DIE UNANGENEHME WAHRHEIT


Ein großes gesellschaftliches Thema ist das Alter.

Menschen werden immer älter. Alleine im Jahre 2017 leben in Deutschland 17,7 Millionen Menschen über 65 Jahre, knapp 50 Millionen zwischen 20 und 64 Jahre und 14,5 Millionen Menschen unter 20 Jahren. Die Geburtenhäufigkeit einer Frau liegt bei durchschnittlich 1,4 Kindern. (Quelle, Statistisches Bundesamt, 2017)

Die Deutschen werden immer älter. Das Alter spielt also mehr denn je eine wichtige Rolle. Womöglich hat jeder den Bericht über den 21 Jährigen Krankenpfleger gesehen, der in einer Talkshow mit Merkel aneinandergeraten ist. Ein Gesundheits – und Krankenpfleger in seinem 2. Lehrjahr spricht über tragische Missstände in der Pflege, die jeder kennt, über die jeder Bescheid weiß, doch an denen niemand etwas verändert. Die Politik spricht von Fachkräften aus dem Ausland oder über eine Erhöhung der Bezahlung, um den Beruf attraktiver zu machen.

Seit Jahren.

Seit Jahren spricht Angela Merkel, Bundeskanzlerin von Deutschland, über die widerlichen Missstände in unserer Kranken – und Altenpflege, doch umsetzen davon tut sie nichts.

Dabei ist dieses Thema, neben der unkontrollierten Zuwanderung, eines der wichtigsten Themen überhaupt. Wie Alexander Jorde, oben genannter Krankenpfleger, deutlich klar machte. In den nächsten Jahren werden 1.000.0000 Pflegebedürftige dazu stoßen, der Altersschnitt auf den Stationen liegt bei 45 Jahren und es fehlen hunderttausende Pflegekräfte.

Frau Merkel antwortete darauf, dass sie nicht versprechen kann alles nach bester Zufriedenheit erfüllen zu können, doch wenn sie sich in 2 Jahren wiedersehen würden, die Zustände sich deutlich verbessert hätten.

Gott sei Dank gibt es in Deutschland noch junge Menschen die mitdenken und die Logik benutzen, die Gott ihnen gegeben hat.

Die Rechnung unserer guten Bundeskanzlerin kann nämlich nicht funktionieren.

Wie Herr Jorde in einer Talkshow bei Markus Lanz deutlich machte, ist der Import von ausländischen Pflegekräften ein schwieriges Thema.

Ich selbst habe mit demenziell erkrankten Menschen gearbeitet, meine Facharbeit über Demenz geschrieben und weiß, wie schwierig und sensibel der Umgang mit diesen Menschen ist. Nicht nur Empathie und Sensibilität wird erfordert, sondern auch eine Kommunikation die essentiell ist. 

Unsere Sprache.

Der Umgang von ausländischen Pflegekräften mit demenziell erkrankten Menschen gestaltet sich demnach als unmöglich.

Diese Antwort unserer Kanzlerin hat mich unglaublich wütend gemacht.

Dieses Thema bezieht sich auf jeden Einzelnen von uns. Egal, ob arm, reich, religiös, heterosexuell, bisexuell, homosexuell, transsexuell, sportlich, dick, hübsch, intelligent, dumm oder hässlich – egal, wie unsere Gesellschaft uns auch definiert: Jeder wird irgendwann alt. Jeder ist irgendwann einmal auf Hilfe angewiesen.

Egal, ob mit 30, 40, 50, 60 oder erst 80 Jahren. Jeder Mensch wird diesen Prozess einmal durchleiden und meiner Meinung nach, ist er der härteste Prozess, den wir erleben müssen.

Ein Alzheimerforscher hat in einem Interview einmal angegeben, dass jeder von uns an Alzheimer erkranken wird, da die Lebenserwartung in den letzten Jahren stark gestiegen ist und noch stark ansteigen wird. Die einen bekommen es mit 50, die anderen mit 70. Andere leben länger, andere sterben früher.

So trocken diese Formulierung auch klingt...Es ist die harte Realität.

Der Begriff Demenz wird oft fehlerhaft benutzt. "Demenz" ist keine eigentliche Krankheit, sondern tritt in Folge einer Krankheit auf und beinhaltet eine Schädigung des Gehirns, die in verschiedenen Möglichkeiten sichtbar werden kann.

Alzheimer hingegen ist eine Krankheit, welche krankhafte Eiweißablagerungen verursacht, sogenannte „Plaques", die, laut Wissenschaftlern, dafür sorgen, dass Nervenzellen absterben.

Symptome dieser Krankheit tragen den Verlust unserer geistigen Fähigkeiten zur Folge, angefangen bei zeitlicher und räumlicher Orientierung, über Gedächtnis -, Konzentrations-, und Aufmerksamkeitsstörungen, bis hin zum gänzlichen Verlust unserer Selbstkontrolle.

Während meiner Arbeit in einem Seniorenheim habe ich hauptsächlich mit demenziell erkrankten Menschen gearbeitet. Egal, ob im Frühstadium oder im Endstadium, egal, wie lange der Prozess gedauert hat, jeder dieser Menschen hat irgendwann die Kontrolle über seinen eigenen Körper und seinen psychischen Fähigkeiten verloren. Eine schreckliche Vorstellung.

Wie man mit dieser Krankheit umgeht ist immer individuell. Viele, bei denen Alzheimer schon sehr weit fortgeschritten war, waren offensichtlich „glücklich". Sie lebten in ihrer eigenen Welt, haben gelacht, gegrinst und sich, augenscheinlich, wohlgefühlt.

Doch das ist leider nur die halbe Wahrheit. Nicht wenige waren in diesem Stadium, in dem sie noch ihre Umwelt realisiert haben, trotzdem aber nicht wirklich verstanden haben, was um sie herum passiert ist. Man setzt diesen Prozess einem kindlichen Verhalten nach und irgendwie habe ich ihn wohl auch so empfunden.

Das Gegenteil dessen ist die bewusste Realisation vom Verlust seiner selbstständigen Fähigkeiten. Meist folgen daraus Depressionen und Patienten deuten Abneigung und Aggressionen an. Verständlich.

Der eigene Verlust seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten ist ein Prozess, der einen erschrecken lässt.

In jedem Falle wird man in diesem fortschreitenden Prozess, der bis heute nicht aufzuhalten ist, irgendwann vollkommen pflegebedürftig.

Und diese Pflege wird tagtäglich von Menschen vollbracht, die ein Einstiegsgehalt von 2.000 bis 2.300 Euro brutto monatlich bekommen.

2.300 Euro brutto. Für eine Arbeit, die sowohl psychische, als auch physische Fähigkeiten erfordert, Frühschicht, Spätschicht und Nachtschicht beinhaltet und in der man Tag für Tag mit Krankheit und Tod konfrontiert wird.

Aber kommen wir wieder zur Politik.

Deutschland hat 2017 rund 37 Milliarden Euro für die Verteidigung, also das Militär, ausgegeben. Rund 27 Milliarden für Verkehr und digitale Infrastruktur, 17,6 Milliarden für die Bildung und 15,1 Milliarden für die Gesundheit. (Quelle, Statistisches Bundesamt, 2017)

Wenn wir diese Zahlen aufsplittern, wurden von diesen 15,1 Milliarden 14 Milliarden in die gesetzlichen Pflegeversicherungen gesteckt, in Prozent wären es 96 Prozent, im Gegenzug dafür wurden 49 Millionen in die Pflegevorsorge gesteckt.

Das klingt nach viel Geld. Summen, die man sich bildlich überhaupt nicht vorstellen kann.

Die ekelhafte Realität ist aber, dass wir auf allen vier Stationen, mit 84 pflegebedürftigen Patienten, in der Frühschicht rund 8, manchmal auch 9 Altenpfleger zur Verfügung hatten, die jeden Patienten waschen, pflegen und anziehen mussten. Das macht im Durschnitt, bei 8 Pflegekräften, 10,5 Patienten auf eine Pflegekraft.

Jeder von uns musste also jeden Morgen 10 Menschen versorgen. Natürlich gab es dabei unterschiedliche Pflegegrade. Bei manchen Bewohnern (offizielle Ansprache in Alten-/Pflegeheimen) brauchte man nur 15 Minuten, bei anderen 30 Minuten. Doch auch wenn sich das nach viel Zeit anhört, glich diese Arbeit einer Art ‚Abfertigung'. Man hatte beinahe keine Zeit ein wirkliches Gespräch zu beginnen, auf die Menschen einzugehen, ihnen emotionalen Halt anzubieten oder einfach mal ein nettes, tiefsinniges Gespräch zu führen.

Und selbst das war nur die theoretische Normalität.

Da unser Leben aber in der praktischen Normalität stattfindet, konnte es gut sein, dass ein Bewohner, im Falle eines Falles, auch schon mal 45 Minuten Zeit in Anspruch genommen hatte. Somit war die komplette Planung, 10 Patienten in innerhalb von knapp 4 Stunden zu versorgen, einfach dahin. Eine Abfertigung wie auf dem Fließband.

Viele kennen diese Missstände, viele haben Vorbehalten gegenüber Seniorenheimen und ich kann Angehörige sehr gut verstehen.

Pflegekräften wird, trotz dem großen, psychischen Druck, abverlangt, freundlich, ruhig und ausgeglichen zu sein, etwas, dass ein Mensch irgendwann nicht mehr aushalten kann. Die allgemeine Hektik, der große Druck, die körperliche Arbeit – all das führt zu vielen Krankmeldungen, Burn-Out Meldungen und bekannter, allgemeiner Unzufriedenheit. Ich habe viele Kollegen gehabt, die diesen Job seit 25 oder auch 35 Jahren ausführten und die ich mir in keinem anderen Beruf hätte vorstellen können. Die Ruhe, die Organisation, die Zufriedenheit, wenn ein Bewohner sich für die Arbeit der Pflegekräfte bedankte, hat diese Menschen ausgemacht und dafür zolle ich ihnen den größten Respekt. Nur leider gibt es diese Menschen lediglich in rarer Anzahl. Auf unseren vier Stationen kann ich sie an einer Hand abzählen. Ich bezweifle nicht, dass meine anderen Kollegen ihre Arbeit mit weniger Qualität vollbracht haben, aber eben nicht mit dieser Leidenschaft, die einen in den Bann zieht und staunen lässt.

Das Problem an diesem Beruf ist, dass wir hier über Menschen sprechen. Nicht über Dokumente, Pakete oder Maschinen, sondern über einzelne, individuelle Menschen, die Aufmerksamkeit und Zuneigung benötigen.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar." Artikel 1, unseres GG's.

Und Alexander Jorde hat das ausgesprochen, was tagtäglich Millionen von Menschen in Deutschland erleben. In Krankenhäusern, Diakonien, privaten und öffentlichen Altenheimen. Die Würde des Menschen wird tagtäglich mit Füßen getreten, nur um Rüstungsexporte nach Saudi Arabien zu finanzieren, die indirekt den Islamischen Staat mit Waffen versorgen.

Das ist die harte, ekelhafte Realität, die jedem normaldenkenden Menschen mit einem Gewissen, einen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt.

Ich habe diese Arbeit geliebt. Sie hat mir, persönlich, sehr viel zurückgegeben. Ein Lächeln eines Bewohners, das Leuchten in seinen Augen, die kleinen Grübchen um seinem Mund herum, hätte das einzige sein können, damit ich mich entscheide diesen Beruf auszuüben.

Nur leider ist das ein Wunschdenken, das mich traurig werden lässt.

Ich bin noch sehr jung, habe erst drei Jahre in diesem Beruf gearbeitet und beinahe keinerlei Lebenserfahrung.

Aber ich habe einen großen Traum. Ich möchte das System verändern, dass uns auffrisst und die Missstände immer größer werden lässt.

Alzheimer kann durch geistige Aktivität, gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung verzögert werden. Irgendwann einmal möchte ich einen Gebäudekomplex mieten, ihn barrierefrei umbauen und Menschen mit unterschiedlichen Pflegegraden dort einziehen lassen. Wie in einer Art Wohngemeinschaft. Es wird gekocht, Beschäftigungen angeboten, gelacht und sich unterhalten. Diese Idee ist nicht neu, es gibt schon etliche Umsetzungen, viele davon auch in Holland und der Schweiz.

Das Problem ist das System, aus dem wir raus müssen, das wir verändern müssen, um Menschen im Alter Würde und Respekt entgegenbringen zu können.

Vielleicht werde ich mein Lebensziel erreichen und etwas verändern können, vielleicht werde ich scheitern. Aber ich werde immer einen Weg finden, Menschen zu helfen.

„Was immer du tun kannst oder träumst etwas zu können, fang damit an."

- Johann Wolfgang von Goethe

Danke für Eure Aufmerksamkeit!

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