38| Seelenficker - Tonic
Wie er da liegt, sieht er fast schon wieder friedlich aus. Tot ist er nicht, meinte Hurensohn von einem Arzt, der mächtig angepisst war, weil er seinen fetten Arsch für einen überdosierten Junkie bewegen musste. Ich hasse diesen Kerl, doch er hat Charlie gerettet, also bin ich irgendwie dazu verpflichtet, ihm nicht den Tod andichten zu wollen. Dankbarkeit, was für ein seltsames, ekelhaftes Gefühl. Fast so schlimm wie die Liebe, die bei mir so gar nicht gezündet hat. Charlie lächelt beim Aufwachen, obwohl sein ausgepumpter Magen und die Infusionen in seinen dürren Armen unheimlich schmerzen müssen.
Was ist los mit mir, woher kommt diese verfickte Empathie? Es sollte mich nicht interessieren, was mit Charlie ist, denn ich bin der Größte und er ist nur eine zweitklassige Transe. Oder etwa nicht? Ja, ohne diese verkackte Operation wäre er noch immer unglücklich in einem Körper gefangen, den er nicht wollte und ich kämpfe mit dem Impuls, ihn zu umarmen. Ihn wissen zu lassen, dass er mir wichtig ist. Moment, wo ist meine verschissene Null-Toleranz hin? Komm zurück, du kleine Hure, du hast mich doch immer geleitet.
»Er scheint es gut überstanden zu haben. Wenn er sich im Laufe der Nacht nochmals übergibt, ist es ein gutes Zeichen. Passen Sie einfach auf ihn auf und nehmen Sie ihn wieder mit nach Hause«
Impft mir der Arzt müde ein und ich will ihm seine arrogante Fresse zu Brei schlagen. Er interessiert sich nicht dafür, was mit Charlie oder irgendwem sonst passiert und das hört man ihm an. Wirke ich auch so auf andere? Nein, niemals. Ich bin immerhin noch in der Lage, Mitleid zu heucheln. Warum auch immer muss ich mir vorstellen, wie dieser arschige Weißkittel einem Weib überbringt, dass ihr Kind bei der Geburt starb und sie dann auslacht. Das würde nicht einmal ich tun und ich hasse Kinder wie die Pest. Øyriøn meinte mal zu mir, ich solle aufpassen, mit wem ich es treibe. Nicht, dass ich noch Alimente zahlen muss. Ich schätze, das war zu der Zeit, in der ich mir von irgendeiner Gossenfotze einen scheiß Tripper geholt hatte.
»Nur, damit Sie es wissen, sein Zustand war sehr kritisch und Sie hätten hier auch allein rausgehen können, hätte Ihre glatzköpfige Freundin nicht so 'n Radau gemacht. Ich hab auch nicht viel übrig für Junkies wie Sie, also sehen Sie zu, dass Sie verschwinden«
Ich hätte ihn verlieren können. Je öfter ich diesen verfickten Satz in meinem Kopf wiederhole, desto mehr nimmt er mich von innen auseinander, obwohl der Arzt längst verschwunden ist. Wahrscheinlich ist das aber auch besser so, sonst hätte ich ihm garantiert doch noch die Fresse poliert. Charlie setzt sich langsam in diesem ekelhaft sterilen Krankenhausbett auf und entfernt präzise einen Schlauch nach dem anderen von seinem Arm, ehe er mich endlich ansieht und ich nicht weiß, was ich sagen soll. Weil ich kein besonders tiefgründiger Mensch bin, spucke ich allerdings das Erste aus, das mir einfällt, auch wenn es eigentlich offensichtlich ist:
»Du hattest eine verdammte Überdosis. War das Absicht? Wolltest du kleiner Arsch mich allein lassen?«
Charlie hievt sich aus dem Bett, er sucht nach den passenden Worten, ich erkenne es an seiner hektischen Gestik, wo er doch im Normalfall so ruhig ist. Scheiße, warum weiß ich denn so etwas? Achte ich wirklich so verfickt genau auf Charlie? Scheiß drauf, er steht zitternd vor mir und ich will nicht, dass er auch noch zu heulen anfängt, deshalb schließe ich ihn in die Arme. Er riecht nach Kotze, billigem Fusel und vor allem Tod. Ich kann seine scheiß Wirbel am Rücken spüren, sie liegen wie Perlen in meiner Hand. Das Heroin hat ihm einfach alles genommen und nichts gegeben. Wieso fällt mir erst auf, wie wenig noch von ihm vorhanden ist? Øyriøn ist außerdem noch einen verschissenen, tödlichen Tick dünner, wie funktioniert das eigentlich?
»Vielleicht wär's das Beste, würd ich draufgehen, ich zieh euch bloß runter«
Murmelt Charlie leise und kämpft sich gestresst aus meiner Umarmung, er kann es nicht gebrauchen, wenn ihn jemand anfasst. Ich weiß auch nicht, was es damit auf sich hat, doch er wird schon seine Gründe dafür haben. Auf der anderen Seite wüsste ich zu gern, weshalb ich überhaupt so verdammt viele Dinge über Charlie im Gedächtnis hab, für sich sonst kein Schwanz interessiert. Vielleicht, weil er mir ja doch auf irgendeine mir unerklärliche Art und Weise wichtig ist und ich es mir nicht eingestehen will, wie so verdammt oft in meinem Junkieleben.
»Sag das nicht, ich finde dich zum Beispiel nicht scheiße und jetzt lass uns endlich nach Hause gehen, dieses Krankenhaus deprimiert mich«
Entgegne ich und ziehe den völlig überforderten Charlie hinter mir her. So in etwa haben die Arschlöcher an meiner früheren Schule auch aus der Wäsche geschaut, als ich ihnen erzählte, ich hätte eine Lehrerin auf der Toilette geknallt. Leute wie diese scheiß Einfallspinsel lernen eben von den Besten und können all das trotzdem niemals wirklich erreichen, weil es ihnen an Mut fehlt. Charlie und ich stolpern stumm die Flure entlang, er schaut mich ab und zu ein wenig verwundert an, doch ich denke nicht daran, wegzusehen. Das tun zu viele Menschen, wenn sie Charlie in ihrer Gesellschaft haben. Ich hab bis jetzt eigentlich nicht einmal auf diese faszinierenden Augen geachtet. Weibern schau aus Prinzip in den Ausschnitt und Typen auf die Arme, in der Hoffnung, Makel zu finden.
»Was is eigentlich auf einmal los mit dir? Ich wusste nich, dass du auch nett sein kannst«
Feixt Charlie, als wir dieses verfickte Krankenhaus schließlich verlassen und boxt mir gegen die Schulter. Er hat keine Kraft, woher denn auch, wenn das Heroin ihn ausnimmt und sich an seiner zuckenden Leiche vergeht. Von weitem schon schließe ich meinen Wagen auf, einen alten Mustang, der sich seit Ewigkeiten in meiner Familie befindet. Und ich hab ihn bekommen, weil ich am meisten geschätzt werde. Dabei wissen meine Eltern und der Rest der Sippschaft nicht einmal, dass ich ein scheiß Drücker bin und nur für meinen eigenen Tod bleche. Deshalb will ich auch nicht, dass sie mich besuchen.
»Ich auch nicht. Ist wohl so eine Reaktion auf deine Nahtoderfahrung«
Spiele ich wie immer den wahren Grund für meine verschissene Besorgnis herunter und öffne die Beifahrertür für Charlie, der immer noch ein bisschen wackelig auf seinen dürren Beinen ist. Irgendwie erinnert er mich an dieses Model, das ich vor langer Zeit gefickt hab. Das war, als würde man eine scheiß Hundehütte begatten, in jeder Ecke Knochen. Wer findet das eigentlich schön? Mal abgesehen von den Arschlöchern, die sich einen drauf keulen? Ich ganz bestimmt nicht, allerdings hab ich auch einen völlig anderen Geschmack als die meisten anderen Typen. Charlie hebt die Augenbrauen, steigt aber dennoch wortlos ins Auge.
Er sieht so müde und erschöpft aus, als ich den schnurrenden Motor starte, zuckt er zusammen und ich muss lachen. Irgendwie tut er mir ja leid und ich klopfte ihm grinsend auf den Oberschenkel, ehe ich vom Parkplatz des Krankenhauses fahre. Charlie hat diesen Blick aufgesetzt, den ich nur draufhätte, würde mir irgendeine Fotze mein geliebtes Heroin stehlen. Meine große und einzige Liebe. Oder etwa nicht? Natürlich doch, keiner betrügt mich so treu, wie das Höllenzeug und ich leide Scheißqualen, doch ich liebe es zu sehr. Die alte Leier eben, das Problem hat jeder Fixer und weiß zugleich, dass er daran sterben wird. Ein bisschen wie Russisch Roulette, der Mist, aber was soll ich schon unternehmen? Ich will es ja gar nicht lassen und Charlie wahrscheinlich auch nicht, sonst hätte er sich keine Überdosis gesetzt.
»Hey, Charlie. Weißt du, was ein Auto und eine Frau gemeinsam haben? Nicht? Na, die wirklich Geilen schlucken ordentlich«
Den konnte ich mir einfach nicht verkneifen, irgendwie muss ich mich ja selbst aufheitern, wenn die gesellschaftliche Regel es mir verbietet, mir im Wagen einen von der Palme zu wedeln. Tatsächlich, Charlie lacht über meinen bescheuerten Witz, den dieser Arsch von Nachbar früher immer daher brachte. Ich fand ihn lange Zeit gar nicht lustig, doch jetzt, wo ich ihn endlich verstehe, muss ich ihn immer wieder erzählen.
»Und deins stirbt grad, so, wie's sich anhört«
Kommentiert Charlie besorgt und er hat verdammt nochmal Recht. Jetzt höre ich es auch, da ist ein leises, jämmerliches Wimmern zu meiner Linken und es fickt meinen Kopf, wo ich es bewusst wahrnehme. Es klingt, als hätte sich etwas im Inneren der Fahrertür gelöst, was ziemlich scheiße wäre, denn mein Mustang ist ein Erbstück, aber ich kenne da eine gute Werkstatt, die meine Karre seit jeher immer ambulant gerichtet hat. Hoffentlich verreckt mein Schrottkübel nicht vorher.
In diesem Kapitel ist Tonic fast sympathisch. Findet ihr, ich sollte ihn mit Charlie verkuppeln?
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