☆ zweierlei Unterhaltungen ☆

Sicht: Manuel

Es waren ganze drei Monate nach dem Clubbesuch vergangen, als ich wieder Tim traf. Es war in der Uni und unsere Blicke hatten sich wieder gekreuzt. Zögernd hatte ich meine Hand gehoben, was er auch eindeutig noch gesehen haben muss, doch er grüßte mich nicht zurück.
Weil es mir so langsam wirklich reichte, ging ich zu ihm. Er stand mit ein paar seiner Freunde zusammen, die mich auch dezent verwundert ansahen, als ich Tim auf die Schulter klopfte und ihn fragte, ob er mal kurz mitkommen könnte.

„Was ist denn?", fragte er mich nur. „Ich möchte reden", antwortete ich, „und mir wäre es lieber, wenn das nicht vor anderen passiert."
Er gab nach, fragte die anderen, ob sie kurz auf ihn warten könnten, wobei er gerade Dario etwas länger als die anderen ansah. Mich brachte es fast zum Lachen, dass mich das vor ein paar Monaten noch gestört hätte.

„Also, Manuel, was gibt es?", wollte er seufzend wissen, als wir in eine ruhige Ecke gingen. „Können wir uns nicht normal verhalten?", fragte ich, „Oder kannst du wenigstens nicht so tun, als würdest du mich ignorieren?" Er sah mich ungläubig an und entgegnete, dass er nicht wieder einfach so mit mir befreundet sein kann. Es tat zwar etwas weh, das zu hören, aber ich konnte das auch verstehen. Nur weil er es sich jetzt noch nicht vorstellen kann, heißt das ja nicht, dass es sich irgendwann nicht noch ändern kann, nicht?

Und dennoch, mir ging es ja nicht direkt darum, dass wir wieder wie Freunde miteinander sein können.
„Das ist auch nicht unbedingt mein Punkt", erklärte ich ihm, „Ich glaub auch, dass es noch zu früh ist, als dass wir wieder so befreundet sein können wie früher – falls das überhaupt noch geht, nach... Allem. Aber kann man sich nicht trotzdem begrüßen, wenn auch nur mit einem Nicken? Einfach so zu tun, als würde man sich nicht kennen, ist einfach nur beschissen, weißt du?"

Es fühlte sich gut an, das endlich mal zu sagen. Um ganz ehrlich zu sein, hätte das auch so schon viel früher ablaufen sollen. Aber wir – besonders er – haben ja unsere Probleme lieber totgeschwiegen. Soll es uns eine Lehre sein.

Tim sah auf den Boden und schien zu überlegen. Letztendlich nickte er. „Du hast recht. Entschuldige bitte. Ich dachte es wäre besser so." Zufrieden und etwas erleichtert lächelte ich. Ein kleiner Schritt Richtung Freundschaft war getan. Zumindest hoffe ich das.

„Dario heißt der Braunhaarige, der dich geknickt angeschaut hat, als wir gegangen sind, oder?", fragte ich grinsend. Er hatte mit meiner Frage wohl nicht gerechnet, denn er sah mich verwirrt an. „Ja, so heißt er. Was ist mit ihm?" Ich zuckte mit den Schultern, hörte nicht auf zu grinsen. „Ach nichts", antwortete ich, „und ihr beide versteht euch gut, nicht wahr?" Tim zog die Augenbrauen zusammen und schüttelte leicht den Kopf. „Warum fragst du mich das?"
„Nur so! Nur so. Alles gut..." Ich tat mein Bestes, nicht zu lachen zu beginnen. Er gehört wirklich nicht zu denen, die Zeichen – auch wenn sie vielleicht nicht beabsichtigt sind – wahrzunehmen.

Ich beschloss ihn nicht weiter zu ärgern. Immerhin wollte ich ja wieder irgendwann mit ihm befreundet sein und das ist nicht unbedingt der perfekte Weg, um das zu erreichen.
„Das war auch alles was ich von dir wollte. Danke", sagte ich deshalb. „Kein Ding, bis dann Manuel!" Tim wollte gerade gehen. „Ach, grüß doch bitte Dario von mir!", rief ich ihm noch schnell hinterher. Ich konnte es mir doch nicht einfach verkneifen.

Er drehte sich um, grinste gequält, aber gleichzeitig auch gereizt an und rief „Mach ich, Manu" zurück.

So trennten sich unsere Wege auch wieder.
Ich war wirklich froh darüber, wie das Gespräch ausging. Das Einzige, was mich nur gerade wieder etwas traf, war die Realisation, dass ich Single bin. Ich bin mir ziemlich sicher, dass da was zwischen Dario und Tim gehen könnte, wenn sich Letzterer nicht dumm anstellt. Er hatte den Jungen schon im Blick, auch wenn er selber es noch nicht bemerkt hat. Ganz kalt ließ Dario ihn im Geringsten nicht, und das Schöne war ja, dass es auch so scheint, als würde es auf Gegenseitigkeit beruhen.

Ich freute mich ja wirklich für ihn, aber es war nur so, dass ich mir etwas verloren vorkam.
Micha hatte Maurice, Max hatte Tamina, Taddl hatte Ardy und jetzt schien auch Tim wieder jemanden zu finden.

Ich versuchte den Rest des Tages nicht mehr darüber nachzudenken, was mir auch gut gelang, bis der Abend kam. Denn da war ich mal wieder alleine. Micha war wie so oft bei Maurice. Weil er schon nachmittags zu Maurice gegangen ist, musste ich mir selber Abendessen machen, was ich erst so um neun gemacht habe. Davor hatte ich einfach keinen Appetit. Danach war mir langweilig, also beschloss ich ein wenig spazieren zu gehen. Ich schnappte mir meine Jacke, denn obwohl es schon im April tagsüber ganz gut warm werden kann, sind die Nächte noch schön kühl. Mit Kapuze über den Kopf gezogen ging ich los. Nach einigen Minuten packte mich mein Selbstmitleid, als ich an einer Eisdiele vorbeikam und da überredete es mich, mich selber auf ein Eis einzuladen.

Ich öffnete die Tür der Eisdiele und wurde schon freundlich begrüßt: „Guten Tag!" Ein Braunschopf lächelte mich glücklich an und zauberte mir ungewollt ein ebenso erfreutes Lächeln auf mein Gesicht. Gleichzeitig musste ich auch grinsen, wenn auch schwach. Tag war gut, es ist schon dunkel draußen.

„Tag?", fragte ich ihn doch relativ amüsiert, „Wir haben halb zehn. Tag kann man das ja wohl nicht mehr nennen, was?" Der Unbekannte grinste, stützte seine Hände an der Theke ab und antwortete mir mit einer Gegenfrage: „Möchtest du vielleicht auch was bestellen oder möchtest du mich lieber weiter belehren?" Lachend schüttelte ich den Kopf und antwortete ihm – anders als er – mit einer richtigen Antwort: „Ich würde doch lieber was bestellen."

Zwei Kugeln Schokolade in der Waffel bestellte ich.
Der Braunschopf warf den Eisportionierer etwas hoch, fing ihn auf und machte mir schnell mein Eis. Die Kugeln waren riesig, aber groß stören tat es mich nicht.

Nachdem ich mir in dem Eiscafé ein Eis geholt hatte, ging ich in den Park auf den einen Hügel und sah nach oben. So ein klarer Nachthimmel ist schon verdammt romantisch. Ich dachte daran zurück, wie mich Tim einmal nachts auf einen der Parkhügel gezerrt hatte und wir gemeinsam die Sterne beobachtet hatten. Das war einer der schönsten Nächte gewesen.

Seufzend setzte ich mich auf den Boden und winkelte meine Beine an und legte meinen Kopf auf meine Arme. Dadurch war es etwas schwerer an meinem Eis zu lecken, aber so umständlich war es dann auch nicht. Es war sogar recht angenehm, denn dann konnte ich auch gut in den Himmel schauen. Die vielen leuchtenden Pünktchen am Himmel waren unglaublich beruhigend.

Ich saß bestimmt eine halbe Ewigkeit dort. Das Eis hatte ich schon nach nur ein paar Minuten inklusive Hörnchen aufgegessen. Müde gähnte ich und rutschte etwas weiter nach unten, damit ich mich angenehm auf das Gras legen konnte. Gerade wollte ich mich mit dem Rücken hinlegen, da rutschte ich auf der Wiese mit meinem Hintern aus, verlor die Kontrolle und begann zu rutschen! Vergeblich versuchte ich mich festzuhalten, drehte mich so dabei nur um, sodass ich mit dem Kopf nach vorne drehte. So konnte ich sehen, dass jemand am Fußende des Hügels saß! Schnell rief ich laut und schloss die Augen. Gleich würde es schmerzhaft werden!

Mit einen dumpfen Geräusch spürte ich, wie ich gegen den Rücken der Person geknallt sein musste, doch irgendwie lag ich auf ihr. „Sorry...", murmelte ich völlig beschämt. Die Person unter mir stöhnte etwas mürrisch. Schnell ging ich von ihr runter und setzte mich auf den Boden. Das tat ich anscheinend zu schnell, denn plötzlich überkamen mich höllische Kopfschmerzen und meine Hände und Arme taten auch weh. „Geht es Ihnen gut?", fragte ich dennoch den armen Mann. „Ja ja... Und Ih-" Er brach ab, als er mich ansah und grinste sofort. „Hey! Wir haben uns lange nicht gesehen." Nun sah auch ich ihn richtig an und musste schlucken. Es war die Bedienung aus dem Eiscafé!

„Das macht also ein trauriger Junge, wenn er sich kein Eis holt", kicherte der Braunschopf. Verlegen sah ich wieder auf den Boden, wo auch das Fahrrad von ihm lag. „Das war ja nicht extra...", nuschelte ich augenverdrehend. „Das dachte ich mir schon. Ist ja nicht nur für mich schmerzhaft, so ein Auftritt." Er kicherte weiter und grinste mich belustigt an. „Glaub mir, ich hab morgen zigtausend blaue Flecken...", murrte ich seufzend. „Nicht nur du. Dein Kopf - Oder waren es deine Schultern? Na ja egal... Jedenfalls, was auch immer du mir da gegen den Rücken gerammt hast, es war nicht gerade schmerzfrei. Aber solange es uns gut geht, ist ja alles gut."

„Tut mir echt leid. Ich wollt mich eigentlich nur hinlegen, hab aber wohl irgendwie das Gleichgewicht verloren und muss dann anscheinend heruntergerollt sein..." Der Braunschopf winkte ab. „Wie gesagt, alles gut", wiederholte er sich und fügte noch etwas hinzu, „Wie war das Eis?"
„Sehr gut. Danke für die großen Kugeln, übrigens." Ich lächelte dankbar und bekam ein schelmisches Grinsen zurück. „Das freut mich. Ich dachte, traurigen Menschen kann man ruhig etwas größere Kugeln machen. Erwarte aber nicht, dass ich das immer mache! Sonst kriege ich irgendwann noch Ärger", meinte er nun. Ich lachte ein wenig darüber. „Schade. Aber warum sagst du die ganze Zeit traurig?" Wirkte ich echt so traurig? Klar, Leute mit Kapuze tief im Gesicht machen nicht gerade den Eindruck, als seien sie die glücklichsten Menschen, aber erschien ich wirklich so unglücklich?

„Na ja, ich dachte halt wegen der Kapuze und weil du schon ziemlich elanlos reinkamst. Tut mir leid, wenn ich mich da irre", antwortete er unsicher, während er sich durch die Haare am Hinterkopf fuhr. Ich lächelte ihn aufmunternd an, denn ich wollte nicht, dass es ihm unangenehm war. Immerhin wollte er ja nur nett sein und einem Fremden helfen.

„Traurig bin ich nicht wirklich. Fühl mich gerade einfach nur etwas einsam, das ist alles", erklärte ich ihm ehrlicherweise. Er ließ die Schultern sinken und steckte seine Hände in seine Jackentasche. „Oh... Ich fühl mich gerade auch etwas alleine", sagte er und schaute dabei mit betrübten Gesicht aufs Gras. Er schüttelte den Kopf, schenkte mir ein aufbauendes Lächeln und meinte noch: „Das hat man, glaub ich, einfach hin und wieder mal. Wird bestimmt schon früher oder später wieder vergehen." Zustimmend nickte ich. Ich denke auch, dass das schon wieder vorbeigehen wird.

„Na ja, danke nochmal für die großen Kugeln und entschuldige bitte den kleinen Stunt von mir. Normalerweise bin ich nicht so tollpatschig." Ich musste etwas lachen, beim letzten Teil des Satzes. Es stimmte aber auch, für gewöhnlich lege ich nicht solche Stunteinlagen hin.

Ich sah dem Braunschopf in seine ebenso braunen Augen und musste feststellen, dass sie etwas hatten. Etwas sehr Schönes. Mhm, sehr schön. Besonders schön, als sie parallel zum Rest des Gesichtes lächelten.

„Ach, wie gesagt, einmal hab ich's gerne gemacht. Vielleicht sehen wir uns ja nochmal" er machte eine Pause, als würde er nach meinem Namen suchen. Den verriet ich ihm lachend. „Ah, Manuel. Ja, vielleicht sehen wir uns ja nochmal, Manuel." Er lächelte wieder so schön. „Einen neuen Kunden habt ihr jedenfalls sicher", entgegnete ich. Also ich hätte nichts dagegen, ihn öfter zu sehen. Bisher hat er einen sehr guten Eindruck bei mir hinterlassen.

„Darf ich denn auch deinen Namen erfahren?", fragte ich grinsend. „Oh klar! Patrick. Mein Name ist Patrick." Patrick fuhr sich wieder durch die Haare, bückte sich, um sein Rad aufzustellen und verabschiedete sich dann von mir: „Bis dann Manuel. Schau am besten vorher, ob da wer auf deiner Rutschbahn liegt, bevor du mit dem Rollen beginnst." Schmunzelnd verdrehte ich die Augen und verschränkte meine Arme. „Ja, mach ich. Bis irgendwann Patrick."

Der Braunschopf mit den schönen Augen schwang sich auf sein Fahrrad und fuhr dann los. Ich sah ihm noch kurz hinterher, ehe ich mich auch auf den Weg nach Hause begab.

Ich glaube, ich würde Micha und Maurice demnächst mal auf ein Eis einladen.

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Wieso fühlt es sich eigentlich immer so an, als wäre ein halbes Jahr vergangen, wenn ich ein neues Kapitel hiervon poste...?

Jedenfalls bin ich froh, aber auch etwas traurig darüber, dass wir schon etwas über der Hälfte der Geschichte sind.
Froh bin ich, weil ich mich dann endlich wieder auf neue Projekte stürzen kann. Etwas traurig bin ich, weil das meine erste Kürbistimor Fanfiction ist.

Wenn ich ehrlich bin, dann geht sie auch schon viel zu lange. xD
Es ist schon fast 2 Jahre her, seit ich den Oneshot geschrieben habe und daraus diese Geschichte geplant habe.

Wo ich schon beim OS bin: Ich werde mich nicht an die Daten halten, die ich da geschrieben habe, nur so als Vorwarnung. xD

Das war's schon. Bis dann!
LG LMS☆

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