16| Zusammen kaputtgefixt - Øyriøn
»Na, du alter Bastard? Lange nicht gesehen, miserabel siehst'e aus, mein Freund«
Grüßt mich Charlie und umarmt mich stürmisch. Um's mal ganz vorsichtig auszudrücken, mir geht's auch nich so prickelnd. Shelby hab ich immer noch nich vergessen können. Wie denn auch, verfickt noch eins? Ihr blauer Irokese verklebt meine Gedanken wie die scheiß Zuckerwatte vom jährlichen Volksfest, das ich schon lang nich mehr besuch, weil meine Schwester dort mit ihren Freunden hingeht und ich 'se nich sehen will.
Aus meinem Leben soll ich mal was machen, meint 'se immer und vergisst dabei ganz töricht, dass mein alter Herr ihr alles Geld, das 'se nötig hat, in den Arsch schiebt, damit 'se vor ihren Freunden angeben kann. Ich könnt wetten, sie wär nich mal halb so beliebt, wär mein Alter nich so spendabel. Die Wohnung zahlt er mir eigentlich auch bloß, damit ihn keiner fragt, warum sein Sohn auf der Straße lebt, wo er doch 'n verfickten Abschluss hat.
Tja, manchmal is das Leben halt 'ne hundsgemeine Tretmine und sprengt dir den Boden unter den Füßen weg. Mir hat's auch gleich die Beine mit weggerissen und ich zieh mich jetzt auf den fortwährend blutenden Stümpfen durch 'ne sich gegenseitig bekriegende Welt, jedenfalls sprichwörtlich. Äußerlich fehlt's mir ja an nichts, wenn man die gelben Augäpfel nich sieht, aber innerlich bin ich 'n Schlachtfeld.
Ich bin sowohl der Austragungsort eines interdimensionalen Kriegs, als auch der Soldat, der sich selbst verstümmelt, um nach Hause geschickt zu werden. Doch zu Hause wartet niemand auf mich. Weder Frau, noch Kind und schon gar nich Shelby, die Punkprinzessin, wie ich 'se jetzt immer liebevoll nennen werd. Irgendwo bin ich der Feind, den's zu bekämpfen gilt und der Arsch, der ihn abknallen muss.
Wahrscheinlich könnt ich mich hier in ewigen verfickten Metaphern verlieren, aber ich hab schon wieder höllische Kopfschmerzen, weil's mir zu lang ferngeblieben is, das liebe Heroin, das dir immer zuerst gibt, bevor's dich fickt, ausnimmt und sich verpisst, in 'nem täglichen Kreislauf. Ich sag's einfach mal so; ich kämpf seit Jahren gegen mich selbst und schieß mir dabei ins Knie.
Man könnt denken, ich manifestier mich, aber eigentlich lös ich mich in meine Einzelteile auf und alles, was irgendwann von mir übrig bleibt, is 'n Feuerzeug, 'n über die Zeit matter Löffel und 'n paar Strähnen meiner Haare. Langsam merk ich, wie 'se ausfallen, bestimmt hab ich bald so 'ne Landebahn für Flugzeuge auf'm Hinterkopf, dann jag ich mir aber 'ne Kugel durch 'n Schädel, denn darauf hab ich echt keine Lust.
»Hab mich auch bloß an dir orientiert, du Wichser«
Geb ich patzig zurück und lös mich wieder von Charlie. Ich mag's nich, wenn er mich festhält, das hab ich noch nie gemocht. Es is ja schon schlimm genug, wenn man hinter mir die Tür schließt, da hab ich immer das Gefühl, ich werd jetzt verrecken. Natürlich würd ich bloß dran sterben, dass ich lebe, aber auch das wär mir schon irgendwie zuwider. Das hat nichts damit zu tun, dass Charlie jetzt 'n Kerl is, ich kann's auch bei Dimmu kaum über mich ergehen lassen.
»Heute bist'e aber schlecht drauf, willst'e nichts von meinem Zeug? Ich muss nicht mit dir teilen, hab mich freiwillig angeboten«
Motzt Charlie, aber ich seh das verschmitzte Grinsen auf seinen vollen Lippen, mit so 'nem scheiß Bart wirkt er noch eher wie 'n Kerl und das deprimiert mich fast 'n bisschen, weil ich keinen Bartwuchs hab, wahrscheinlich hab ich den von meiner Mutter geerbt. Besser so, ich will nich die kleinste Winzigkeit von meinem Alten an mir haben. Jedenfalls nich äußerlich, dass ich seine scheiß Gene in mir trag, das kann ich leider nich ändern, aber ich will nich so 'n Typ sein, der ständig dran erinnert wird, wie ähnlich er seinem Vater sieht.
Mein älterer Bruder is so einer, der is einfach 'ne scheiß Kopie von meinem Alten und ich möcht ihm die Fresse zu Brei schlagen, wann immer ich ihn seh. An Weihnachten muss ich mich besonders schwer zusammenreißen, weil er mich jedes verfickte Mal fragt, ob ich immer noch 'n Drücker bin, wenn er für 'n paar Sekunden nich von seinem rotznasigen Sohn erzählt. Ich stell ihn mir dann stets mit 'nem Fischkopf vor, anders könnt ich an Weihnachten nich lächeln.
»Doch, ich hab's nötig. Für 'n richtigen Hit würd ich mich jetzt auf'n Strich stellen«
Warum auch immer realisier ich mal wieder viel zu spät, was für eine gerührte Scheiße ich da grad von mir gegeben hab und würd jetzt gern vor Scham im vollgekotzten Boden verschwinden, denn ich hab mal irgendwo von irgendwem gehört, Charlie würd 'n bisschen auf mich stehen, weshalb's nich so schlau wär, irgendetwas vom Strich zu reden.
'N guter Kumpel, der letzten Monat gestorben is, hat sich dort immer sein Geld beschafft. Allerdings nich bloß das, sondern auch AIDS und keine Woche später hat der alte Sack 'ne ausgewachsene Lungenentzündung bekommen. Verreckt is er dran und zwar elendig. Ich muss es ja wissen, denn ich hab neben ihm gesessen, als ihm das Leben aus'm Körper kroch und sich durchs Fenster stahl.
Er war nich der erste Mensch, dem ich beim Verrecken zugesehen hab und irgendwie hab ich grad das Gefühl, er wird nich der Letzte sein. Welchen Sinn macht das überhaupt? Geboren werden, wenn man ohnehin das verfickte Wissen im Nacken hat, dass es in absehbarer Zeit wieder vorbei is und man binnen weniger Monate vergessen wird? Das is doch der Beweis, es gibt keinen Gott.
Is er doch irgendwo da draußen, is er auch bloß ein undankbarer Wichser, der sich wie 'n kleines Kind verhält, dem man die Süßigkeiten gestohlen hat. Völlige Scheiße, find ich, wenn ich ehrlich sein soll und auch dann, wenn ich besser lügen sollt, werd ich das sagen, denn ich bin ein unverbesserlicher Pessimist, der mit fettem Trotz auf der Stirn die Welt verbessern möchte.
Wahrscheinlich wollen wir das doch alle bloß. Die Welt auf unsere eigene Art und Weise verbessern, doch die Welt is und bleibt 'n Hurensohn, dem man's einfach nich recht machen kann. Wenn ich's mal so betrachte, sollt ich vielleicht besser dabei helfen, die Erde unter meinem hässlichen Junkiearsch wegzusprengen und anschließend 'ne höllische Party im ewigen Vakuum zu organisieren.
Zu blöd nur, dass ich das nich will, weil ich zum Einen stur wie 'n scheiß Esel bin und zum Anderen schon immer gegen alles arbeite, das von meinen beschränkten Mitmenschen als gut angesehen wird. Jedenfalls fast alles. Für mich macht's keinen Sinn, jemanden auszuschließen, weil er anders is, ich bin ja selbst nich so, wie man mich gern hätt. Vielleicht bin ich auch einfach dumm und versteh nich so richtig, wie diese scheinheilige Gesellschaft das unter sich regelt.
»Vertrau mir, so durch bist nicht mal du, jetzt setz dich schon, oder willst du auf ewig hier stehen?«
Charlie klopft mir aufmunternd auf die Schulter, als er noch Charlotte hieß, hatte er nich so 'ne höllische Kraft, das is wirklich seltsam, aber ich hab keine andere Wahl. Ich brauch 'n Hit, da muss ich wohl oder übel hierbleiben, obwohl die ganze Bude nach Frittenfett und auch 'n bisschen nach Kotze müffelt, wobei letzteres mich gar nich so sehr stört.
Fast hätt ich die schwarze Katze mit meinem Junkiearsch plattgewalzt, als ich mich auf die durchgewetzte Couch fallen lassen will. Zum Glück springt das Vieh gerade noch rechtzeitig wieder auf und sucht sich 'n Platz woanders. Auf der Fensterbank wär noch 'n wenig Freiraum, aber Katzen sind ja bekanntlich sehr heikel und es interessiert mich eigentlich 'n Scheiß, was der kleine Fellball tut, solange ich heut noch 'n Schuss aufgekocht krieg.
»Ich glaub, du wärst der einzige Mensch, von dem ich mir gern AIDS holen würde, Øyriøn. Nimm's dir zu Herzen, das is was Besonderes«
Manchmal is es 'n wenig ekelhaft, Charlie beim Reden zuzuhören, weil er immer über Dinge nachdenkt, von denen ich nichts wissen will und ich wühl dann und wann in meiner Kotze herum, weil ich die Schlüssel verschluckt hab und nich anders in die Wohnung komm. Irgendwo sind wir beide auch bloß widerwärtige Arschlöcher.
Wie die gesamte Menschheit, die mich umgibt und langweilt. Ja, all diese Leute da draußen, die sich für einen verfickten König der Neuzeit halten, sind auch nur kleine, unbedeutende Kotzbrocken in einer großen, interdimensionalen Toilettenschüssel und irgendwann drückt einer die Spülung. Das wird schön, jedenfalls hoff ich das. Vielleicht hab ich's dann gar nich mehr nötig, mich zuzuknallen, um glücklich zu sein.
Während ich noch so darüber nachdenk, bindet Charlie mir süffisant grinsend den ohnehin schon verstochenen Arm knapp über dem Ellenbogen ab und lässt die Augen für einen Moment auf den alten, nässenden Einstichen ruhen. Ja, verdammte Scheiße, ich bin bereit für den Himmel. Mach mich kaputt und jag meine Scherben durch den Mixer.
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