49| Hässliche Kunst - Øyriøn
Ich versuch nun schon seit 'ner Ewigkeit, diese verfickte Kommode von der Tür weg zu schieben, doch mich hat die Kraft schon vor Jahren verlassen. Shelby is hier und sie will mich sehen, hat 'se gesagt, jetzt hockt 'se draußen und versucht's von der anderen Seite, ich bin so verfickt dämlich und fluch schon wieder zu viel, verdammt. Es is einfach nich auszuhalten und ich werf mich wieder mit aller Kraft gegen die Kommode, damit mich der dabei entstehende Schmerz noch 'n bisschen am Leben hält. Die Tragik liegt ihm Detail und ich hab das Gefühl, am clean sein verrecken zu müssen. Das scheint mein Schicksal zu sein.
Am Ende sind wir der Welt doch ohnehin alle scheißegal und irgendwer keult sich einen auf unseren Tod. Meine Schulter knackt, etwas reißt und ich kann spüren, wie mir 'n Knochen aus der Pfanne springt, doch ich fang nich an zu schreien, denn der Schmerz is mein Sauerstoff und ich muss nich atmen, um zu überleben. Selbst das muss ich so gesehen gar nich. Überleben. Fick das Leben und fick meine scheiß Körperfunktionen, die mir noch nie etwas gebracht haben. Ich brauch 'se nich, denn niemand braucht mich und somit muss ich für keinen stark sein. Außer vielleicht für Shelby. Gott, ich liebe sie und hör 'se von der anderen Seite der Tür heulen. Es tut mir leid, dass 'se meinetwegen leiden muss. Könnt ich's denn, würd ich's ihr abnehmen.
Heiße Tränen, die irgendwie warum auch immer nach verfickter Säure schmecken, tropfen mir auf die blutig gebissenen Hände und ich frag mich, weshalb ich in letzter Zeit so oft am Flennen bin. Fast noch öfter heul ich zur Zeit, als dass ich kotz, da stimmt doch etwas nich. Ich brauch den Zerfall und er manifestiert sich immer mehr auf mir als ich auf ihm, denn wenn alles und jeder um mich herum aufsteigt, fall ich durch den Boden der Manie und brech mir das Rückgrat beim nun nich mehr schmerzhaften Aufprall auf'm Boden. Querschnittsgelähmt schau ich dann den anderen von unten beim Aufstieg zu und freu mich schon, wenn 'se wieder fallen. Das macht keinen Sinn, doch wer im wirren Palaver etwas zu erkennen vermag, der is wirklich 'n verficktes Genie. Oder 'n Poet.
'N allerletztes Mal versuch ich's noch, dann will ich aus'm Fenster springen und Shelby von dort aus zuhören, doch die scheiß Kommode scheint mir auf einmal wie von Zauberhand gnädig zu sein, denn sie rutscht 'n paar gute Zentimeter von der morschen Tür und gibt den Raum frei, in dem ich vergammeln und mit meiner Leiche Leute erschrecken wollt. Shelby heult jetzt vor Freude und fällt mir um den Hals, sie riecht nach Rauch und Motorenöl, 'ne ziemlich seltsame, aber verdammt stimmige Kombination. Ihre Tränen landen in meinem Schoß und sie vergräbt ihr schmerzhaft schönes Gesicht an meiner Halsbeuge. Ich kann mich nich bewegen, vielleicht bin ich ja doch gelähmt. Oder verliebt, is doch beides unheilbar und beschissen, um damit allein zu leben. Liebe is der Tumor im Herzen, der Musiker weich spült und mich zum Künstler macht.
»Es tut mir leid, ich hätte nicht gehen sollen, du bist schöner, wenn du lächeln kannst«
Fleht Shelby an meine Brust und ich spür, wie mein Herz mir durch die Rippen und die Beckenknochen rutscht, es fühlt sich beschissen an. Sie hat mich schön genannt. Ich fühl mich hässlich. Es gibt aber auch keine hübschen Krebsgeschwüre. Ich will's nich leugnen, ich bin eines. Meine Familie hab ich zerfessen und 'se dann wieder ausgespuckt. Ich zerstör Familien und Leben, darf ich mich vorstellen, mein Name ist Heroin und wir beide werden viel Spaß miteinander haben. So hat's sich damals bei mir vorgestellt, das Teufelszeug. Ach was, Heroin is Gott persönlich, als tödlich und von Ideologie gespickt. Ich glaub, ich muss schon wieder kotzen, hab ich doch seit fast zwei Tagen nichts mehr gegessen. Nur getrunken, grad genug, um zu überleben. Das Nötigste eben und ich bin noch immer hier in scheiß Neukölln.
Aber dennoch hat Shelby mich schön genannt. Das is dann wohl die verfickte Kunst, so abartig hässlich zu sein, dass mich einer hübsch findet, der ebenso am Arsch is, wie ich's bin, nur eben auf 'ne andere Art und Weise. Was für 'ne hässliche Kunst, ich muss 'se also beherrschen. Ich weiß noch, als man mir sagte, ich würde so heftige Dinge von mir geben. Das Leben is heftig. Das Leben is Wahnsinn. Nein wirklich, das Leben is Tollwut und durchstößt mein Hirn mit Schrauben. Ich wart schon immer vergeblich wieder auf Schmerz, wenn er grad sachter is und frag mich verzweifelt, was mein Kalkül is, während mein Über-Ich Suizid begeht und 'n Genozid draus macht. Irgendwie. Mein Über-Ich kriegt das schon hin, es is schließlich 'n Meister im Versagen.
»Mir tut's leid, ich liebe dich, Shelby. Wenn du meine Ruhe stören kommst, war's das Schweigen nie wert«
Es sind diese komischen Worte, die meinen Mund anstelle von Kotze verlassen und ich kann 'se nich wieder zurücknehmen, wenngleich ich's so verdammt gern tät, denn Shelby starrt mich mit ihren Smaragden im Schädel an und ich erkenn die Tränen, die in ihrem Fall kleine Kristalle sind. Wertvoll und selten. Sie streicht mir über die Wange und ich hätt schwören können, dass 'se eben noch gelächelt hat. Sie is so schön, warum hab ich ihr nur gesagt, dass ich 'se liebe? Ich hab doch nich den Hauch einer verfickten Chance bei ihr. Vielleicht is 'se ja auch gar nich real und doch bloß 'ne Einbildung meinerseits, diese verdammte Perfektion, die ich wahrscheinlich auch nur eingestochen hab, kann nämlich nich existieren. Bevor ich wieder durchdreh, lehnt 'se sich nach vorn und küsst mich.
»Ich bin nich poetisch veranlagt, deshalb stimme ich dir ganz plump zu. Verdammt, und ich liebe dich«
Scheiße, ich bin im verfickten Himmel und Shelby is doch real. Ich muss lächeln, als wär ich auf Koks, was ich um ehrlich zu sein schon lange nich mehr war, weil ich Kokain auf'n Tod nich ausstehen kann. Es macht mich dümmer, als ich eigentlich bin, doch mit Shelby werd ich irgendwie glücklich. Sie is meine Ersatzdroge, die mich nich zerfickt, sondern mich einfach bloß aufbaut. Jedenfalls red ich mir das gern ein, denn sie is doch real und nich nur 'ne scheiß Illusion meiner beschissenen Gedanken, die mich wie Kinder an der Nase herumführen und mich langsam aber sicher krank zu machen scheinen. Mir geht so ziemlich alles am Arsch vorbei, weil's mich schon immer stresste, mich mit mir selbst zu beschäftigen. Das war mir zu viel.
»Wir könnten doch 'n bisschen nach draußen gehen, was meinste? Du solltest an die frische Luft und Carnage muss ohnehin auch noch raus«
Schlägt Shelby vor und nimmt mich bei der Hand. Sie is doch irgendwo 'n Engel in 'ner scheiß Welt voller Dämonen und Arschlöcher. Das Leben is doch insgeheim für Drecksäcke und alle, die's werden wollen. Einzig und allein, wer lernen kann, mit den Funktionen des Lebens umzugehen, lebt richtig und nich umsonst. Ich hingegen leb doch irgendwie bloß dafür, um 'n schlechtes Vorbild für alle anderen zu sein. Ich seh doch schließlich, wie die Mütter in der Stadt ihren scheiß Kunden die Augen zuhalten, wenn ich vorbeikomm und mir wahrscheinlich grad 'n Schuss bei der Pestkönigin holen will.
»Warum nich? 'N bisschen frischer Teer in meinen Lungen würd ja nich schaden«
Mir fällt in der Tat erst jetzt so richtig auf, dass Carnage die ganze Zeit über still im Wohnzimmer gewartet hat. Worauf denn eigentlich? Darauf, dass ich endlich die scheiß Tür geöffnet krieg? Er is doch irgendwie 'n braver Hund, das lässt sich nich leugnen. Ich glaub, er würd sich für Shelby dermaßen in die Presche schmeißen, dass ich dagegen einfach nur abstinken würd. Recht hat er, auf 'n so verdammt guten Menschen wie Shelby sollt man Acht geben und ich könnt's wahrscheinlich nich, weil ich 'n Feigling sondergleichen bin. Manchmal hab ich Angst, ich könnt im Schlaf sterben, dann fällt mir allerdings wieder ein, dass es für mich keinen Sinn gibt, zu überleben, wenn mich ohnehin niemand so wirklich braucht.
»Ich find's irgendwie witzig, dass du immer von den schädlichsten Dingen das meisten brauchst, du bist schon 'n bisschen anders als die meisten Menschen, die ich kenne, Oliver«
Meint 'se, zieht mich sanft hinter sich her und pfeift ihren Hund zu sich. Nich, dass das überhaupt nötig gewesen wär. Seine gütigen, friedlichen Augen verflogen mich und ich kann das Gefühl nich abschütteln, dass er mich irgendwie gut leiden kann. Er beobachtet mich dabei, als ich Shelby in den Hausflur begleit. Diesmal fall ich nich die Treppe hinunter, denn ich halt mich an Shelby fest. Sie is meine Stütze und die Todeszone beleidigt.
In letzter Zeit fallen hier ziemlich viele Geständnisse, doch das ist in Ordnung. __Madame__Panda__ meinte neulich, ich solle Tonic nur Charlie wegen am Leben lassen.
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