29| Knastmenschen unter sich - Dimmu
Als die Handschellen klicken, wird mir klar, dass ich der Klingelschlampe besser nichts hätte sagen sollen, denn sie hat hysterisch kreischend die Polizei gerufen und nun bin ich so ziemlich am Arsch. Dagmar Wiehland wandert jetzt mehr als sicher in den Bau, denn einer der Bullen hat gerade die verdammte Gefriertruhe geöffnet und würgt drauf los. Recht so, das ist 'ne Leiche, da darf man kotzen. Seine zwei Kollegen sind nicht minder schockiert.
»Sie widern mich an, wenn es nach mir geht, würde man den ganzen Junkieabschaum an die Wand stellen«
Murrt mir einer der Beamten hasserfüllt ins Ohr. Es ist der, der mich grob an der Schulter festzuhalten versucht. Ich widersetz mich nicht, bin ganz ich selbst und mein Speed verlässt mich langsam aber sicher wieder. Fast kann ich spüren, wie's aus meinem Körper fährt und all die verbliebene Energie mit sich mit. Mir wird schlecht, aber ich will mich nicht übergeben, das ist so meta, dass ich lieber sterben würde.
Der Beamte, der mich gern erschießen würde, wenn ihn das nicht um seinen überbezahlten Job bringen würde, flucht in seinen dichten, grauen Bart und ich bekomm das Gefühl, dass er einer von denen ist, der sich beim Mauerfall über die Menschenmassen beklagt hat. Und das is die scheiß Exekutive, die hier in scheiß Neukölln für Recht und Ordnung sorgt. Jedenfalls oberflächlich. Immer verhaften sie die Falschen.
Die Falschen und mich, denn ich bin eine Mörderin, das sehe ich ein. Dass ich dafür in den Knast gehör, lass ich mir auch noch gefallen, aber diese Affenscheiße von wegen an die Wand stellen kann er sich in die lichten Haare schmieren. Wichser. Fick dich, lass mich los und nimm deine schmutzigen Finger von meinem Arsch. Vergiss nicht, ich bin der Ekel. Der Wahnsinn, der dich zu Hause nicht mehr in Frieden lassen wird, denn Frieden ist nur der Mangel an Information.
»Als ich Andreas erschlagen hab, stand ich nicht unter Drogen, ich hab von ganz allein dazu entschieden, dieses wertlose Schwein mit der Pfanne zu bearbeiten«
Lach ich ihm entgegen und dreh den Kopf zur Truhe hin, wo ein junger, blonder Beamte gerade eine der Tüten aus dem Gewirr von Organen und Knochensplittern zieht. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, der Stift der Bullerei hält einen winzigen Teil von Andreas' Torso in seinen zitternden Händen. Er is so weiß um die Nase, doch ich bin nicht in der Lage, Mitleid für diesen kleinen Arsch zu empfinden.
Andreas rutscht ihm aus den Fingern und ich fange an zu grinsen, als er auf die Knie fällt und röchelt. Sein Kollege ruft irgendetwas von wegen, man solle mich endlich wegbringen durch den nach kaltem Blut und Hirnmasse riechenden Raum und hilft dem Jungen wieder auf. Ich kann noch sehen, wie er einen schicken Schwall in fast drei Aggregatzustanden durch die Luft kotzt. Natürlich find ich's ekelhaft, aber ich muss es wahrscheinlich nicht aufwischen. Wenn ich so darüber nachdenke, muss ich meine Wohnung bestimmt niemals wieder putzen.
»Sie sollten die Todesstrafe bekommen, Sie sind eine brutale Mörderin und gehören nicht nur hinter Gitter«
Belehrt mich der Bulle, der mir nicht mal meine Rechte vorgelesen hat, weil er garantiert denkt, dass ich mir keinen Anwalt leisten kann, als er mich Stufe für Stufe nach unten schubst. Ich würde jetzt gern stolpern und mir das Genick brechen, denn diese Freiheit, die ich mir da geschaffen hab, is doch echt für'n Arsch. An der Hand des Idioten blinkt ein goldener Ehering, dachte ich's mir doch. Nur wer verheiratet ist, kann solche Scheiße reden.
Er stopft mich ungelenk und fast etwas weniger gefühlskalt, als ich's mir erhofft hätte in die hässliche Karre mit dem blauen Lämpchen auf'm Dach. Ich sitze schier auf meinen Händen und die Handschellen schneiden mir unangenehm ins blutige Fleisch, aber das Polster unter meinem Arsch ist halbwegs gemütlich. Immerhin besser als die durchgesessene Couch, auf der ich geschlafen hab, wenn Andreas wieder zu besoffen war, um irgendetwas zu verstehen.
»Sie sind verheiratet und wahrscheinlich haben Sie auch Kinder, nicht wahr? In dem Fall würde ich mit solchen Aussagen aufpassen, denn ich hab Freunde hier in der Gegend«
Drohe ich mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen und die Tatsache, dass ich gelogen hab, stört ja auch keinen. Ich lebe für diesen geschockten Gesichtsausdruck, man könnte fast meinen, dem Bulle ist die Fresse eingefroren. Irgendwie muss ich jetzt an 'ne Eissorte denken, die ich hätte entwerfen können. Bulle am Stiel. Oder eine Kugel Leiche in der Waffel. Ach, ich wäre reich geworden.
Vielleicht hätte ich den toten Andreas auch an irgendeinen nekrophilen Arsch verkaufen können, die zahlen angeblich gar nicht schlecht. Die ganze Welt ist doch irgendwie voller Freaks und ich bin bloß einer von vielen. Was macht man so einen Aufruhr um diesen kleinen Mord? Jede Sekunde stirbt irgendein Mensch, der für niemanden irgendetwas ist, deshalb rückt auch nicht gleich die Polizei an.
Aber Andreas war schließlich ein Arbeiter. Einer, der den Kapitalismus am Laufen hält und keine Drogen konsumiert, um sich diese verschissene Welt etwas angenehmer zu gestalten. Er hat nur seine Frau geschlagen, doch weil sie manchmal Speed nahm, durfte er das. Schon klar, ich liebe dieses System, in dem wir zu leben haben und nach dem wir uns richten müssen, weil's uns sonst tötet. Es gibt nur eine Sache, die ich mehr liebe, als das System, nach dem diese Gesellschaft funktioniert und das ist der Sarkasmus, der meinem Leben einen Sinn gibt.
»Halten Sie den Mund, Sie sind verrückt und ich werde dafür sorgen, dass Sie das Tageslicht niemals wieder sehen«
Entgegnet der Bulle, doch ich kann die Angst in seiner Stimme deutlich hören. Was für ein verfickter Narr, als ob ich mich dran stören würde, wenn man mich einsperrt. Er hat wahrscheinlich vergessen, dass man selbst im Knast noch an irgendwelche Rauschmittel kommt und wenn man keine findet, baut man sich eben welche aus eigener Hand. So schwer kann das nicht sein, immerhin hab ich mir mal zeigen lassen, wie man aus gewöhnlichen Haushaltsmitteln Meth Amphetamin herstellt und das hätte auch ein Kind geschafft.
»Ja, das wäre nett von Ihnen. Wissen Sie, ich mag die Nacht sowieso viel lieber und wenn ich sie ohne Andreas verbringen kann, ist das, als würde ich den Himmel betreten«
Meine Stimme überschlägt sich an sich selbst und der Bulle lässt die Autotür zufallen, als hätte er mich gar nicht gehört. Schadel eigentlich, dabei hab ich ihm doch so schöne Worte gewidmet. Er soll's nicht wagen, mich anzufassen. Mit diesen Händen packt er auch seine Frau an, ist das zu fassen? Ich kann mir gut vorstellen, dass er einer von denen ist, die das Gesetz auswendig kennen und verdammt nochmal nach diesem überbewerteten Stück Papier leben.
Dabei will ich natürlich ganz ehrlich sein, ich hab auch schon den ein oder anderen Bullen getroffen, der meiner Meinung nach vollkommen in Ordnung geht. Dieser eine Kerl da zum Beispiel, dem ich mal vor Jahren irgendwo in 'ner alten Bar versehentlich mit meinem Bierkrug schier die Birne weich klopfte. Ich hab ihn nicht gesehen und den Krug fallen lassen, womit ich ihn am Hinterkopf getroffen hab. Er hatte diesen Freddy Mercury Gedenkbart und 'n Dauergrinsen.
Ganz ehrlich, ich würde ihn jetzt gern vor mir haben. Er sagte nichts zu dem Joint in meiner Hand, obwohl er gerade dabei war, einen Dealer zu verhaften. Im Gegenteil, er wünschte mir viel Spaß und einen schönen Abend, bevor er einen armseligen Wichser in Handschellen legte. Dieser armselige Wichser war mein damaliger bester Freund Gabe und ich hab ihn seitdem nicht wieder gesehen.
Irgendwie hab ich aber die Hoffnung nicht aufgegeben, dass ich ihn nach langer Zeit endlich nochmal treff, wenn ich demnächst hinter schwedische Gardinen komm. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass es für mich keinen Ausweg gibt. Ich bin schließlich nicht prominent und kann mich nich von 'nem Mord freikaufen. Eigentlich weiß ich nicht mal, ob ich das überhaupt gewollt hätte. Das würde sich bestimmt nicht verdient anfühlen und ich bin auch nicht so niederträchtig, als dass ich meine Verbrechen nicht einsehen würde.
Tonic würde garantiert nicht verneinen, hätte man ihn angeboten, ihm etwas Geld abzuzwacken, denn ich denke, seine Freiheit is ihm seine Klöten wert. Deshalb kann er auch bei keiner Frau bleiben. Entweder das, oder der Arsch hat irgendwelche Komplexe, die ich mir gern ergründen würde. Langsam schließe ich die Augen und rufe mir meine Junkiefreunde ins Gedächtnis, dabei tanzt der Teufel wieder und der Wagen setzt sich scheinbar in Bewegung. Das, oder ich bin noch 'n bisschen high.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top