45| Deliriumsgelaber №11 - Charlie

Stille.

Einatmen.

Ausatmen.

Irgendwer muss doch atmen.

Ich bin's wahrscheinlich wieder mal nicht, denn mein Herz schlägt nicht mehr. Jedenfalls kann ich's nicht hören. Es hat aufgehört, sich zu regen und die Hallus tanzen für mich. Tonic faselt nur noch Scheiße, ich weiß bloß, dass er den Arm um meine Schultern gelegt hat, ich kann's spüren. Die Kälte kriecht mir aus den Knochen, sie war schon vor meiner Geburt dort drin. Er hat mich aufgetaut. Nicht mit dem Fön, sondern eher irgendwie mit dem Dampfgarer. Meine Haut schmilzt mir weg und ich liebe es. Vielleicht. Ich bin mir nicht sicher. War ein doch noch nie. Ich bin die Unsicherheit in Person und obendrein auch noch hackedicht. Nur eine Sache weiß ich - Tonic is real und ich bin's auch.

Jedenfalls hoffe ich es, wo ich mir als kleines Kind doch immer irgendwelche Leute ausgedacht hab, die mich akzeptierten, wie ich bin. Eine dieser Personen begleitet mich teilweise bis heute und geht mir mittlerweile auf die Nerven, denn sie wird meist zu meinem Vater, wenn ich 'n gescheiten Rausch hab. Tonic scheint es offenbar nicht aufzufallen, aber das is auch besser so, ich will nämlich nicht in die verdammte Peinlichkeit geraten, vor ihm zu heulen. Mein Vater wollte schon nich, dass ich das tue, wenn er mich anfasst. Wenn ich bloß an ihn denke, wird mir kotzübel und der Scheiß von wegen bloß keine Träne vergießen wird schon wieder schwerer.

Stille.

Einatmen.

Ausatmen.

Ich kann nicht mehr atmen.

Tonic sieht mich von der Seite an, starrt durch mich hindurch und lasert mit seinen unergründlichen Augen die Wand hinter mir. Und ich sitz mal wieder nur da und saug Gerüche und Eindrücke in mich auf wie 'n Staubsauger. Da is irgendwo 'n Hauch von Flieder und Zitronenkotze, der mich dazu bringt, die Augen zu schliefen, ohne sie wieder zu öffnen. Wir beide sind Verlierer, doch zusammen können wir vielleicht gewinnen. Seltsam, wie hoffnungsvoll ich werden kann, wenn mir jemand etwas bedeutet. Zumindest so viel, wie einem widerlichen Junkie wie mir jemand etwas bedeuten kann. Es is wohl das Gelage dieser Tage,wie Øyriøn sagen würde.

»Weißt du, ich glaube, irgendwie ist mir schon länger so komisch, wenn ich dich sehe. Das könnten Komplexe sein oder Liebe, ich bin zu feige, um mich festzulegen«

Hör ich Tonic neben mir raunen, seine Stimme is kaum noch aus dem statischen Rauschen heraus zu erkennen, doch ich weiß ganz genau, was er da grad gesagt hat und ich will es mehr als nur wahrhaben. Ich dachte schon, ich sei dazu verdammt, auf ewig unglücklich und allein zu sein. Jetzt kann ich vielleicht mit jemandem zusammen unglücklich sein, wir sind doch beide irgendwie der Abfall der Gesellschaft, doch wir haben uns damit zurecht gefunden. Ehrlich gesagt hab ich's mit Freuden akzeptiert, zu 'ner Gesellschaft, die Vergewaltigungen nicht als welche anerkennt, hätt ich ohnehin nie gehören wollen. Vater hätte sich dran gefreut und Mutter erst recht. Die Beerdigung spielt vor meinem inneren Auge und meine Verwandten schreien mich an. Ich dreh langsam wieder durch und Tonic scheint's diesmal zu merken, denn er küsst mich auf die Wange.

Stille.

Einatmen.

Ausatmen.

Tonic liebt mich, alles ist gut.

Irgendwie sind die beiden schon niedlich zusammen. Denkt ihr, auch Tonic hat Traumata?

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