55| Deliriumsgelaber №15 - Øyriøn
Herzleid.
Seelenheil.
Nemesis.
Amok.
Mein Schädel platzt in der Mitte wie 'n überfahrenes Kind und gelbe Hirnmasse sprenkelt die Wände. Mein Brustkorb steht schon wieder in Flammen und meine Organe rutschen mir scheinheilig pfeifend über die Rippen. Ich kann's spüren, irgendetwas is hier grad gebrochen. Die Nazis hatten ihren Spaß, weil sie's ja auch nich anders kennen. Das haben die Arschlöcher doch schon immer so praktiziert. Hauptsache wir sind die Geilsten und scheiß auf alle anderen. Von wegen Deutsches Reich, Himmler. Is schwer, zu erklären, dass man die Herrenrasse rekrutiert mit minus zwölf Dioptrin und zwei Lupen vor der Faschistenfresse.
»Junger Mann, Sie haben 'ne Gehirnerschütterung und zwei gebrochene Rippen. Die Gelbsucht war bestimmt schon vorher da, Sie sind trotzdem gut davongekommen«
Hände schütteln und langsames, qualvolles Aufstehen. Jeder Schritt brennt wie Feuer, doch es is auszuhalten. Shelby steht vor mir und lächelt mich an. Ich glaub, mir geht's doch nich so gut, ich spür die Kotze in meinem Rachen kratzen und die Schmerzmittel können's auch nich verdecken. Reihern muss ich wie 'n Verrückter und beug mich unter Schmerzen nach vorn. Galle tropft auf die weißen Kacheln und macht 'se irgendwie erträglicher. Die schönsten Gemälde mal ich nach wie vor mit meiner eigenen Kotze. Irgendwer würd mir dafür bestimmt Geld bezahlen oder mich erschießen, weil ich die Kunst vergewaltigt hab. Kann schon sein, ich bin kein Künstler. Alles, was meinen Mund verlässt und als Kunst bezeichnet wird, is nur 'n Nebenerzeugnis der Todeszone, der räudige Schlachtabfall meines Zerfalls, wenn man so will. Tote Künstler sind wertvoll und Künstler müssen depressiv sein. Ich bin aber nich depressiv, mein Leben is nur Tollwut.
Die Welt is kaputt.
Hab 'se vom Schrank geworfen.
Beim Abstauben.
Und mich an den Scherben geschnitten.
Die Wellen der Ebbe strömen über mich hinweg und wischen mir die elendig stinkende Kotze ins vergilbte Gesicht. Würd ich jetzt behaupten, weil's so schön ästhetisch klingt, dabei bin ich bloß ins Erbrochene gestürzt und lieg jetzt am Boden. Der Arzt ekelt sich und Shelby setzt sich zu mir, Satan begrüßt mich schonmal mit 'nem High Five und mein pulsierendes Hirn schlägt von innen gegen die Schädeldecke. Es is schon in Ordnung. Das sind diese Phasen meines Lebens, die ich ertragen kann. Normalerweise bräucht ich dazu Heroin, doch Shelby is ja hier, also werd ich schon nich verrecken müssen. Hoff ich jedenfalls, denn so lässt sich's doch eigentlich aushalten.
Invalid im Krieg.
Zivildienst im Puff.
Meister der hässlichen Künste.
Ich. Einfach nur ich.
Man könnt meinen, ich hasse die permanenten Schmerzen, doch eigentlich brauch ich 'se. Manchmal, um mich wieder für 'n kurzen Augenblick lebendig zu fühlen und meistens, weil mich sonst rein gar nichts mehr glücklich macht. Heroin bedeutet Leiden und Leiden bedeutet Leben. Ich will nich tot sein, aber im Angesicht des Todes lebt man schneller und intensiver. Das is mein Problem. Ich könnt meine Existenz einfach kürzer rauchen, doch wo is dabei der Spaß? Ich mag das Leben, denn es zeigt mir in all seiner Ehrlichkeit, dass es durch und durch grässlich is. Die Menschen lügen, doch die ehrliche Sprache kann das nich. Und ich leide, also bin ich.
Øyriøn ist ein tragischer Clown. Denkt ihr eigentlich, dass bei ihm noch andere Organe zerstört sind?
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