Der Abschiedsmorgen
Es war Montag, der 30. August 1909. Ich packte noch hastig die letzten Schulbücher, die in meinem Zimmer verteilt herumlagen, in meinen Koffer, denn schon morgen früh ging es für mich auf zum Gleis neundreiviertel. Noch immer wusste ich nicht, wie genau ich dorthin gelangen sollte, da man laut John auch nicht direkt dorthin apparieren konnte.
Durch lautes Kreischen wurde ich ruckartig aus meinen Gedanken gerissen.
"Ja, ja, ist ja schon gut, Luna. Ich bin ja gleich fertig. Wenn ich nur wüsste, wo mein Lehrbuch für Zaubertränke geblieben ist..."
Hastig suchte ich weiter, doch sie kreischte erneut auf und scharrte mit ihrer Kralle, was mich aufmerksam werden ließ. Mein Blick fiel unter ihren verhältnismäßig großen Käfig: Dort lag das schwarz eingeschlagene Buch, nach dem ich gesucht hatte.
"Oh, danke Luna. Ohne dich wäre ich wohl verloren, so schusselig, wie ich bin", tadelte ich mich selbst und stopfte das besagte Buch in meinen Lederkoffer.
Danach ließ ich Luna in die Abenddämmerung hinaus und wünschte meinen Geschwistern eine gute Nacht, um danach selbst schlafen zu gehen.
Am nächsten Morgen wachte ich früh auf, sprang aus meinem Bett und eilte hinunter in die Küche, um dort den noch leeren Tisch zu decken.
Als dies erledigt war, kamen auch schon Mary und Ann müde in die Küche geschlurft.
"Guten Morgen, ihr zwei", wünschte ich ihnen mit singender Stimme und wir setzten uns an den Tisch und begannen mit dem Schmieren unserer Brote.
Nach etwa fünf Minuten kam ein ebenfalls müder John in die Küche und somit konnten wir endlich anfangen zu essen.
"John, wie spät machen wir uns eigentlich auf den Weg zum Gleis?", fragte ich ihn, bevor ich den letzten Bissen meines Erdnussbutterbrotes nahm.
"Also wir können zum Bahnhof Kings Cross nach London apparieren. Dort gibt es einen Zugang zum Gleis neundreiviertel. Deshalb würde ich sagen, dass du etwa um zwanzig nach elf hier unten sein solltest."
"Okay, das passt gut", sagte ich und warf meinen kleinen Schwestern einen auffordernden Blick zu.
"Ach, John", fing Ann, die jüngere der beiden, zu reden an.
"Ja?", erwiderte der 20-jährige gespannt.
"Also, wir haben uns überlegt, jetzt, wo Liz nicht mehr so oft da ist, sollten wir dir vielleicht etwas mehr im Haus helfen", erläuterte Mary.
"Und deshalb haben wir sogar einen Plan mit Aufgaben gemacht, damit du mehr Zeit hast, mit uns zu spielen", ergänzte Ann und zauberte John ein freudiges Grinsen auf dessen Gesicht.
"Das ist doch echt schön von euch. Wollt ihr vielleicht dann gleich damit anfangen und mir helfen, den Tisch abzudecken?", forderte ich sie indirekt auf und auch John half uns dabei.
Das Abdecken war schnell erledigt und ich ging nach oben in mein Zimmer. Dort flog Luna gerade in ihren Käfig, dessen Tür ich jedoch erst einmal offen stehen ließ.
"In einer Stunde geht es für für uns beide endlich los nach Hogwarts. Ich bin ja so aufgeregt! Aber... es lässt mich der Gedanke nicht los, dass ich etwas vergessen habe... Nur weiß ich beim besten Willen nicht, was das sein könnte."
Auch meine Eule schien darauf darüber nachzudenken, flog aber nach einigen Sekunden auf meinen Schreibtisch und es fiel mir wie Schuppen von den Augen: "Aber natürlich! Die Pergamentrollen und Tintenfässer darf ich auf keinen Fall vergessen! Dass mir nicht aufgefallen ist, dass ich sie vergessen habe, während ich meine Feder eingepackt habe! Hach, was wäre ich bloß ohne dich?", sagte ich und streichelte meiner Freundin den Kopf.
Ich nahm darauf die Sachen, die ich brauchte, vom Tisch und stopfte sie in die letzten Freiräume meines Koffers.
Die letzte Frage war nun lediglich, was ich anziehen sollte. Die Schuluniform musste ich erst später im Zug nach Hogwarts, dem Hogwarts-Express, anziehen. Zum Glück war in meinem Kleiderschrank nur wenig Auswahl geblieben, doch mir fielen sofort ein hellbrauner Rock mit rotem Glencheck-Muster und eine passend karierte Bluse ins Auge, die ich mittlerweile wohl völlig aus meinem Gedächtnis verdrängt haben musste. Komisch, dass ich vergessen hatte, dass ich so etwas besaß, dabei sahen die Sachen doch ziemlich gut aus, vor allem zusammen.
Ein Blick auf die Standuhr verriet mir, dass ich nun meinen Koffer und Lunas Käfignach unten bringen sollte.
Dort zog ich mir noch einen Mantel und Stiefel über und ging zu meinen Geschwistern ins Kaminzimmer, in dem ebenfalls meine Sachen bereitstanden.
Ich gab meinen Schwestern eine lange Umarmung und sagte zu Ann, die Tränen in den Augen hatte, dass dies ja kein Abschied für immer sei und sie unbesorgt sein konnte, dass mir etwas passieren könne.
Die beiden gingen auf Johns Bitte hin etwas traurig aus dem Kaminzimmer und auf meinen fragenden Blick, warum John meine Sachen in den Kamin gestellt hatte, antwortete dieser nur: "Wir reisen mit Flohpulver. Du musst gleich nur meine Hand und den Käfig mit Luna festhalten."
Ohne weitere Worte griff er in die oberste Schublade des deckenhohen Fichtenschrankes und ging mit geschlossener Faust in den Kamin, wo ich mich, wie besprochen, neben John aufstellte und dessen freie Hand nahm.
Er berührte mit seinem Bein meinen Koffer, streckte den Arm mit der Faust vor sich aus und sagte laut und deutlich "Bahnhof Kings Cross", bevor er die Faust öffnete und ein feines, schwarzes Pulver, das auch Asche hätte sein können, ein giftgrünes Feuer auflodern und das Zimmer um uns herum verschwinden ließ.
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