Mitleid

Serena beobachtete Tristans Fall mit einer Mischung aus Enttäuschung und Zufriedenheit. Er hatte sie gejagt, in seinen Augen hatte das Versprechen geglommen, niemals aufzugeben, bis er sie erhascht hätte. Sie hatte seinen Freund getötet, ihn der eiskalten See geopfert, um deren Griff für wenige Tage zu entkommen.
Er konnte das nicht verstehen. Wie sollte er auch? Die Menschen würden nie verstehen, was es bedeutete, eine Nixe zu sein. Ein Leben voller Qualen, Entbehrung und einer wahnwitzigen, unerfüllbaren Hoffnung.
Die Trümmer des Wolkenschnitters verteilten sich auf der Wasseroberfläche wie Schnee, der in schweren Flocken vom Himmel fiel. Ob ihr Häscher von ihnen erschlagen wurde? Oder war das Schicksal ungnädig mit ihm und ließ ihn in ertrinken, statt ihm einen schnellen Tod zu gewähren? Serena hatte darüber nachgedacht, ihm den letzten Kuss auf die Lippen zu drücken und ihn sanft in die Tiefe gleiten zu lassen, sich ein paar weitere Tage echten Lebens von ihm zu nehmen, doch ihr war die Lust daran vergangen, als sie seinem Blick begegnet war. Es hatte mehr als Zorn darin gelegen, blanker Hass über den Mord an jemanden, der ihm wohl über alle Maßen wichtig gewesen war.
Sie stieß einen melodischen Seufzer aus und sah zur Seite. Der Kraken verschwand blubbernd in den Tiefen, brachte sich vor dem Unbill der tosenden See in Sicherheit. Auch Serena tauchte kurz unter, als ein weiterer Brecher auf sie zuraste. Ein Blitz erhellte das Wasser um sie herum, offenbarte die Umrisse der Metalltrümmer, die das Schiff von sich gestoßen hatte.
Sie blinzelte, als sie unter ihnen die eines Menschen ausmachte. Ihr Verfolger rührte sich nicht. Entweder er war tot oder bewusstlos. Mit flinken Flossenschlägen paddelte sie ihm entgegen. Sie konnte ihn nicht einfach so sterben lassen, wenn noch Leben in ihm war. Nicht auf diese grausame Art und Weise.
Ein flüchtiger Puls offenbarte sich unter seiner Haut, als sie seinen Hals befühlte. Serena stieß erschöpft die Luft aus. Vielleicht sollte es so sein. Sie spitzte ihre Lippen und legte sie sanft auf die seinen. Nur ein Kuss und er wäre von seinem Leid erlöst. Sie nähme ihm nichts außer das Leben, das ohnehin in den nächsten Minuten endgültig aus ihm schwände.
Doch sie konnte es nicht. Immer wieder blickte ihr sein leidgeprägter Blick in ihren Gedanken entgegen. Sein Kampf um das Überleben war von beneidenswerter Leidenschaft gewesen. Unzählige Male hatte er auf der Kippe gestanden. Sie erinnerte sich keines Menschen, dem sie bisher begegnet war, der sich so vehement gegen das Ende gestemmt hatte.
Sie atmete tief ein und blies ihm die rettende Luft in die Lungen. Seine Mühen sollten nicht vergebens gewesen sein. Er sollte die Möglichkeit erhalten, zu leben. Mit kräftigen Flossenschlägen kam sie an die Oberfläche. Eine Welle drückte sie zur Seite, hob sie empor und schlug über ihr zusammen. Es fühlte sich an, als würde ihr ein riesiger Hammer auf den Kopf geschlagen. Für einen Moment schwebte sie reglos im Wasser, das um sie herum sprudelte und zischte. Blinzelnd vertrieb sie die Schwärze vor ihren Augen, rieb sich den Kopf und hielt in dem Chaos aus Blubberblasen und Schaum Ausschau nach ihrem Schützling. Er war ein gutes Stück von ihr abgetrieben geworden und sank dem Meeresgrund entgegen.
Sie bereute ihre Tat jetzt schon, fürchtete, dass der Versuch ihn zu retten, am Ende ihr eigenes Leben kostete. Eilig schwamm sie auf ihn zu, packte ihn unter den Armen. Sie sah nach oben, wartete eine günstige Gelegenheit ab und tauchte empor, als der Wellengang sich ein wenig beruhigt hatte.
Ihre Lungen brannten wie Feuer, kaum atmete sie die Luft an der Oberfläche ein, was im Gegensatz zu dem tauben Gefühl in ihrem restlichen Körper stand. „Lebst du überhaupt noch?", fragte sie den Mann in ihren Armen, der nur reglos den Kopf hängen ließ. Sie hauchte ihm erneut Luft ein, wieder und wieder, bis ihre Lungen sich vor Schmerz so zusammenzogen, dass sie den Kopf unter Wasser tauchen musste.
Seine Lippen hatten ein ungesundes Blau angenommen, die Haut hatte ihre gesunde Bräune eingebüßt und war leichenblass geworden. Sein schulterlanges, schwarzes Haar hing ihm wirr über sein kantiges, männliches Gesicht. Sie strich ihm über die Wange. So friedlich, wie er in der Umarmung seines Todes nun dalag, wirkte er auf eine schwer zu beschreibende Weise wunderschön und verletzlich. Seine leicht geöffneten Lippen zeigten nichts mehr von dem grimmigen Hass auf sie, ließen höchstens noch den tiefen Verlust erahnen, den sie ihm zugefügt hatte.
Sie legte ihre Wange an seine Lippen und horchte. Es fiel ihr schwer, das donnernde Gewitter über sich, das Rauschen des Wellengangs und den plätschernden Regen auszublenden, sich nur auf das kribbelnde Gefühl zu beschränken, das sein schwächlicher Atem auf ihrer Haut auslöste.
Er lebte. Sie wusste nicht, ob sie sich darüber freuen oder es betrauern sollte. Die Last der Verantwortung, diesen Funken am Glühen zu erhalten, lag schwer auf ihren Schultern. Sie schwamm mit kräftigen Flossenschlägen, wich hohem Wellengang aus und musste zwischendurch immer wieder den Kopf untertauchen, wenn die Luft an der Oberfläche, die sich wie Lava in ihren Lungen ergoss, ihr den Atem nahm.
Hier oben fehlte ihr die Orientierung. Der Wellengang nahm ihr die Sicht und der Sturm wehte ihr langes Haar ins Gesicht. Der Tag hatte sie erschöpft. Sie sehnte sich nach der Lagune, in der sie für gewöhnlich zur Ruhe kam. Wo das Wasser weit wärmer war als hier, keine Gefahr drohte und sie für einen Moment das Gefühl hatte, ihr Leben sei nicht ganz so erbärmlich, wie sie sich gerade fühlte.
Eine klamme Furcht packte sie. Sie hatte tatsächlich überhaupt keine Ahnung, wo sie war. Womöglich hatte sie längst das Revier von Haien und Seeschlangen betreten, lockte ihr betörender Duft die Räuber an und sie befand sich hilfs- und orientierungslos an der Oberfläche. Doch wenn sie abtauchte, riskierte sie sein Leben.
Sie stieß einen Fluch aus. Wieso hatte sie ihn auch retten müssen? Ihre Kräfte erlahmten mit jedem Flossenschlag. Ihre Arme schmerzten davon, ihn ständig einem Kind gleich zu halten. Eine glatte, hohe Welle rollte heran. Sie schwamm hinauf, nutzte die Höhe, um sich umzusehen. Doch ihre Hoffnung, in der Entfernung die Klippen und Hügel Dämmertals auszumachen, wurden jäh enttäuscht. Sie waren weit vom Festland entfernt, inmitten des unendlich weiten Ozeans. Wenn sie jetzt in die falsche Richtung schwamm, würde sie womöglich in Gebiete vorstoßen, die ihr gänzlich unbekannt waren.
Mit brechender Stimme sang sie ein Klagelied, ein Ruf um Hilfe, doch es wurde vom Sturm nahezu gänzlich geschluckt. Eine Weile harrte sie aus, hielt sich und ihr Mündel einfach nur über der Oberfläche, doch keine ihrer Schwestern näherte sich.
Die Wellen trieben sie unentwegt weiter. Mit jeder verstreichenden Minute bewegte sie sich in eine unvorhersehbare Richtung. Das Gewitter über ihr nahm an Stärke zu, Blitze zuckten vom Himmel und schlugen glücklicherweise weit weg von ihr in die Wasseroberfläche ein. Es war lange her, dass sie sich das letzte Mal vor dem Tod gefürchtet hatte. Damals war ihr der Gedanke noch nicht so schlimm vorgekommen. Sie hatte die sieben glücklichen Lebensjahre des Kindseins gerade erst hinter sich gebracht und das Grauen der Existenz als erwachsene Nixe war wie Hagel über sie hereingebrochen. Sie hatte es sich beinahe gewünscht, zu sterben. Lieber darauf gehofft, ewig Kind zu sein, als sieben weitere Jahre durchzustehen, bis sie erlöst wurde. Doch jetzt, nach vier langen, quälenden Jahren, fürchtete sie, dieses Martyrium erneut zu durchleben.
Sie besah sich das schöne Gesicht des Manns, den sie gerettet hatte, fuhr ihm mit dem Finger über die eiskalten Lippen. Bald wäre er erfroren. Es machte keinen Unterschied mehr. Ihr Mund näherte sich dem seinen. Das Letzte, was sie für ihn tun konnte, war es, ihm einen schönen Tod zu geben. Einen Moment der Liebe und des Danks für die wenige von Qualen befreite Zeit, die er ihr damit schenkte.
Ein Blitz zischte knapp neben ihr vom Himmel herab ließ die See aufsprühen. Geblendet wich sie zurück, flatterte eine Weile hilflos umher und hielt verkrampft den Mann in ihren Armen an sich gedrückt. Als sich das Weiß vor ihren Augen lichtete, sah sie durch das Tal zwischen zwei Wellen eine Insel vor sich.
Ein Freudenschrei entstieg ihrer Kehle und sie nahm ihre letzte Kraft zusammen, um darauf zuzuschwimmen. Je näher sie kam, desto größer erschien ihr das Eiland. Es böte ihm genug Platz, um zu leben, ein Feuer zu entzünden und früher oder später gerettet zu werden. In der Zwischenzeit würde sie sich eine neue Heimat suchen, fernab Dämmertals, auf dass der junge Mann sie nie wieder fände und früher oder später seine Suche aufgab.
Ein weiter, malerisch schöner Sandstrand, der sich bis tief ins Landesinnere zog, offenbarte sich ihr. Sie schwamm so weit, bis das Wasser nur noch knapp ihre Schulter berührte und legte ihn auf dem weichen Sandbett ab. Seine Brust hob und senkte sich zögerlich, doch seine Haut war noch immer so bleich, dass sie um sein Leben fürchtete. Der Regen war zu einem Nieseln geworden, doch es reichte, ihre Haut mit der nötigen Feuchte zu versorgen.
Sie rutschte aus dem Wasser, knüpfte sein Hemd auf und legte ihren Oberkörper auf dem seinen ab, während sie ihn mit ihrer warmen Atemluft streichelte. Bleierne Müdigkeit erfasste sie, doch sie fürchtete nicht, einzuschlafen. Der Morgen graute bereits und langsam lichtete sich der Himmel und zögerliche Sonnenstrahlen kitzelten ihre Haut.
Das ständige Atmen an der Oberfläche hatte sie völlig ausgelaugt. Sie nutzte das letzte bisschen Phantasma, das ihr letztes Opfer ihr geschenkt hatte, um für eine Weile Mensch zu werden, die Luft einatmen zu können, ohne dass es wehtat. Eine Gänsehaut überkam sie und sie kuschelte sich näher an den Geretteten. Es fühlte sich auf verquere Weise schön an, ihn in den Armen zu halten. Die frühmorgendliche Kälte fühlte sich für sie wie die behagliche Wärme eines Kamins an, verglichen mit der Kühle des Ozeans in der sie lebte.
Sie bemerkte gar nicht, wie das Meer zurückwich, keine Welle mehr ihren Rücken tätschelte und der Sand unter ihrer Haut langsam trocknete, derweil der Regen nachließ. Ihr menschlicher Körper fühlte sich wohler, je wärmer es wurde und die Müdigkeit tat ihr Übriges, sie in tiefen Schlummer fallen zu lassen.

Tristan erwachte schaudernd. Das letzte, woran er sich erinnerte, war der schier unendliche Fall, die Erwartung seines nahenden Todes. Der Boden unter ihm kitzelte ihn, ein warmer Wind strich über seine Haut und in der Ferne hörte er ein stetes, majestätisches Rauschen durchmischt mit den Liedern verschiedenster Vögel, die die Insel bewohnten.
Er hob schwerfällig den Kopf und starrte in eine Oase aus üppigem Grün hinter einem langen, golden scheinenden Sandstrand. Palmen wiegten sich im Wind, die übervoll waren von bläulichen Früchten, die wie üppige Weinreben von ihren Ästen herabhingen.
Die Landschaft war wie ein Kaleidoskop von Farben angefangen von satten Grün wogender Grasfelder, über Blumen verschiedenster Farben, bis hin zum azurblauen Himmel, gesprenkelt mit einer Vielzahl schäfchenförmiger Wolken. Der süße und zugleich exotische Duft ihm fremder Früchte wurde vom nahen, dichten Wald, der die Mitte der Insel bedeckte, herangetragen.
Er fragte sich, ob er womöglich gestorben sei und nun in einem Land verweile, das nur den Toten zugänglich war. Doch als er den Blick zum Meer wandte, das mit sanften Rauschen winzige Wellenberge an den Strand trug, erkannte er, dass er noch am leben war. Genauso wie die verfluchte Nixe, die er gejagt hatte.
Ein Schauder lief ihm bei ihrem Anblick über den Rücken. Sie schlief, den Kopf an seine Seite geschmiegt und einen Arm auf seiner Hüfte abgelegt. Bis auf ein schillerndes Mieder, das ihre Brüste bedeckte und aus unzähligen, verschiedenfarbigen Schuppen zu bestehen schien, war sie nackt. Ihre wunderschön geformten Lippen, die winzige Nase und ihre sanft geschwungenen Brauen unter dem dichten, wellenförmigen Haar ließen den Wunsch in ihm aufkommen, ihr über die Wange zu streichen. Ihr Äußeres hätte in ihm sicherlich weitere Regungen hervorgerufen. Wanderte er ihre zarten Schultern hinab, führten sie ihn zu den hügelförmigen Erhebungen ihrer Brust bis hin zu den weiblich geschwungenen Hüften. Doch dann gingen ihre menschlichen Konturen in denen eines Fischs über, der über ein ansehnliches Schuppenkleid, das von Türkis bis hin zu einem fahlen Violett reichte.
Im morgendlichen Sonnenschein glitzerte ihre Haut in einem ätherischen Licht. Sie war trotz ihres Fischschwanzes wunderschön, als hätte ein Künstler viele Zyklen darauf verwendet, das Gemälde einer schier perfekten Frau zu zeichnen. Doch Tristan hatte für diese Schönheit wenig übrig, erinnerte er sich daran, was sie seinem Freund angetan hatte. Dasselbe hatte sie auch mit ihm vorgehabt, doch offensichtlich stand die Weberin auf seiner Seite und hatte sie beide hier angespült. Hier an Land, einige Schritt weit vom Meer entfernt, wo sie ihm hilflos ausgeliefert war.
Er rückte ein Stück von ihr ab. Der Sturm hatte eine ansehnliche Menge Treibgut an den Strand geschwemmt. Neben Algen und Muscheln bedeckten vereinzelte Glasscherben, zerbrochene Planken und Netze den Strand. Er fand nahe ihres Liegeplatzes ein rundliches Stück Holz, das über eine scharfe Bruchstelle verfügte und packte es mit festem Griff.
Von seinen Bewegungen wachgerüttelt, blinzelte die Nixe, blickte sich erst nach allen Seiten um, bis ihr Blick panisch auf die entfernte Wasserlinie fiel. Ihre furchtsam aufgerissenen Augen hatten etwas Schutzbedürftiges und zugleich so Schönes an sich, das Tristan einen Moment innehielt, sich der Griff um das Stück Holz lockerte.
Sie bemerkte sofort die provisorische Waffe in seinen Händen. Ihr Fischschwanz peitschte umher und unterstütze ihre Hände bei dem Versuch, dem Wasser entgegen zu krabbeln, doch sie war viel zu langsam, um ihm zu entkommen.
Er trottete ihr beinahe gemütlich entgegen. Ihre Flucht und die Gefahr, dass sie ihm erneut entkam, hatten seinen Willen gestärkt. Als sie panisch zu ihm zurücksah, öffnete sie ihren Mund und ein rauer Ton quälte sich daraus hervor, der wie die Stimme eines Verdurstenden anmutete. Tristan sprang voran und hielt ihr grob den Mund zu.
„Deine Stimme wird niemanden mehr verführen, Fischweib!" Er stieß das Stück Holz mit brutaler Kraft in ihren Fischschwanz. Ein markerschütternder Schrei, gedämpft durch seine Hand, entstieg ihrer Kehle und Tränen des Schmerzes entflohen ihren Augenwinkeln.
„Aber bevor ich dir ein Ende bereite, verrate mir, wo wir hier sind!" Er nahm die Hand von ihrem Mund, doch sie brachte nicht mehr zustande, als schluchzende Laute voll des Schmerzes.
Tristan biss sie Zähne zusammen. Es lag nicht in seiner Natur, jemandem körperlichen Schmerz zuzufügen, ihn zu foltern. Wäre sie nicht so menschlich, er hätte sie ohne zu zögern gequält, bis sie ihm hörig war, doch er konnte sie nicht als die mörderische Kreatur betrachten, die sie war. Nicht wenn sie ihn mit diesem gequälten Blick aus ihren himmelblauen Augen ansah.
Sie riss sich los und rollte seitwärts weiter den Strand hinab. Tristan sprang über sie hinweg und packte sie grob am Arm. „Rede, oder ich bringe es langsam und qualvoll zu Ende!"
Sie spuckte ihm ins Gesicht, wofür er ihr eine Ohrfeige verpasste. „Fordere meinen Zorn nicht heraus. Ich schwöre dir, am liebsten würde ich dich auf der Stelle umbringen. Du hast meinen Geschäftspartner und besten Freund getötet, mir alle Hoffnung auf die Zukunft genommen, die wir uns mühevoll aufbauten."
„Ich habe dein Leben verschont!", krächzte sie. Ihre raue Stimme, die klang, als scheuere man über ein Reibeisen, passte überhaupt nicht zu ihrer lieblichen Gestalt.
„Glaubst du, Lügen werden dein Leben retten? Du hast mir diese Kreatur auf den Hals gehetzt, die mein Schiff in die Tiefe zog."
Sie atmete schwerfällig, griff sich an den Hals, als bereite es ihr Schmerzen. Es brauchte eine Weile, bis sie wieder in der Lage war, Worte zu formen. „Du hast mich gejagt."
„Aus gutem Grund will ich meinen! Mörderin!"
Sie sah zu Boden, ein schuldbewusstes Glitzern in den Augen, das ihn verrückt machte. „Hör auf damit! Sieh mich gefälligst an und rede! Wo sind wir hier?"
Nur kurz hob sie den Kopf, ehe sie ihn wieder nach vorne sacken ließ. Sie atmete langgezogen durch die Nase und ihr Körper zitterte. Die Haut hatte ihren schillernden Glanz verloren und war nun weniger perlmuttfarben als viel mehr gräulich. Sie erinnerte ihn an gefärbten Stoff, der über die Zyklen in der Sonne gebleicht war. Auch ihr Haar wirkte weniger fließend, viel mehr spröde und trocken. „Wasser", hauchte sie.
Er sah zwischen dem Meer und dem Land hin und her und lachte. „Was ist los? Gefällt dir das Leben an Land nicht mehr? Wo sind deine Beine hin, mit denen du kürzlich noch freudig durch Schimmerwall spaziert bist?"
Sie schüttelte kraftlos den Kopf, ihre Lippen bebten. „Bitte."
Tristan schluckte die Galle hinunter, die sich in seiner Kehle bildete. Er befürchtete eine List. Sie spielte ihm vielleicht etwas vor und plante ihre Flucht. Wenn sie entkam, war er hier hilflos gestrandet. So ungern er es sich eingestand, im Moment konnte er sie nicht umbringen, ohne damit sein eigenes Leben zu gefährden.


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