28| In Terror lieb - Øyriøn
Der Geruch von erkalteter Kotze und in Jack Daniels getauchter Rauch weckt mich und ich könnt schwören, ich hab grad Gott in der Todeszone getroffen. Sie is schwarz, wusste ich nich. Woher denn auch? Ich hätt nich mal gedacht, dass Gott überhaupt existiert. Von wegen beten und alles wird gut. Am Arsch, ich könnt mir'n verficktes Loch in meinen dichten Schädel beten und die Welt würd dem Chaos mit derselben Geschwindigkeit entgegenkommen.
Meine Gedanken sind Terror und meine Organe veranstalten 'nen Krieg in mir, doch das Heroin is stark. Wie Deutschland im Zweiten Weltkrieg und meine Innereien sind Frankreich. Vielleicht is mein Leben doch bloß 'n Haufen Scherben, auf den Überresten meiner Wünsche liegend und ich ras meinem Zenit entgegen. Meinetwegen, die Welt soll brennen und ich will der Flammenwerfer sein.
Das hier is gar nich meine Wohnung und vor mir auf'm Boden hockt schon wieder dieser komische Köter. Er sieht auch ohne seinen scheiß Maulkorb zum Fürchten aus. Irgendwie hat er nichts Animalisches an sich, da is nur diese unergründliche Weisheit in seinen wachsamen Augen, von denen ich träumen könnt. Gehört das Vieh nich Shelby? Ich muss denken und komm zum Schluss, dass das grad nich geht.
Erbrochenes kitzelt meinen Gaumen, doch ich würg's einfach wieder runter, ich bin nämlich von 'nem rotem Teppich umgeben und will den nich unbedingt vollreihern. Ich bin schön gescheitert und nie wieder aufgestiegen, wie alle verfickten Drücker hier in scheiß Neukölln. Was mich noch zum Lächeln bringt, is Terror, weil's mich freut, wenn ich seh, dass ich nich der Einzige bin, der leidet. Ich hab so 'n sechsten Sinn für Zerstörung und wenn ich 'se mit eigenen Augen seh, geht's mir besser.
Scheiße, woran soll ich mich sonst erfreuen? Ich weiß doch, dass ich aktuell mehr tot als lebendig bin und das is 'n beschissenes Gefühl. In Gedanken seine eigene Beerdigung zu planen, is echt der letzte Scheiß, aber ich glaub fast, ich würd mich gern in 'ner Kanone durch die Gegend schießen lassen. Wär doch 'ne lustige Idee und der, der meinen Schädel fängt, stirbt als nächstes. Wie bei 'ner Hochzeit nur wesentlich besser.
Ich weiß, dass ich sterbe. Mir geht's auch nich besonders gut. Meine Leber funktioniert nich mehr so, wie 'se eigentlich sollt und ich kotz die ganze Zeit Blut. Manchmal kommen schon ganze Fleischstücke mit und ich müsst wahrscheinlich lachen, würd ich bald mal 'n komplettes Dopeorgan hochwürgen, denn zum Heulen bin ich in letzter Zeit echt zu lethargisch. Allein der Gedanke ans Aufstehen is mir 'n Arschrunzeln zu viel.
Das Heroin hat so lang mit mir gekämpft und mir 'n Gefühl von Perfektion eingestochen. Jetzt is es dabei, sich gegen mich zu wenden und das kotzt mich einfach verfickt nochmal an. Ich denk, Layne Staley hat's irgendwann vor zu langer Zeit so oder so ähnlich gesagt. Er war doch auch 'n Drücker. Einer von diesen Arschlöchern, die nur für ihren eigenen Tod bezahlen. Doch eigentlich tut's die ganze Menschheit.
Wir sind irgendwie alle zu beschäftigt damit, unser persönliches Grab zu schaufeln, mit unserer Arroganz und fehlenden Verantwortung, als dass wir uns mal für 'n paar Minuten nich zwanghaft systematisch abschlachten würden. Und solange wart ich. Dabei frag ich mich insgeheim, worauf und ich stell fest, dass es mich enttäuschen könnt. Deshalb hab ich aufgehört zu warten, weil das Leben 'n Haufen Scheiße voller Enttäuschungen und ungelebter Hoffnungen is. Dafür hab ich keine Zeit.
Es gibt doch gar nichts zu verpassen, deshalb lieg ich die ganze Zeit in meiner eigenen Kotze und fix mir die Welt zurecht, damit ich 'se besser ertragen kann. Der riesige Köter würd's mir bestimmt gleich tun, hätt er Daumen, denn er wirkt, als wüsst er, wie die Welt funktioniert. Ich mag ihn irgendwie, er schnüffelt an meiner Hand, die auf meinem verstochenen Oberschenkel liegt. Die Jeans hat 'n dreckgetränktes Loch am Knie und is schon sieben Jahre alt.
»Du bist wach, ich dachte, du hättest 'ne Überdosis. Passiert ja bei euch ab und zu mal. Freut mich aber, dass du nicht verreckt bist. Carnage scheint dich auch zu mögen«
Hör ich Shelby und ich will diese Stimme heiraten. Als einzelne Person wär 'se ja schon perfekt, aber der Klang, mit dem 'se spricht, is so viel mehr Rauch und Tabak, als tatsächliche Stimme und lässt auf Teer schließen. Kommt mir bekannt vor, ich rauch in letzter Zeit so viel, dass ich meine Lungen spenden könnt. Für Schlaglöcher und so. Das is doch auch die Art, wie ich mit meinem Körper umgeh. Der is ja nichts wert, weil an dem nichts mehr funktioniert.
Shelby setzt sich neben mich und mein Magen schlingt sich um mein verficktes Junkieherz. Sie hat 'ne winzige Narbe über der Oberlippe, die mir davor gar nich aufgefallen is. Im Grunde genommen is 'se die gesplitterte Form der Perfektion. Schön, eben weil 'se so überhaupt nich perfekt is und es auch nich versucht. Doch wer nennt seinen Hund Carnage, wenn er offensichtlich nich beißt? Ironie vielleicht?
»Carnage? Wie der Song von Mayhem? Das is 'ne süße Idee, seinen Köter so zu nennen«
Bemerk ich deshalb und Shelby grinst zurück. Sie stellt 'ne Tasse vor mir auf den Tisch, ich sitz doch tatsächlich auf 'ner Couch, die mir keine Sprungfeder in den knochigen Arsch rammt. Die Wohnung sieht allgemein besser aus als meine's je getan hat, aber ich bin auch das Gewaltverbrechen an der Menschheit und muss mich auf Zerstörung und Zerfall manifestieren, weil ich daraus entstanden bin. Wenn ich eines Tages sterb, wird die Welt hinter mir in Flammen aufgehen und ich werd drüber lachen.
»Du kennst Mayhem? Deren jetziger Sänger is der letzte Rotz, aber Dead fand ich ziemlich gut«
Erwidert Shelby, ihr Irokese steht langsam nich mehr und meine Organe versuchen sich noch immer von meinem vergifteten Körper loszusagen. Mir soll's recht sein, ich brauch 'se nich, denn sie machen mich schwach und menschlich, was ich nich sein will. Menschlichkeit is bloß 'n Synonym für Scheiße und ich will nich sein, was in Wirklichkeit zu mir passt, weil ich mich schon nich aushalt, wenn ich etwas sein kann, das ich eigentlich nich bin.
»Seine Stimme war der Schmerz der Welt und ich wünschte, er wär nie erwacht. Allerdings hätt man ihn irgendwann eingewiesen und Künstler müssen depressiv sein«
Das sind Worte, die mir einfach einfallen und über meine spröden, blutverkrusteten Lippen springen, ohne meine Erlaubnis zu haben. Allerdings läuft 'ne Unterhaltung mit mir nun mal so. Ich muss mich übergeben und form die flüssigen Kotzbrocken zu fester Materie, die sich dann in Worte setzen und die Menschheit schockt. Auch bin ich kein Gutmensch, der sich für alle das Beste wünscht.
Leute wie Dead von Mayhem haben's verdient, bis an ihr Lebensende tragisch zu sein, weil's das war, was ihn glücklich machte. Genauso, wie man als Drücker irgendwann nur noch süchtig nach der Sucht an sich is und die Dosis einem gar nichts mehr bedeutet. Man will immer mehr vom Gift und verreckt, weil die Dosis zu niedrig war. 'Ne Überdosis gibt's nich, jedenfalls nich beim Heroin. Man kann sich eine setzen, aber nie genug davon haben. Nur das Leben langweilt und Heroin is der Terrortod, der immer spannt.
»Glückliche Menschen machen meist echt beschissene Musik, du musst den Schmerz hören, den sie beim Aufnehmen gelitten haben. Deshalb mag ich Silencer und von Mayhem hör ich bloß noch das Zeug, in dem sich Dead verausgabt hat«
Shelby stimmt mir zu, das is komisch. Ich hab noch keinen erlebt, der mich deshalb nich für 'n Psychopathen erklären will, was ich ja auch eigentlich gar nich bin. Ich wär eher als schwarzmalerischer Poet einzuordnen und ich hab irgendwie großen Spaß dran, den Leuten mit meinem Gerede den Tag zu vermiesen. Scheiße, ich bin 'n miserabler Mensch, weil ich's genießen kann, wenn einer leidet.
Ich schließ kurz die Augen und als ich 'se wieder aufschlag, seh ich an der Wand gegenüber für 'n Moment 'ne Tote am Deckenventilator hängen. Sie kreist dort einfach und ich weiß nich, wer 'se is, doch sie is ohnehin grad damit beschäftigt, zu verblassen, also stört mich ihre Anwesenheit nich mehr und ich dreh mich wieder zu Shelby. Sie lächelt immer noch und scheint mich zu analysieren.
Ihre Augen sind so schön, als hätt irgendwer ihr Smaragde in den Schädel gedrückt und ich fühl mich krank, weil ich mir wünsch, derjenige gewesen zu sein. Carnage hat sich hingelegt und denkt wahrscheinlich drüber nach, was die Menschheit dazu bringen wird, sich 'n zweites Mal fast auszurotten. Ja, ich glaub fest dran, dass Tiere denken, immerhin fühlen 'se doch auch und das weiß ich, seitdem mein alter Herr mal 'n Pferd angefahren hat. Ich kann noch heut hören, wie's schier drum fleht, erschossen zu werden.
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