Stummel in den Straßendreck. „Hochadel. Nicht so Gesindel wie ich oder Flaves Vater." Einige Schritte von dem Baron entfernt blieb er stehen und grinste fröhlich zu seinem Herausforderer hinüber. „Einen guten Tag, Mylord!", rief er.

Der Baron, ein ganz und gar durchschnittlich wirkender Karakal mittleren Alters, ließ sich nicht zu einer Antwort hinab. Mit einem wütenden Blick zu Gezzarro nickte er dem Herold zu, der gemessenen Schrittes in die Mitte zwischen den beiden Kontrahenten trat.

„Am heutigen Tage, dem achten des Monats Marsèn, treten zum Kampfe bis zum Ersten Blut in drei Runden gegeneinander an: der Baron Sebastione di Giura, und der Geforderte, der achte Sohn des Baron di Varia, Gezzarro di Varia. Duellanten, tretet vor!"

„Das ist die freundlichste Einführung zu einem Kampf, seit ich in Hastator bin", flüsterte Gezzarro Solofar zu, doch folgte den Worten des Herolds.

Er hat recht. Gewöhnlich beinhalten die Worte des Narrenherolds, der die meisten Straßenkämpfe ansagt, mehr Beleidigungen. Oder aber ein Kampf wird in aller Stille ausgetragen, wie mein Duell mit dem Conte di Seste. Was mir in jenem Fall sehr lieb war, dass nicht alle Welt davon erfuhr. Solofar beobachtete, wie sich die Gegner mit Blicken maßen, der Baron mit eisernem Zorn in den hellen Augen. Gezzarro erwiderte seinen Blick kurz, dann sah er versonnen über die von gleißend hellem Licht überzogenen Hauswände, die den Platz säumten.

„Nennt den Grund der Herausforderung, Baron di Giura!"

„Di Varia vergriff sich an meinem Sohn, Flavio di Giura, und lockte ihn in eine schändliche Liaison. Ich will nun seine Ehre wiederherstellen!", rief der Baron mühsam beherrscht.

„Was habt Ihr zu Eurer Verteidigung vorzubringen, Master di Varia?"

Gezzarro zuckte mit den Schultern. „Eher hat Flave mich verführt als ich ihn. Ich bin ihm einfach verfallen", seufzte er. Irgendwo kicherte eine Frau. „Ich sollte Euch, Baron, fordern, weil Ihr es wagt, einen derart ansehnlichen Sohn in die Welt zu setzen. Doch nun möchte ich nunmehr anmerken, dass es seine Wahl war, statt einer Frau mich zu wählen, weswegen es keine Ehre gibt, die derart verletzt ist, dass Ihr sie verteidigen müsst."

Der Baron schien sich gewaltsam vor einer wütenden Erwiderung zurückhalten müssen. „Fahrt fort", wies er den Herold durch zusammengebissene Zähne an.

„Duellanten, stellt eure Sekundanten vor!"

„Livio d'Alati, Ritter in meinen Diensten", sagte der Baron beherrscht. D'Alati, ein hagerer Gepard, scharrte desinteressiert mit den Füßen im Sand.

Gezzarro warf sich in die schmale Brust. „Solofar Darke von Murrim." Der Genannte hob stolz das Kinn und erlaubte sich ein höfliches Halblächeln.

Ein Raunen erhob sich aus dem Volk, das eine dünne, vorsichtige Menge um den Platz gebildet hatte. Köpfe ragten aus jedem Fenster und beobachteten bemüht unauffällig das Geschehen.

„Ist es zulässig, jemanden, der nicht aus Nyradon stammt, bei einem solchen Duell als Sekundanten einzusetzen?", wollte der Baronwissen.

Der Blick des Herolds flackerte von dem Adeligen zum Hauptmann der königlichen Wachen, der milde amüsiert auf der Mauer des Brunnens saß, der in der Mitte des Platzes thronte. Er schluckte. „Ja, das ist es, Mylord. Solange dieser Mann von Adel ist, ist es erlaubt. Und das Haus Darke von Murrim ist weithin bekannt."

Der Baron schnaubte und umklammerte seine Waffen fester. „Nun denn", brachte er hervor.

„Duellanten und Sekundanten, nehmt eure Plätze ein!", befahl der Herold großspurig, doch mit einem leichten Zittern in der Stimme. Der Hauptmann am Brunnen lächelte dünn.

Einer der Studenten an der Taverne trat vor und nahm Gezzarro Gürtel und Schwertscheiden ab. Solofar nickte ihm zu, dann trat er auf seinen Platz neben seinen Freund und zog sein Rapier. Es ist in der Tat interessant, dass in Nyradon Sekundanten erlaubt sind, während sie in Ilron mit Verachtung gesehen werden. Bei seinen ersten Kämpfen war ihm seine Funktion geradezu schleierhaft gewesen, doch nun hielt er sich für einen ebenso guten Sekundanten wie Fechter. Elegant ließ er die Waffen in den Händen wirbeln. D'Alati erwiderte seinen prüfenden Blick schicksalsergeben. Er ist sicherlich ein besserer Fechter als der Baron. Ein Duell gegen ihn, das wäre eher eine Herausforderung für Gezzarro. „Viel Glück", raunte er.

Der Panthera grinste. „Der Baron unterschätzt mich. Das ist gut."

Selten ist er so ernsthaft wie vor einem Kampf. „Dann unterschätze du ihn nicht."

„Niemals." Er tänzelte in die Mitte des Platzes, die vorgeschriebene Entfernung zum Baron haltend. Sein Gegner musterte ihn wütend.

Mit einer schnörkelhaften Bewegung stieß Gezzarro das Rapier waagerecht in die Luft vor sich, das Sonnenlicht schimmerte auf dem Korb der Waffe. Den Parierdolch hielt er für seine Verhältnisse geradezu diszipliniert hinter seinem Rücken, doch Solofar erkannte dennoch winzige Fehler in seiner Haltung. Doch gegen den Baron ist er ein Musterbild. Er hat wahrscheinlich seit Jahren nicht mehr ernsthaft gekämpft, und da Gezzarro für ihn kein wahrer Mann ist, hat er es nicht für nötig gehalten, zu üben. Geradezu lächerlich. Die Miene des Barons verriet, dass er ebendies nun schmerzlich bereute, als er sein Schwert gleichzeitig mit Gezzarro senkrecht vors Gesicht führte.

Solofar hörte das Metall schwirren, als Gezzarro sein Rapier schräg abwärts schlug, die letzte der Eröffnungshaltungen. Er selbst hob ebenfalls seine Klinge, und beobachtete milde amüsiert die Angst in den Augen des Barons.

„Kämpft!", gab der Herold das Signal.

Gezzarro zögerte keinen Augenblick. Mit einem übermütigen Kampfschrei stürzte er sich auf den Baron, und Solofar folgte ihm, den Blick fest auf die blitzenden Waffen gerichtet. Gezzarro war schnell und flink, seine Klingen verschwammen zu Streifen aus Silber und Tod. Der Baron geriet nicht aus seiner Defensive, die wenigen Angriffe, die er versuchte, blockte Gezzarro mit dem Dolch ab, während er selbst kaum einen Angriff wagen konnte. Ich weiß nun wieder, warum er trotz seiner geringen Größe und Stärke einer der besten Kämpfer der Universität, wenn nicht sogar der Stadt ist. Er hat mich oft genug besiegt.

Viel zu schnell streifte Gezzarros Rapier das Bein des Barons. Knurrend fuhr Di Giura zurück, in seinen Augen flackerten Zorn und Angst auf. Die Angst, seinen Sohn nicht verteidigen zu können. Doch so, wie es schien, hatte Gezzarro recht. Flavio di Giuras Ehre wurde nicht derart verletzt, dass der Baron sie nun verteidigen muss.

„Die erste Runde geht an Gezzarro di Varia!", verkündete der Herold, verhaltener Jubel erhob sich aus dem Volk. Gezzarro verneigte sich elegant, einer der Studenten trat zu ihm und reichte ihm einen Becher, den er in einem Zug leerte. Solofar roch Wein, doch beließ es bei einem tadelnden Blick zu seinem siegessicher wirkenden Freund. Selbst Chrigrio könnte betrunken gegen den Baron bestehen, und seine Technik ist miserabel.

„Duellanten, nehmt eure Plätze ein!", rief der Herold erneut.

Gezzarro ließ seine Waffen herausfordernd aneinander schrammen, das Klirren hallte hell über den Platz. Solofar lächelte dünn. Angeber. „Bereit, Mylord?", rief der Panthera.

„Bereit", knurrte der Baron und nahm Haltung an. Gezzarro und die Sekundanten taten es ihm gleich.

„Kämpft!"

Diesmal ließ Gezzarro sich Zeit. Er wartete ab, bis der Baron vortrat, die Kontrahenten umkreisten sich langsam, während D'Alati sichtlich einen gelangweilten Seufzer unterdrückte. Solofar verkniff sich ein Lachen. Ich denke, D'Alati und ich könnten uns durchaus verstehen.

Schließlich griff der Baron an, und Gezzarro wischte den Schlag geradezu nachlässig beiseite. Solofar kannte die Angriffe und Paraden, die er nun führte, schnell und doch genau, theatralisch und gnadenlos. Wir haben den gleichen Stil, die gleichen Bewegungen, die gleichen Haltungen. Nur, dass er schneller ist, und ich präziser. Und die Finten, die er nun schlägt, sind ein Spiel. Ein Tanz, möchte man meinen. Ein Tanz, der den gleichen Regeln von dem folgt, was Sliv mir schlussendlich mit wenigstens ein wenig Erfolg beibrachte.

Gezzarro wirbelte elegant herum, duckte sich unter einem lächerlich niedrig geführten Schlag des Barons hinweg und griff selbst an. Di Giura riss die Augen auf, Gezzarros Klinge schoss vor und traf ihn an de rSchulter.

Jegliche Fassung wich aus den Gesichtszügen des Barons, als er zurückstolperte und nach der Wunde tastete. Sein Blut benetzte die Fingerspitzen seiner ledernen Handschuhe. „Aber Ihr seid...", brachte er hervor. „Ihr seid kein..."

„Was bin ich nicht? Ein Mann? Ich denke, Euer Sohn weiß zu seinem Vergnügen, dass ich Manns genug bin", erwiderte Gezzarro anzüglich, die Studenten lachten. „Doch wisst, ich habe Flavios Ehre nie beleidigt. Er ist nun ebenso wenig entehrt, wie er es wäre, wenn Ihr gewonnen hättet", fuhr er in versöhnlicherem Tonfall fort. „Ich liebe ihn, und auch ich würde nur für seine Ehre kämpfen. Für was sonst würde es sich zu kämpfen lohnen, wenn nicht für das, was man liebt?"

„Sieger des Kampfes ist Gezzarro di Varia!", verkündete der Herold, das Volk jubelte. Gezzarro reckte seine Waffe in die Luft und badete mit einem verträumten Gesichtsausdruck im Applaus der Menge, Solofar tauschte einen schnellen Blick mit D'Alati, der ebenso amüsiert schien wie er selbst. Gezzarro war schon immer ein Romantiker. Wer sonst würde für einen adeligen Dichter das Leben riskieren? Selbst wenn es bei einem Baron kaum gefährlich ist. In der Universität gibt es jedoch ein ungeschriebenes Gesetz: fechte niemals mit einem Gelehrten der Alchemie, wenn dieser sich unterlegen fühlt. Dann greifen sie zu unerlaubten Mitteln.

Gezzarro nickte dem Baron ein letztes Mal zu, der sprachlos seinen Blick erwiderte, und trat zu den anderen Studenten. Jemand drückte ihm einen Weinbecher in die Hand, die anderen schlugen ihm auf den Rücken und beglückwünschten ihn lauthals zu seinem Sieg. Zwei Männer hoben ihn auf ihre Schultern. Gezzarro grinste breit und trank glücklich, doch sein Blick schweifte sehnsüchtig zu der Gasse, die zumTanzenden Narr  führte.

„Feiern wir deinen Sieg, Gezzarro!", rief einer der Männer, der seinem Tonfall zufolge bereits ausgiebig gefeiert hatte.

„Oh nein", sagte Gezzarro sofort. Frischer Kampfesgeist flammte in seinen Augen auf. „Einen Kampf schlagen wir noch. Zusammen." Die Studenten blickten ihn fragend an, und Gezzarro ließ sich wieder zu Boden senken. Zufrieden schnallte er seine Waffen um und wartete kurz ab, bis die Menge und die Wachen sich zerstreut hatten. Verschwörerisch winkte er seine Freunde näher. „Wir fordern die Sanverenas heraus."

„Aye, diese elenden Pfandleiher geben uns immer viel zu wenig!", beschwerte sich einer der Männer.

„Es ist an der Zeit, dass wir diesen Bastarden zeigen, dass man sich mit uns nicht anlegt!", rief ein anderer.

Immer der Anführer unserer Gruppe, und bringt uns in mehr Schwierigkeiten, als gut für uns ist. Und doch lieben wir es. Gezzarros kämpferischer Blick traf seinen, und er nickte ihm zu. Oh, ich wäre rastlos geworden, wenn ich so nahe an einem Kampf gewesen wäre, und nun nicht einen eigenen schlagen dürfte. Dann hätte ich wieder einen von uns herausfordern müssen, und sie lehnen stets ab. „Dann gehen wir."

„Gehen wir", wiederholte Gezzarro. „Denn heute ist ein guter Tag für die Ehre."

~ ~ ~

Mein Leben geht drunter und drüber, und ich habe seit zwei Monaten keinen Buchstaben zu Papier gebracht. Wenn ich die Zeit zum Plotten hätte, könnte ich schreiben, aber zuerst - Brotherhood, Privatleben und eine dräuende zweite RPG-Kampagne, für dessen Charakter ich zuerst einmal eine Backstory schreiben muss.

Falls es hier bald still werden sollte - I am sorry. Für die Verspätung - I am even sorrier.

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