Die Prüfungen

In der restlichen Woche fällt die Last der Hausaufgaben von den Schülern ab. Die Lehrer verschonen uns, damit wir genug Zeit haben, um für die Prüfungen zu lernen. Die letzten Tage kann man Ruby und mich nur noch in der Bibliothek auffinden, weil wir pausenlos arbeiten und lernen, um unser Wissen zu vergrößern.

Am darauffolgenden Montag ist es beim Frühstück in der großen Halle ungewöhnlich still. Man sieht Schüler, die den Freund leise flüsternd bitten, sie abzufragen oder andere, die sich nochmal ihre Aufzeichnungen des letzten Jahres anschauen. Wieder andere versuchen einfach nur, nicht vor Nervosität umzufallen und die letzten sagen still Zauber vor sich hin.

Unsere erste Prüfung legen wir am Montagvormittag in Zauberkunst ab. Wir werden jeder einzeln in den Raum gerufen, um Professor Jones vorzuführen, wie man ein Kissen in die bereitstehenden Kisten schweben lässt. Ich bekomme zehn Versuche und verfehle nur zwei davon. Als alle mit der praktischen Prüfung fertig sind, schreiben wir die theoretische. Die Fragen sind relativ leicht.

Nach dem Mittagessen haben wir zwei Stunden Zeit, um uns auf die Prüfung in Kräuterkunde vorzubereiten, die wir am Nachmittag haben werden. Hier wird abgefragt, wie man eine Alraune umtopft und ich muss bei meiner praktischen Prüfung daran denken, wie Scorpius und ich damals auf der völlig falschen Fährte wegen der Kammer des Schreckens waren und unwillkürlich lächeln.

Am Abend falle ich erschöpft in mein Bett, aber erst nachdem ich mein Gelerntes in Zaubertränke wiederhole. Am Dienstagnachmittag steht meine Lieblingsprüfung an: Zaubertränke. Die praktische Prüfung ist sehr leicht (wir sollen den Heiltrank für Furunkel herstellen) und Professor Hensley lobt mich über alle Maße. Bei der theoretischen fällt mir aber nicht ein, wo man suchen sollte, wenn man einen Bezoar finden will. Als mir Ruby nach der Prüfung sagt, dass man im Magen einer Ziege suchen sollte, kommt mir das schon fast lächerlich vor.

Am Mittwoch nach dem Frühstück haben wir die Prüfung in Geschichte der Zauberei, dem langweiligsten Fach aller Zeiten. Professor Binns (der wie gewöhnlich durch die Tafel in den Raum kommt) teilt uns unsere Prüfungsblätter erst aus, als Toby ihn daran erinnert, dass wir heute unsere Prüfung in seinem Fach ablegen. Für Geschichte der Zauberei habe ich zusammen mit Ruby am meisten gelernt, aber beim Mittagessen habe ich trotzdem das Gefühl, ein paar Fragen falsch beantwortet zu haben.

Den Nachmittag haben alle Gryffindor-Erstklässler frei. Ruby und ich gehen hoch in den Schlafsaal und holen den Schlaf nach, den wir in dieser Nacht nicht bekommen werden. Eine halbe Stunde vor Mitternacht weckt uns Evelyn und sagt uns, dass wir nun hoch zum Astronomieturm gehen sollen.

Die Prüfung in Astronomie bekomme ich halbwegs gut hin. Da ich genug geschlafen habe, lässt meine Konzentration nicht so schnell nach, wie bei manch anderen Erstklässlern und ich entdecke am Himmel sogar Sirius, der in unserer Sternenkarte gar nicht eingezeichnet ist, wofür ich aber einen kleinen Bonus bekomme, als ich Professor Clancy darauf hinweise.

Am Donnerstag bin ich sehr müde, obwohl ich bis zum Mittag geschlafen habe, weil unsere einzige Prüfung heute am Nachmittag stattfindet. In Verteidigung gegen die dunklen Künste werden wir von Professor Wadington, wie auch schon in Zauberkunst, einzeln hereingerufen und müssen dort unsere praktische Prüfung ablegen. Die praktische finde ich, genauso wie die theoretische Prüfung ziemlich schwierig.

Am selben Abend macht sich große Freude im Gemeinschaftsraum der Gryffindors breit, denn morgen ist der letzte Tag, an dem die zwei letzten Prüfungen stattfinden werden. Ruby und ich beschließen, heute früh ins Bett zu gehen, um auch den letzten Tag gut zu überstehen.

Am nächsten Morgen haben wir die Prüfung im Flugunterricht bei unserer Hauslehrerin Professor Adams. Auch vor dieser Prüfung habe ich sehr viel Angst gehabt, aber im Endeffekt sollten wir nur eine Runde mit dem Besen fliegen und ihr dann den Aufbau eines Besens nennen können.

Am Nachmittag steht unsere letzte Prüfung in Verwandlung an. Professor Mason nimmt uns diese Prüfung ab. Wie erwartet verlangt sie von uns, dass wir ein Streichholz in eine Nadel verwandeln. Ruby ist vor mir dran und nachdem sie fertig ist, erzählt sie mir traurig, dass ihr Streichholz nur spitz geworden ist, sein Material allerdings nicht verändert hat.

Doppelt aufgeregt schaffe ich es dann, mein Streichholz zu verwandeln, aber die theoretische Prüfung in Verwandlung fällt mir weitaus schwerer. Als ich mit der Prüfung fertig bin, verlasse ich den Raum wieder und treffe dort auf Ruby, Summer, Lucas, Jack und Scorpius, die mich allesamt erwartungsvoll anschauen.

"Und, wie ist es gelaufen?", fragt mich Summer, die als Erste die peinliche Stille unterbricht. "Es war ganz in Ordnung, aber ich glaube, ich habe ein paar Fragen von Professor Mason falsch beantwortet.", antworte ich und sehe die anderen abwartend an. Ruby erklärt auf meinen Blick hin: "Wir wollten jetzt alle zusammen runter zum See gehen und das Ende der Prüfungen ein wenig genießen.".

Ich nicke und folge der kleinen, zusammengewürfelten Gruppe hinunter zum See. Mit Lucas verstehe ich mich kaum, Jack kann ich nicht verzeihen und Scorpius ist von sich aus zu mir komisch. Mit mehr als der Hälfte unserer Gruppe kann ich also nicht mal ein ordentliches Gespräch führen.

Auf dem Weg zum See müssen wir uns durch viele Schüler schlängeln, die sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen und wahrscheinlich die gleiche Idee haben, wie wir. Am See angekommen setzen wir uns in den Schatten einer großen Buche und schweigen zunächst.

"Wie fandet ihr die Prüfungen?", unterbricht Scorpius die Stille. Jack zuckt nur die Schultern und Lucas antwortet mit einem: "Ganz okay.". Ruby strahlt über das ganze Gesicht und Summer meint: "Ziemlich gut.". Dann ist das Thema beendet.

"Lily?", sagt Jack plötzlich. Ich sehe ihm ins Gesicht und frage mich, warum er mich angesprochen hat. "Würdest du dich kurz mal...mit mir unterhalten? Unter vier Augen?", fragt er schüchtern und ich ahne schlimmes. Die Vier-Augen-Gespräche sind immer die Schlimmsten. Trotzdem nicke ich und stehe vom Boden auf.

Als wir ein wenig am See entlang geschlendert sind, beginnt Jack das Gespräch: "Ich weiß, dass du wütend auf mich bist und ich kann das auch verstehen. Aber sieh mal, Ruby und ich sind jetzt zusammen und ich möchte mich auch mit ihren Freunden verstehen. Außerdem werden wir uns in den nächsten sechs Jahren auf Hogwarts noch öfter begegnen und es kann echt anstrengend sein, zu streiten.".

Ich bin völlig überrascht von seiner Entschuldigung. Vielleicht liegt es daran, dass es nicht mal eine ist, vielleicht ist es auch die Art, wie er es sagt oder der einfache Grund, dass sich noch niemand so bei mir entschuldigt hat. Egal, was von den Dingen es ist, es bringt mich dazu, ihn anzulächeln und zu sagen: "Du hast Recht. Ich habe jetzt schon keine Lust mehr, mich mit dir zu streiten. Frieden?". "Frieden.".

Überglücklich und mit leichten Herzen gehen wir zurück zu den anderen und Ruby empfängt uns mit einem strahlenden Lächeln. Bestimmt hat sie von Jacks Beschwichtigungsversuch gewusst. Ich grinse zurück und lasse mich wieder gegenüber von Scorpius fallen, dessen finsteren Blick ich gar nicht bemerke.

"Was macht ihr in den Ferien?", fragt Summer und ich muss unwillkürlich daran denken, dass die Ferien kurz bevorstehen und ich alle meine Freunde (oder Feinde) erst im nächsten Schuljahr wieder sehen werde. Im nächsten Jahr. Im zweiten Jahr.

"Nicht viel. Ein paar Hausaufgaben machen und James vielleicht dazu überreden, mir Quidditch beizubringen. Denn so wie in diesem Jahr, möchte ich mich nicht im nächsten auch wieder anstellen.", gebe ich kichernd zu. "Du bist doch gar nicht so schlecht.", sagt eine Stimme und zu meiner größten Verwunderung ist es die von Scorpius.

Sofort muss ich an unsere Begegnung in der ersten Flugstunde denken. Damals habe ich ihn nicht gemocht, weil er diese kühle Art an sich hatte. Ich seufze. Wie viel ich in diesem einen Jahr erlebt habe und wie mein Leben sich doch verändert hat.

"Wie wär's, wenn wir alle etwas in den Ferien zusammen unternehmen.", schlägt Jack vor und alle sind sofort für seine Idee. Vielleicht kann ich mich dann endlich mit Scorpius aussprechen. Mit Jack ging es im Nachhinein ja auch ganz einfach. Vielleicht sollte ich einfach den Mut dazu aufbringen, mal etwas zu tun, was ich sonst nicht machen würde. Vielleicht zahlt sich das ja aus.

"Wir werden dann jetzt auch mal wieder hochgehen, oder?", sagt Summer. Ich nicke bekräftigend: "Ja, wir haben eine kleine Abschlussparty im Gemeinschaftsraum.". Ruby zwinkert den Jungs zu: "Wir müssen uns ja schließlich hübsch machen.". Alle lachen und wir drei machen uns auf den Weg zurück zum Schloss.

Die ganze Zeit spüre ich einen Blick in meinem Rücken und ich kann mir nur zu gut denken, wessen Blick das ist. Zu diesem Zeitpunkt kann ich ja nicht ahnen, dass wir uns heute noch in genau derselben Situation befinden werden. Zum Glück...

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Hallo,
hier ist ein neues Kapitel für euch 💞
Danke für die 965 Reads, ich bin mir sicher, dass wir bis zum Ende des Buches noch die 1k bekommen werden ✨
Es wird übrigens nur noch 4 richtige Kapitel geben. Ich denke, dass es deshalb auch nicht mehr so lange dauern wird 🙈
Was meint ihr, wird alles auf der Abschlussparty passieren (oder auch nicht 🤔). Lasst einfach einen Kommentar da, ich würde mich darüber freuen 💎

Eure Vilureef

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