67| Die Wahrheit punktiert - Øyriøn

Es is grotesk, die einzige Autoritätsperson in meinem von beißendem Kontrollverlust gejagten Leben weinen zu sehen. Der einzige Mensch, den 'n Junkie in seiner infantilen Unterwelt wirklich respektieren kann, is in den meisten Fällen der Dealer und der is immer knallhart. So auch die Pestkönigin, ich hab 'se mal die Eingeweide von 'nem Selbstmörder von der mit nach trauriger Wahrheit stinkenden Wand kratzen sehen und 'se gefragt, ob 'se den Glibber auch essen würd, wenn's denn nötig wär. Sie sagte gar nichts, sondern schob sich 'n unerwartet festes Stück Großhirn zwischen die Kauleisten. Ich bewunder diese Frau, sie wirkt so verfickt stark, obwohl sie es jeden Tag mit den abgefucktesten Missgeburten zu tun hat. Ich bin nur eine davon. Is ja kein Geheimnis, ich weiß doch, wie der Staat uns sieht. Verdammter Haufen Hurensöhne, auf euch is echt Verlass, danke für nichts. Absolut nichts. Tonic scheint schon wieder neugierig. Bastard. Verficktes Stück Scheiße. Würd ich ihn im dichten Zustand bloß nich so gern mögen.

»Jetzt erzähl schon, wer sind die zwei Mädchen auf dem Bild? Deine Töchter? Schwestern? Freundinnen? Irgendwelche Kinder, die du entführt hast?«

»Tonic, halt einmal in deinem Leben deine unqualifizierte Fresse, es geht ihr nicht gut, siehst du das denn nicht?«

Dimmu springt von ihrem Stuhl auf und schießt Tonic mit der flachen Hand ins dämliche Gesicht. Diese verfickte Ironie, die ich so sehr liebe, wenn 'n scheiß Sexist von 'ner Frau eine geknallt kriegt. Es is wunderschön zu beobachten und ich bin 'n schadenfroher Wichser. Jetzt muss ich wieder daran denken, wie Shelby dem Arsch mit ihrem Whiskey 'ne Abfuhr verpasst hat. Im Grunde genommen bin ich gar nich so viel besser als die scheinheiligen Scheißgestalten draußen auf den Straßen, über die ich mich so gern aufreg. Ich stütz mich doch irgendwie auch nur auf Hass und Vorurteile, statt die Leute kennenzulernen. Muss ich auch nich, immerhin hab ich von vornherein genug Menschenkenntnis, um zu wissen, dass auf'n Verrückten wie mich bloß drei Leuten kommen, die in meinem Leben bleiben und mir was bedeuten. Doch genau jetzt bin ich für niemanden irgendwas. Außer vielleicht für Shelby. Höchstens könnt ich vielleicht ihre nach hochgewürgter Pizza riechende Erinnerung an 'n Leben sein, dass 'se eigentlich zurücklassen wollt. Verdammt, es tut mir so leid, ich mach den Leuten bloß Probleme.

»Beruhigt euch, ihr Arschlöcher. Die zwei da sind meine Töchter, du hast Recht.«

Greift die Pestkönigin wie aus'm Nichts ein und schlägt auf'n Tisch. Alles in diesem Raum muss sie einzig und allein deprimieren, das hier is ja schließlich ihr Leben. 'Ne Schießbude, in der irgendwelche dermaßen bemitleidenswerte Drücker ihre Existenz kürzer fixen und unter Umständen dran verrecken. Ach was, man stirbt sich doch ohnehin in jedem Fall dran kaputt und kein Arsch stört sich dran, denn wen bedrückt's schon, wenn 'n verdammter, ekelhafter Junkie sein wertloses Leben auf vollgekotztem Parkett aushaucht? Hätt ich mein Leben irgendwann in den Griff bekommen wie mein alter Herr es immer von mir wollte, wär ich bestimmt noch unglücklicher, als ich's jetzt schon bin. Wahrscheinlich wär ich der Vater von zwei räudigen Kindern und zugleich der Mann von 'ner mittelmäßig attraktiven Frau, die keinerlei Persönlichkeit hat und mich immer dann zum Friseur schleppen würd, sobald mein ohnehin schon schmerzhaft kurzes Haupthaar auch bloß 'n Zentimeter über ihre geduldete Höchstlänge is. Das wär 'n Leben, das ich bei der ersten Gelegenheit beenden würd. Pin Pin traut sich auch, 'ne Frage zu stellen.

»Und... sind die beiden noch am Leben, oder...«

»Gottverdammt, ja. Zum Teil. Eine is gestorben, die Andere meldet sich nicht mehr, weil sie sich für ihre krebskranke, dealende Mutter schämt.«

Platzt es da aus der Pestkönigin heraus und ich will ihr den Schmerz abnehmen, es bringt mich schon fast um, sie so zu sehen. Doch es is in Ordnung, denn Schmerz is leidendes Leben und Tod is Erbarmen. Was genau daran besser is, weiß ich nich. Ich will mich nich festlegen, is mir zu viel, muss nich sein. Und meine Kotze hängt wahrscheinlich noch immer in der Milchstraße. Die Astronomie denkt sich Namen für die Kotzbrocken in der Galaxie aus. Irgendwie muss ich an 'ne Psychotherapie denken, man findet auch bloß Adjektive für jedes verfickte Gefühl und lässt dem Psychologen 'n Haufen Geld da, das er im Nachhinein versäuft. Scheiß drauf, ich brauch das Geld für Dope und so ziemlich alles andere. Damit mein ich Nadeln, Löffel, Feuerzeuge und Alufolie. Die Wahrheit punktiert mir die Lunge und sie läuft aus, meine Organe verschwimmen in 'ne Innereiensuppe. Ich brauch 'ne Schöpfkelle, um das alles zu fressen und es wär nich schlimm, denn ich verdien's nich anders. Shelby is neben mir wie gelähmt und Tonic vermeidet den Augenkontakt mit ihr. Ich fühl mich, als müsst ich was sagen.

»Du... hast Krebs? Scheiße, ich hatte ja keine Ahnung. Tut mir leid. Wirklich.«

»Wir sind doch alle Fixer, ich weiß, dass ich kein Mitleid brauch. Der Arzt sagt, der Tumor in meiner Lunge sei irreparabel und fast so groß wie 'n Golfball. Darauf 'ne Zigarette. Dimmu, was wolltest du erzählen? Lass uns alle irgendwas beichten.«

Shelby reicht ihr 'n Taschentuch und bekommt 'n Lächeln zum Dank. Das is eine dieser Kleinigkeiten, die man außerhalb von privatem Gruppensterben nich hat. Das bisschen Höflichkeit kostet 'n Scheiß und is für die Reichen dieser verfickten Selbstmörderstadt mit der Mörderregierung immer noch zu teuer. Heftig eigentlich, aber die Etikette sind erschossen. Scheiß mal auf Moral, die Fixer müssen weg, nich wahr? Kümmert euch nich drum, das tun 'se schon selbst. Nich vergessen, je mehr Abhängige, desto weniger Abhängige. In der Theorie. In der Praxis zeugen auch die Junkies Kinder, weil's ihr verficktes Recht is. Im Grunde genommen sind wir wahrscheinlich nich mal süchtig nach dem Heroin an sich, sondern einfach danach, der deprimierenden Realität für 'n kurzen Moment nur zu entkommen, denn die erinnert uns immer wieder dran, dass wir nich glücklich sein können, wenn wir nich irgendwer für irgendwen sind. Völliger Bullshit und das Gerede darum, dass man zum Arbeiten lebt, is bloß Kalkül, das sich am Baum erhängt. Ich lebe bewusst und sterbe, wenn ich mich dafür entschieden hab.

»Also gut, ich hab Andreas umgebracht. Mit 'ner Pfanne erschlagen und durch den Fleischwolf gedreht, bis er die passende Größe für 'ne Tüte hatte. Jetzt suchen mich die Bullen.«

Erzählt Dimmu fast schon kleinlaut und betrachtet ihre Hände, die 'se im Schoß gefaltet hat. Shelby is die Einzige, die unsere liebe Dimmu nich zu ihrem Erfolg beglückwünscht. Es klingt verrückt, doch genau das sind wir doch und ihr verdammter Hurenbock von einem Kerl war das widerlichste Stück Scheiße, das mir je untergekommen is. Ich hab den Wichser in meinem ganzen Leben nur 'n einziges Mal getroffen und schon das hat ausgereicht, um ebenfalls Mordgedanken in seine nach billigem Fusel riechende Richtig zu hegen. Es war Dimmus Geburtstag vor vier Jahren und ich hatte kurz davor angefangen zu drücken. Ich hatte so verboten viel Spaß dran, doch es war noch lange Ritual für mich. Ich schoss mich nur dann zu, wenn ich's wirklich brauchte und ich hab noch nich so scheiße ausgesehen. Andreas hat meine Augenringe direkt als Einladung genommen, sich drüber auszulassen, was für ekelhafte Säue doch alle Junkies seien, wo der größte Ekel doch direkt vor meiner Fresse saß. Du kannst überleben oder sterben, doch wenn du Andreas bist, verlierst du in jeder Hinsicht. Bastard. Es is gut, dass er 'n Tod gestorben is, der seiner kotznahen Existenz würdig war. Mit 'ner Pfanne. Verdammt, das is einfach genial. Dimmu schaut in die Runde, als würd 'se sich geehrt fühlen. Is ihr gutes Recht. Witzig irgendwie. Die Gestörten von scheiß Neukölln, ganz ungestört unter sich mit all ihren Störungen.

»Das war bloß 'ne Frage der Zeit, er hat mich mit seiner Abwesenheit gestört. Die Exekutive sieht das leider nicht so, dann war ich zum Tatzeitpunkt auch noch auf Speed und der ganze Scheiß stößt bei Cops ja nicht auf Begeisterung. Da dachte ich, ich schleich mich aus der Untersuchungshaft, um euch zu sagen, wohin ich gehen werd. So, nächster bitte. Tonic, hast du wieder 'n Lattenrost?«

»Ich bekomme keine Geschlechtskrankheiten, ich verteile sie bloß.«

Erwidert Tonic und fährt sich durch die Haare. Ich muss wieder dran denken, wie schlecht es ihm ging, als er sich 'n Tripper in 'ner Schneewehe geholt hat. So dringend wär's mir wahrscheinlich nie, meinen Schwanz in was Warmes zu halten. Auch schön zu beobachten, wie Andreas' Tod mit 'ner Geschlechtskrankheit und Krebs auf eine Stufe gesetzt wird. Es is so verfickt entspannend. Ich bin der Tumor der Gesellschaft und Shelby is meine Chemo. Es is gut, dass sie mich mit Methadon versorgt hat, sonst hätt ich mir längst die Haut von den Knochen gerissen, damit's endlich wieder kühler wird.

Was denkt ihr, wird Tonic auch endlich sein Geständnis ablegen und wie werden die Anderen reagieren?

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