Nächtliche Aktionen

Am Abend versuche ich, so lange wie möglich vor dem Kamin im Gemeinschaftsraum zu sitzen, ohne, dass es auffällt. Bis 22 Uhr gelingt es mir auch gut, reglos vor dem Kamin zu sitzen und mich so klein zu machen wie möglich, aber dann kommt Evelyn und fragt mich, warum ich um diese Zeit noch in den Kamin starre.

Evelyn ist auch in meinem Schlafsaal. Sie ist sehr hübsch, scheint es selbst aber nicht zu wissen, oder nicht an die große Glocke zu hängen, was sie mir sehr sympathisch macht. Sie kommt aus einer sehr großen Familie und hat vier Brüder. Sie ist muggelstämmig, was ich keinesfalls schlimm finde. Aber schon, dass ich erwähne, dass sie aus einer Muggelfamilie kommt, zeigt doch wieder nur, wieviel Wert wir darauf legen.

Ich sage, ich hätte nur vor mich hin geträumt und wollte eigentlich Hausaufgaben machen. Evelyn glaubt mir glücklicherweise und scheint sich damit zufrieden zu geben. Ich muss mir wohl oder übel ein paar Schulsachen aus meinem Schlafsaal holen, um den Schein zu wahren. So sitze ich nun also, auf eine Zeile von meinem Verwandlungsbuch starrend, und warte, bis es endlich kurz vor Mitternacht ist.

Als es soweit ist, stehe ich auf und vergewissere mich, dass auch niemand mehr im Gemeinschaftsraum ist, der mich heimlich beim Hausmeister verpetzen könnte. Danach gehe ich durchs Portraitloch und muss mir noch die wütenden Rufe der fetten Dame anhören, die sich beschwert, weil ich sie aus ihrem Schönheitsschlaf geweckt habe. Doch darauf nehme ich wenig Rücksicht.

Als ich den Korridor im fünften Stock langgehe, höre ich plötzlich ein Geräusch. Es hört sich an, als würde jemand mit Kreide an die Tafel malen und es quietscht dabei. Das Geräusch ist furchtbar. Doch wenig später bemerke ich, dass es viel mehr danach klingt, als würde ein Tier mit seinen Krallen über den Boden scharren. Doch - so weit ich mich entsinne - gibt es in Hogwarts eigentlich keine Tiere. Klar, die Eulen kommen jeden Morgen. Aber ein Tier mit Pfoten? Das habe ich hier noch nie gesehen.

Das Geräusch kommt immer näher und somit kommt auch die Antwort auf die Frage, was oder wer dieses Geräusch macht, in greifbare Sicht. Und dann biegt etwas um die Ecke. Es sieht aus wie ein Schatten, doch dann bemerke ich, dass es ein Tier ist, ein Hund. Ein schwarzer Hund. Er kommt vor mir zum Stehen und das Geräusch, welches seine Pfoten veranstaltet haben, verstummt.

Der Hund sieht mich mit seinen haselnussbraunen Augen an und mir fällt der weiße Tupfer neben seinem linken Auge auf. Der Hund ist sehr klein. Ich kenne ihn schon.

Ohne groß darüber nachzudenken, gehe ich in die Hocke und streichele ihm über den Rücken. Er hat wunderbar weiches Fell. Er schmiegt sich an mich, wie ein zutrauliches Kätzchen und ich muss kichern. Es ist lange her, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Sehr lange. Und ich habe immer noch keinen blassen Schimmer, woher er kommt, wem er gehört und was er nun hier macht. Bei mir.

Doch plötzlich reiße ich erschrocken meinen Mund auf. Kann es sein, dass... Nein, wie soll das gehen? Er ist viel zu klein...um...um der Grimm zu sein. Was für ein Quatsch. Oder doch nicht? Ich stehe schnell auf und laufe auf die Wendeltreppe am Ende des Korridors zu. Ich habe sowieso viel zu lange dort verbracht und Scorpius wartet sicher schon auf mich.

Das kann einfach nicht sein? Rose hatte doch erklärt, der Grimm wäre groß, schwarz und zottelig. Nur eine von den drei Eigenschaften würde auf den Hund von eben zutreffen. Völlig außer Atem komme ich vor der Bibliothek im vierten Stock an. Scorpius ist noch nicht da.

Ich warte ein wenig und nach drei Minuten sehe ich seinen hellblonden Haarschopf auf der Treppe, die ich eben hochgekommen bin. Ich renne sofort auf ihn zu. "Scorpius, ich habe gerade den Grimm gesehen!", keuche ich. So dramatisch wollte ich eigentlich gar nicht rüberkommen, zumal ich mir nicht mal sicher bin, ob es überhaupt der Grimm war.

Scorpius sieht mich fragend an. "Na, da war so ein Hund, den ich schon öfter gesehen habe. Und da ist mir eingefallen, dass er doch vielleicht der Grimm sein könnte!", erkläre ich verzweifelt. "Ach, Lily.", beruhigt Scorpius mich. "Das war bestimmt nicht der Grimm. Du sagtest, du hättest ihn schon oft gesehen? Und du lebst immer noch? Na, das ist doch schonmal ein Widerspruch. Ich würde schon längst deine Beerdigung planen, wenn das der Grimm wäre.". Er grinst.

Oh, das ist nett von ihm, dass er meine Beerdigung planen wird, falls ich bald sterben sollte. Gut zu wissen, dass er so viel Geld ausgeben würde. Für mich. Oder für meinen leblosen Körper. Meine Eltern könnten die Kosten ja auch übernehmen. Aber an den Tod möchte ich im Moment gar nicht denken.

Ich nicke. "Du hast Recht.". Scorpius grinst. "Habe ich doch immer. Warum sollte ich eigentlich hierher kommen?". "Es geht um dasselbe Thema: der Grimm.", antworte ich. Und dann erzähle ich ihm, was alles im Klassenraum für Wahrsagen passiert ist. Was die Lehrerin gesagt hat. Und was Rose später dazu gemeint hat. Scorpius schweigt und nickt an den richtigen Stellen.

Nach meiner Erklärung gehen wir in die Bibliothek. Es ist stockdunkel hier. Das ist verständlich, immerhin können für Einbrecher auch gerne mal die Stromkosten gespart werden. Wir gehen weiter nach hinten zur verbotenen Abteilung. Den Weg dorthin kennen wir ja schon. Ich fühle mich wie damals, als wir alles über die Kammer des Schreckens herausgefunden haben. Ich habe mich gefühlt, wie ein Detektiv.

Scorpius bleibt bei einem Regal mit der Aufschrift "Gefährliche und magische Tierwesen" stehen. Ich tue es ihm gleich und gemeinsam suchen wir nach einem Buch, das uns behilflich sein könnte. Schon bald habe ich eines gefunden und lese Scorpius den Artikel vor, der darin geschrieben ist:

Der Grimm, eine große, zottelige Hundegestalt mit auffällig leuchtenden Augen, wird seit jeher von Zauberern und Hexen aller Welt gefürchtet, da er als Todesomen gilt.

Das steht da. Mehr nicht. Das ist der größte Reinfall überhaupt. Wieso steht da nicht mehr? Das ist doch genau dasselbe, was Ruby mir erzählt hat. Scorpius hat anscheinend die gleichen Gedanken, wie ich: "Steht da nicht noch mehr? Das kann doch nicht alles gewesen sein!". Doch egal, wie wir das Buch drehen und wenden, wir finden keine weiteren Informationen zum Grimm. Nichts.

"Ihr werdet da nichts mehr finden!", sagt plötzlich eine Stimme hinter uns und wir drehen uns erschrocken um. "Schon gar nicht, wenn ich euch jetzt gleich mitnehme und mal die anderen Lehrer frage, wie sie euren nächtlichen Ausflug finden.". Scorpius und ich sehen uns an. In seinen Augen spiegelt sich Enttäuschung wider und ich denke, bei meinen sieht es nicht anders aus. Wir bekommen eine Strafe, haben aber dennoch nichts weiter herausgefunden. Was ist das eigentlich für ein unfaires Leben?

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Hi,
das ist die zweite Runde ✨
Die Kapitel sind jetzt nur noch 1300 Wörter lang und das ist um 200 Wörter kürzer, als normalerweise. Ich hoffe, es stört euch nicht allzu sehr 💞
Ich würde mich trotz Lesenacht über Kommentare freuen, wie euch die Kapitel gefallen und dann würde ich sagen, wir sehen uns gleich wieder 🙈

Eure Vilureef

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