52| Frittierte Calzone - Øyriøn
»Mich würde ja immer noch interessieren, ob du auch lustige Dinge erzählen kannst. Hast du 'ne spontane Seite oder bist du einfach 'n ernster Poet, der zum Nachdenken anregt?«
Shelby lässt die Hand auf meinem schmerzenden, ohnehin völlig zerstochenen Oberschenkel ruhen und stützt den Kopf auf meine Schulter. Wir sitzen auf 'ner verranzten Bank im Park, auf der bestimmt schon 'n paar Leute verreckt und dann festgefroren sind. Diese verfickte Nachmittagssonne brennt mir die Augäpfel aus den Höhlen und ich hab das Gefühl, tragisch zu verrecken. Ich liebe es, denn Shelby is hier, also is alles in Ordnung. Mit ihr an meiner Seite könnt ich so friedlich sterben wie meine Großmutter. Sie is im Schlaf gegangen sind ich hab ihre verfickte Leiche zuerst gesehen. In mir dreht sich 'n scheiß Schraubstock in meine Organe und treibt mir die Kotze in den Rachen. Ich schmeck die Säure und fühl mich gleich wieder 'n bisschen lebendiger. Eigentlich war ich doch nie am Leben und bloß 'ne traurige Illusion für alle anderen.
»An manchen Tagen möcht ich echt zu gern Nazis bunte Perücken aufsetzen, sie bei der Hand nehmen und mit ihnen die schönen Seiten des Lebens finden«
Murmel ich so schön phlegmatisch vor mich hin und beobacht die beiden jungen Rechten auf der anderen Seite des scheiß Parks, der doch eigentlich nur 'ne öffentliche Schießbude is. Gott, ich hasse die Rechten, egozentrische Hurensöhne, die in ihrer Dummheit glauben, der Holocaust wär 'ne einzige Lüge gewesen. Und ich dachte, ich sei bescheuert. Das Leben is 'ne Fotze, die mich immer wieder in die Arme vom Heroin treibt. Man könnt's doch eigentlich fast als meinen verschissenen Zuhälter bezeichnen, der mir das Geld aus den Taschen zieht und mich hinterher noch vergewaltigt. Mein Hirn is schon wieder wie 'ne frittierte Calzone, die bei jeder verfickten Bewegung gegen meine Schädeldecke schlägt und jedesmal 'n paar Gehirnzellen zerschießt. Mehr Krebszellen als Verstand. Und in mir 'n fetter Tumor, der langsam wächst. Ich red ihm manchmal gut zu und spiel ihm alten Black-Metal vor, damit er aggressiv wird und ich weiter leiden und leben muss.
»Das is süß. Siehst du die zwei Arschlöcher da vorn? Die starren uns so beschissen an, sollten wir sie vielleicht 'n bisschen aufmischen?«
Schlägt Shelby da grinsend vor und ich muss kurz überlegen. Wahrscheinlich wär's in meiner Verfassung nich unbedingt schlau, sich mit zwei Nazis anzulegen, aber ich bin 'n selbstzerstörerischer Bastard und kann mich einfach nich zurückhalten. Das is doch auch insgeheim der Grund, weshalb mir vor 'ner halben Ewigkeit mal 'n Besoffener 'n ziemlich großes Stück von meinem rechten Eckzahn ausgeschlagen hat. Meine riesige Kackfresse eben. Vielleicht hätt ich ihn wirklich nich dumm von der Seite anquatschen sollen, allerdings geht's mir nur leider dezent auf'n Sack, wenn sich einer gegenüber Frauen wie der letzte Arsch aufführt. So wie Tonic halt manchmal drauf is, der blöde Hund. Was macht der eigentlich grad? Ich weiß gar nich mehr, wann ich ihn zum letzten Mal gesehen hab, mein Zeitgefühl is so verfickt schlecht, weil das Heroin es sich unter'n Nagel gerissen hat. Ich könnt kotzen. Könnt ich wirklich, denn mir is schon wieder mächtig schlecht.
»Warum nich? Carnage läuft doch sowieso schon auf sie zu«
Muss ich grinsend anmerken, als ich seh, dass der gigantische Killerköter auf die jungen Nazis zusteuert. Er wedelt mit dem Schwanz und hat den massigen Schädel gesenkt, doch irgendetwas liegt in seiner Gangart. Ich kann's mir selbst nich erklären und vielleicht liegt's ja auch bloß an den verfickten Halluzinationen, die mich plagen, um mich von der deprimierenden Ernüchterung namens Realität wegzuschleppen wie 'n scheiß Kind, das Feldarbeit verrichten muss, aber Carnage wirkt von hinten irgendwie so gar nich mehr wie der fröhliche, nette Riese, der keinem etwas zur Leide tun könnt, er scheint so zielstrebig und nich flapsig wie sonst. Shelby steht betont langsam auf und will ihren Hund schon zurück pfeifen. Entweder das, oder mein Zeitgefühl hat sich mittlerweile vollkommen von mir verabschiedet und ich seh alles bloß noch in Zeitlupe. Wär jetzt auch nich unbedingt zum Kotzen, Shelby is schließlich noch da.
Kaum zu glauben, aber ich erheb mich ebenfalls mit knackenden Knochen und ergötz mich für 'n kurzen Moment fast zu sehr am stechenden Schmerz in meiner verfickten Schulter. Verdammte Scheiße, die is ganz bestimmt ausgekugelt. Fühlt sich jedenfalls so an, denk ich halt. Ich hab's bis jetzt auch eigentlich nur geschafft, mir 'n Arm zu brechen und das war deutlich schmerzhafte als den Scheiß, den ich grad mit zusammengebissenen Zähnen ertrag. Das sind Schmerzen für kleine Arschlöcher, die Mitleid wollen und so einer bin ich nich, denn ich weiß, dass es einzig und allein meine verfickte Schuld is. Ich belüg mich doch nur selbst und sonst keinen. Seit meiner beschissenen Kindheit hör ich immer und immer wieder Leute, die keine verfickte Ahnung haben, sagen, der schlechteste Freund, den man haben kann, sei 'n Junkie, wie nur am Lügen wären. Ich sag's mal so; unter Gleichgesinnten is man ehrlich, weil man sich gegenseitig versteht.
Einer der Nazis hebt den Kopf, als er mich sieht und verzieht angeekelt das hässliche Gesicht. Die Art von Mimik kenn ich nur allzu gut, den setzen 'se doch insgeheim alle auf, wenn 'se mich sehen, weil ich auch einfach ekelhaft bin. Da will ich gar nichts anderes behaupten. Es is mir natürlich dennoch irgendwie zuwider, die ganze Zeit über so angestarrt zu werden, als stünd ich im Zoo und der Glatzkopf zeigt mir den Mittelfinger. Ich hör noch, wie er mir irgendwelche Beleidigungen an den Schädel knallt. Von wegen, ich sei kein echter Deutscher und 'n widerlicher Junkie obendrein. Drücker seien ja ohnehin der Abschaum der Gesellschaft und würden auch bloß noch am Leben sein, weil's untersagt wär, sie in aller Öffentlichkeit zu erschießen. Ich will ehrlich sein, da muss ich mich dem Arsch anschließen, viele Menschen würden uns zu gern abmurksen, weil wir nich in ihr verqueres Weltbild passen, aber sonst redet der bloß Scheiße.
»Hast ja 'ne ziemlich große Fresse für so 'n kleinen Wichser. Würd mich interessieren, ob da mehr dahinter steckt«
Brüll ich daher zu ihm rüber, denn ich bin einfach irgendwie auf Selbstzerstörung getrimmt und vom Heroin zum Todeszonensoldaten ausgebildet worden. Ich tanz allerdings auf der Grenze zwischen den Kriegen meinerselbst und zeig den anderen Soldaten den Mittelfinger, weil 'se nich die geringste Ahnung haben, was es heißt, 'n tatsächlichen Krieg zu führen. Ich weiß es ja auch nich so genau, doch was die 'n Krieg nennen, is keiner. Das is einzig und allein sinnloses Rumgeballer um 'n paar Menschenleben, die zu früh enden werden und ich bin zwischen die Fronten geraten. Mich trifft 'ne Kugel und zerfetzt mir die Fresse. Scheißegal, ich war doch schon immer unansehnlich.
Der junge Nazi, der früher bestimmt für Hitler in den verfickten Tod marschiert wär, ohne überhaupt zu fragen, wofür er da grad kämpft, kommt langsam auf mich zu, er hat die tätowierten Hände zu Fäusten geballt und knirscht mit den Zähnen. Sein Kumpel is dicht hinter ihm und Shelby hat ihre Mühe damit, Carnage am Halsband festzuhalten. Der Rüde bellt nicht, er grölt wie 'n furchteregendes Monstrum, das Schädel mit den Zähnen knackt und reißt das Maul so weit aus, dass ich wahrscheinlich problemlos meinen Kopf bis zum Hals reinstecken könnt. Nich, dass ich's tun würd, natürlich. Ohne mich auf irgendeine Art und Weise vorzuwarnen rammt der dümmliche Glatzkopf mir seine Faust in die Fresse und ich will nich lügen, er hat 'n ordentlichen Schlaf drauf. Ich merk nich mal mehr, wie ich zu Boden geh, da is nur der scheiß Staub, der meinen Sturz zumindest mäßig abfängt.
Ich bin auf meiner verfickten Schulter gelandet und ich hab das Gefühl, 'se durch den irgendwie schön schmerzhaften Aufprall wieder eingekugelt zu haben. Der Teufel lacht mich aus und wirft mir Scheiße ins Gesicht. Scheiß auf Gott und scheiß auf den Teufel, ich brauch die beiden nich, um zu versagen. Jetzt treten 'se beide auf mich ein und Shelby schreit sich in meinem Hinterkopf die reine Seele ausm Hals. Es tut mir so verdammt leid, dass sie sich das hier ansehen muss. Meine große Fresse und ich sorgen eben nur für Ärger. Die Springerstiefel treffen meine hervorstechenden, wahrscheinlich mehrmals gebrochenen Rippen, ich fühl mich wie in Watte gepackt und in meinem Kopf läuft die ganze Zeit über Vivaldi. Ich mag die vier Jahreszeiten, sie beruhigen mich, wenn Black-Metal mir zu leise is und als ich durch die Ohnmacht in meine eigene Asche stürz, erschaff ich 'n Kunstwerk, das Shelby zu Tränen rührt.
Ich hatte geplant, in den nächsten Kapiteln auch beiläufig etwas zur Vergangenheit der Pestkönigin zu erzählen, wie fändet ihr das?
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