Erste Schritte und Zögern

„Sag mal, wo studiert Dario überhaupt?", fragte ich Dominik. Wir saßen zusammen in meinem Wohnzimmer, er auf dem Sofa, ich auf meinem Drehsessel. Ich kreiste mit dem Stuhl um mich selbst, vollkommen und unfassbar tief in Gedanken versunken.

„Er macht ein Fernstudium", antwortete mir Dominik. Ich nickte. Fernstudium. Das würde erklären, warum er immer – beziehungsweise so häufig – nach meinen Lesungen auf mich warten konnte.

„Warum fragst du?"
„Ich wollte ihn überraschen, aber das hat sich dann auch wohl erledigt", grummelte ich. Er ist so oft schon am Eingang und hat abends so gut wie immer Essen für mich dabei – ich muss mich revanchieren. Womöglich hab ich meinen Gedanken von ein paar Wochen doch über Bord geworfen. Wenn man nichts ausprobiert, dann kann man zwar nichts verlieren, aber auch nichts gewinnen.

Wir haben Mitte Mai, ich könnte ihn zu seinen Geburtstag irgendwo einladen, fiel mir ein. „Meinst du", fragte ich Dominik nun, „er hat schon was an seinem Geburtstag vor? Ich würde ihn halt gerne zum Essen einladen oder so." Ich unterbrach meine Drehungen und sah ihn fragend an.

Fehler. Großer Fehler.
Hätte ich mich doch nur weiterhin gedreht! Dann müsste ich jetzt nicht auf das fette Grinsen das sein Gesicht ziert schauen. „Als gute Freunde natürlich", sagten wir dann gleichzeitig und fingen an zu lachen. Die gute Freunde Nummer konnte ich mir wohl auch abschminken.

„Aus verlässlichen Quellen kann ich dir beruhigt sagen, dass sich bisher noch keiner, einschließlich er selber, Gedanken um seinen Geburtstag gemacht hat. Außer vielleicht seine Eltern, aber das würden wir noch früh genug erfahren." Ich nickte, kratzte mich am Kinn und fing an zu überlegen, wozu ich ihn einladen könnte. Ein Essen würde sich schon perfekt anbieten, aber ist das nicht ein zu großer Schritt?

Die nächsten Tage zermarterte ich mir den Kopf über diese Frage so sehr, dass er mich darauf ansprach: „Sag mal, ist alles gut? Du wirkst so tief in Gedanken versunken in letzter Zeit." Ich fuhr über meinen Hinterkopf. Jetzt oder nie, sagte ich mir. „Hast du schon was an deinem Geburtstag vor?" Er sah mich einige Sekunden lang nur an, lächelte zwar leicht, aber sagte nichts. Oder es war nur eine Sekunde und mein Kopf übertrieb. So oder so, alles was ich mir dachte war nur, dass er was sagen soll und dann fragte ich mich, ob ich laut genug geredet hatte.

„Tatsächlich hab ich noch nichts vor", antwortete er dann endlich. „Und du?" Er schmunzelte. Hab ich eigentlich je erwähnt, wie ansteckend es ist?
Wir saßen da und grinsten uns gegenseitig an. „Tatsächlich hab auch ich noch nichts an dem Tag vor", gab ich zurück. „Oh wirklich? Dann könnten wir ja gemeinsam nichts tun." Ich nickte langsam. „Oder wir tun etwas gemeinsam." Er fing an leise zu lachen. „Oder so. Dann um 18 Uhr bei mir?"
„Und wenn ich dich einlade? Zu irgendeinem Restaurant?" Er schüttelte den Kopf. „Das ist immer noch mein Geburtstag", entgegnete er. „Aber ich will dich einladen und wie soll ich das machen, wenn wir bei dir sind?" Er verrollte die Augen und meinte dann, dass ich ja die Rechnung vom Einkauf bezahlen könnte, wenn mir das so wichtig wäre. Ich gab ihm einen leichten Tritt gegen sein Bein, musste aber selber grinsen.

„Ich will mich doch nur revanchieren!", rechtfertigte ich mich. „Bis zum 31. sind es ja Gottseidank noch ein paar Tage." Wenn das kein Wink mit dem Zaunpfahl war. „Oh ja, dann könnte ich mich nächste Woche Freitag bei mir um 18 Uhr für die ganzen Schawarmas und Burger revanchieren?" Dario nickte und sagte zu: „Gerne. Auf deine Kochkünste bin ich gespannt."
Angesichts der Tatsache, dass er weiß, dass ich fast ausschließlich Pesto Rosso koche, konnte ich schlecht mit hohen Kochskills meinerseits prahlen, musste also die Bemerkung widerwillig runterschlucken.

Der Abend verlief danach genau so weiter, wie jeder andere, abgesehen davon, dass ich noch mehr in Gedanken versunken war als sonst und wir etwas näher als sonst nebeneinander saßen. Ich konnte einfach nicht aufhören an die beiden Verabredungen zu denken, die wir gerade ausgemacht haben.

Was mir bei den paar Malen, wo ich zu ihm rüber geguckt habe war, dass auch er nicht sonderlich fokussiert auf den Film war. Dachte er auch an Freitag in einer Woche?
Ich müsste unbedingt etwas anderes als Pesto Rosso machen. Nur was zur Hölle? Nichts zu Extravagantes aber auch nichts Standardmäßiges.

Jetzt denke ich schon darüber nach, was ich ihm kochen soll, während wir hier einen Film schauen.

„Gute Freunde" war wirklich eine seltendämliche Beschreibung für „Dieser Junge ist mir unfassbar wichtig".

Sichtwechsel: Manu

Bei Palle in der Friendzone zu sein tat mir nicht so sehr weh, wie gedacht. Vermutlich, weil ich mich selber in die Friendzone gescheucht hatte, so konnte er es nicht mehr tun und dadurch, weil er mich ja noch nicht gefriendzoned hat, konnte ich noch ein bisschen an lächerlicher Hoffnung haben, denn er hat ja nie gesagt, dass er in mir nicht mehr sehen könnte als nur ein Freund.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich konnte mich mit ihm treffen, ohne ständig daran denken zu müssen, auf wen oder was er jetzt steht, wünschte mir aber natürlich doch, dass ich dazugehörte.
Kindisch, aber ich hatte Angst; besonders nach dem Clubbesuch.

Zombey beharrte darauf, dass ich ihm mal sanft auf den Zahn fühlen könnte, aber wie zur Hölle sollte ich das machen?
Ich habe sogar letztens Eros angeschrieben, habe ihm gesagt wer ich bin, mich dafür entschuldigt erst vier Monate später zu schreiben und einfach nur gefragt, wie es ihm geht. „Wie läuft's mit deinem Ex?" war das erste, was er darauf geschrieben hat. Meine Frage hatte er nicht beantwortet.

Ich gab ihm ein kleines Update zu Tim und mir, berichtete, dass sich die Situation geklärt hat und wir uns hin und wieder ein bisschen unterhielten, wenn wir uns sehen. Daraufhin meinte er, dass das cool sei und  fragte mich, wie es denn sonst im Liebesleben aussehe. Dann schilderte ich ihm meine momentane Situation. „Mit 19 Jahren schon so ein Chaos... Und ich dachte mein Liebesleben wäre durcheinander xD" Ich verdrehte die Augen und schrieb ihm, dass ich bereits 20 geworden bin. Er schrieb daraufhin nur, dass er das ja nicht wissen kann, wenn ich mich so lange nicht melde und wünschte mir alles Gute nachträglich.

Letztlich verabredeten wir uns am Mittag im Eiscafé. Ich war zuerst dagegen, aber Eros bestand darauf und es blieb uns nichts anderes übrig, da wir kein anderes Café kannten und ich wollte ihn nur ungern zu uns einladen.

„Das ist doch die reinste Kamikaze-Aktion!", schimpfte ich über mich selber. In fünf Minuten müsste ich losgehen. Zombey saß an dem kleinen Tresen zwischen Wohnzimmer und Küche, während Maudado irgendwas in den Ofen schob. „Dein Prin- Patrick wird schon nicht da sein und selbst wenn", murrte der Braunhaarige, „wo wäre das Problem?"
„Wie sollen wir uns denn über ihn unterhalten, während er jederzeit vorbeigehen könnte?", entgegnete ich. „Ja dann treff dich doch da nicht!", stöhnte er und schlug lachend seinen Kopf auf den Tresen. „Ja mein ich doch!" Micha hob seinen Kopf wieder und schüttelte ihn. „Du machst echt aus allem ein Drama, weißt du das, Manu?" Sogar Maudado lachte jetzt.

„Und du hast echt nicht tolle Ratschläge", gab ich zurück und verließ die Wohnung. Als ich die Tür ins Schloss warf, hörte ich noch von den beiden, wie sie mir viel Glück wünschten.

Als ich ankam, konnte ich glücklicherweise Patrick nirgends entdecken und Eros kam nur wenige Minuten nach mir an und kaum dass wir saßen, ging es um Patrick. Er meinte, dass Zombey recht hatte und ich wirklich ganz vorsichtig ermittlen könnte.

„Ja und wie bitte?", fragte ich ihn, nachdem wir bestellt hatten. „Einfach mal „Hey Patrick, warst du schon mal auf dem CSD und findest diese Regenbogenflaggen dort ansprechend? Ach und was hältst du von Madonna oder Wham!?" fragen? Oder sollte ich doch eher sowas Direktes sagen wie „Diana Ross' Lied "I'm coming out" ist sehr relatable oder?""
Er lachte. „Das sind zwei Optionen. Ich gebe dir aber noch eine dritte. Meine Option ist", antwortete er, „wenn du mich fragst, etwas unauffälliger und nicht ganz so Klischeebelastet." Er riet mir, nur Bemerkungen über männliche Rollen, Charakteren oder echten Menschen zu machen, ihn nach seiner Meinung zu fragen und im Allgemeinen einfach anzudeuten, dass ich mit Frauen nicht sonderlich viel anfangan kann. Sollte er schlau sein, dann würde er das verstehen und ebenfalls solche Bemerkungen machen, meinte er. „Notfalls kannst du auch deine Möglichkeit in Erwägung ziehen, aber dann wäre die direkte Frage, ob er jetzt auf Männer steht oder nicht, doch charmanter."

Wir bekamen unser Eis, was ich nutzte, um von mir abzulenken: „Wie sieht es denn bei dir aus?" Er verzog das Gesicht und zuckte mit den Schultern. „Ich glaub ich treib mich einfach an den falschen Orten herum. Die einen wollen nichts Festes, anders als ich, und die anderen wollen „nur mal ausprobieren". Kleiner Tipp, sag niemals ja zu sowas, es sei denn du kannst mit Chaos und Stress umgehen." „Ist ja beschissen", murmelte ich. Eros nickte. „Oh ja..."

Was wenn ich auch irgendwann an diesen Punkt angelange? Ich würde vermutlich nie wieder so einfach einen Partner finden wie Tim. „Meinst du, ich komme irgendwann auch in deine Situation?", fragte ich. Er grinste. „Du bist erst 20 und ich auch gerade erst 23, das ganze Leben steht noch vor uns. Es kann sein, dass wir morgen die Liebe unseres Lebens finden, mit der wir bis zum Ende zusammen sind, es kann aber auch sein, dass wir erst verdammt spät den Richtigen finden. Das weiß halt keiner." Ich schnaubte. „Und von wem stammt das jetzt?", fragte ich. Solches Geschwafel kann ich nicht mehr hören. „Die Liebe kommt, wenn du es am wenigsten erwartest, du musst nur dran glauben!" Ja ja... Wenn es nur so einfach wäre.

„Von mir selber, aber vermutlich zu viel Einfluss von Romanen und Musik. Vielleicht auch die ganzen Schnulzen die ich mit meiner kleinen Schwester gucken musste", antwortete er mir nur.

Wir unterhielten uns noch über Micha und Maurice und ich erzählte ihm noch ein wenig von Tim und Dario. Das einzige was er dazu dann sagte war, dass Tim wirklich lahm und blind sein muss, wenn er erst jetzt was macht. Eros grinste dabei und meinte, ich solle ihm mal sagen, dass er nicht so viel überlegen solle.

Wir bezahlten getrennt und ich versprach, mich nicht erst in vier Monaten das nächste Mal zu melden. „Na ja, jetzt hab ich ja auch deine Nummer", meinte er grinsend. Ich konnte nur den Kopf über den Jungen schütteln. Er ist nett, schade für ihn, dass er keinen findet, aber so ist das Leben halt. „Die Liebe findet dich schon noch." Wenn es zu spät ist, dann steht sie vermutlich mit einem Strauß voller Blumen vor mir.

☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆
Hello there!
Das erste Kapitel im neuen Jahr! :O

Dieses Jahr sollte diese Story auch ein Ende finden. :D
Ich freue mich schon auf die nächsten Kapitel, jetzt wo Tim endlich mal was tut. ;3

Mal schauen wie lang er braucht um den ersten offiziellen Schritt zu wagen. Oder wer weiß? Vielleicht macht ihn Dario? Was denkt ihr?

Schönen Nachmittag und ein tolles Wochenende euch! :3

LG LMS☆

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top