71| Deliriumsgelaber №20 - Pin Pin
Das Telefon klingelt.
Aus 'ner anderen Sphäre.
Ich will nicht mehr atmen.
Nie wieder.
Doch es is mein Boss, der mich da im Morgengrauen anruft und ich muss da rangehen. Es fehlt mir schon wieder an Motivation, in mir is Ebbe und so starr ich das verdammte Telefon nur weiter an, bis Jennifer es mir schließlich förmlich ins Gesicht drückt. Es fühlt sich an, als würd sie es durch mich hindurch ziehen. Mein Hirn gaukelt mir vor, dass Katharina im Sessel vor mir Platz genommen hat und sich 'ne Zigarette anzündet. Wie hübsch sie is, auch ohne erkennbares Gesicht. Den Rauch atmet sie nicht ein, er dringt ungefiltert durch ihren hängenden Unterkiefer aus und zieht Kreise um meine Nase. Der Kaffee hat alles nur noch schlimmer gemacht. Ich hasse Kaffee und ich nehm den Anruf zitternd an, warum sind meine Hände so schwitzig, dass mir das Telefon fast entgleitet? Mein gelähmter Arm is nach wie vor zu nichts zu gebrauchen und es fühlt sich seltsam an, nichts zu fühlen, wo's doch das is, was ich immer wollte. Es is nich wirklich zufriedenstellend.
»Herr Schwarz, ich hab heute schon gehört, was passiert ist. Jackpot, nicht wahr? Einen tauben Arm wünschen sich doch viele Männer. Ich vergaß, Sie sind verheiratet. Jedenfalls bitte ich Sie, in den nächsten zwei Stunden in mein Büro zu kommen, ich habe Ihnen etwas wichtiges zu sagen.«
Seine Stimme klingt kalt und tonlos, wie seine ganze Existenz. Er fragt nich, wie's mir jetzt geht, stattdessen legt er auf und das is noch viel besser. Ich will am liebsten allein sein mit mir selbst und meinem bitteren Leben, der Geschmack der Enttäuschung tropft mir in den vor Erstaunen offen stehenden Mund. Kritiker würden vielleicht behaupten, es sei Rotze. Gut, is es auch, aber nur 'n Typ, dessen Leben 'ne einzige Enttäuschung is, würd nich reagieren, wenn ihm die Rotze ins Maul läuft. Katharina steht langsam auf, wirft ihre Zigarette auf den Teppich, womit sie ihn ansteckt und springt zum offenen Fenster hinaus. Draußen schlägt sie auch und zerspringt an sich selbst. Mein schönes Scherbenmädchen und ich hab sie doch so sehr geliebt. Verdammte Scheiße.
Fick dich, Katharina.
Liebe mich, Katharina.
Verschwinde, Katharina.
Bleib, Katharina.
Ich bin so unsicher, aber ich muss aufstehen. Jennifer versteht nicht, warum. Hat sie noch nie. Komisch, dass ich 'n Junkie mit Job bin, in jeder Hinsicht bin ich 'n Loser. Chronisch verpeilt und mir is kein bisschen bewusst, dass ich mich selbst verloren hab. Verdammt, ich brauch keine Jacke, der Zylinder auf meinem hohlen Kopf weist mir den Weg ins Büro. In letzter Zeit hab ich mich wirklich oft krank gemeldet. Vielleicht, weil ich tatsächlich krank bin. Vielleicht, weil ich nur keine Lust hatte auf 'n Job, der nur dazu dient, das bisschen Zeit zu überbrücken, bis ich wieder drücken kann. Jennifer verdient mehr als ich und ich muss mir trotz Abitur den Arsch in 'nem scheiß Büro aufreißen, von dem ich nicht mal genau weiß, was es da tut. Irgendwas mit Finanzen und all dem Zeug, das man hat, wenn man kein Verlierer is. Scheiß drauf, auf geht's. Ich muss zum Chef und ich schlepp den nutzlosen Arm hinter mir her wie 'n totes Tier.
Was hat der Chef Pin Pin wohl zu sagen?
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