Die heulende Hütte

Erschrocken reiße ich meine Augen auf. Nein, das kann nicht wahr sein. Das darf nicht wahr sein! Doch schon von Weitem höre ich das langgezogene Jaulen eines Wolfes. Einer bestimmten Art von Wolf. "Mist, Mist, Mist!", rufe ich und sehe Scorpius mit großen Augen an. "Wir müssen hier weg. Hier sind wir nicht sicher!". Scorpius sieht mich fragend an. Ich seufze genervt: "Es ist Vollmond und es gibt einen Werwolf auf Hogwarts. Wir schweben in Lebensgefahr und jetzt renn, Scorp!".

Es dauert eine kleine Weile, bis Scorpius verstanden hat, in welch
schrecklicher Situation wir uns gerade befinden. Und dann rennt er plötzlich los und ich folge ihm, so schnell wie ich kann. "Wir müssen versuchen, zurück zum Schloss zu gelangen.", höre ich ihn rufen. Ich habe dabei kein gutes Gefühl. Ich glaube, dass wir es nicht mehr bis dahin schaffen werden.

Plötzlich stoppt Scorpius vor mir und meine Vermutung bewahrheitet sich. Wir stehen nun am Rande des Verbotenen Waldes. Die Bäume spenden uns ein wenig Schutz. Vor uns, auf der großen Rasenfläche zwischen Schloss und Verbotenem Wald, spielt sich eine grauenvolle Szenerie ab. Ich kann den Umriss einer fürchterlichen Gestalt erkennen.

Sie hat nicht mal die entfernteste Gemeinsamkeit mit einem Menschen, sie sieht einfach wie ein misslungener Wolf aus. Wie ein Wolf ohne Fell. Etwas Hässlicheres kann ich mir im Moment gar nicht vorstellen. Und dahinter soll Summer stecken? Ich kann es immer noch nicht glauben, aber ich weiß, dass sie jetzt gerade nicht sie selbst ist. Sie weiß nicht, was sie anrichten könnte. Und das verleiht mir noch größere Angst.

"Bei Merlins Barte, Scorp, wir schaffen es nicht an ihr vorbei!", flüstere ich. Ich habe Angst, dass Summer uns hören könnte. Doch gleichzeitig weiß ich, dass dieser Gedanke vollkommen absurd ist, denn Summer würde uns hier eher riechen, als hören können.

Ganz langsam schleichen Scorpius und ich uns zurück in den Schatten der Bäume. Als wir dort sind, fangen wir an, zu rennen. "Da ist Hagrids Hütte!", rufe ich und zeige mit dem Finger auf ein kleines Bauwerk in der Ferne. Scorpius seufzt frustriert auf: "Weit sind wir ja noch nicht gekommen.". Ich bin genauso ratlos, wie er. Wo sollen wir denn jetzt hin? Doch dann kommt mir eine grandiose Idee: "Wir können doch einfach zu Hagrid gehen!".

Wir laufen weiter und weiter. Nach ein paar Minuten sehen wir die Hütte schon ganz nah vor uns. Doch dann bleibt Scorpius plötzlich stehen. "Hörst du das auch?", fragt er mich. Ich bleibe auch stehen und versuche, dasselbe zu hören, wie er. Aber da ist nichts, was meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. "Du machst mir Angst, Scorp. Etwas zu hören, was andere nicht wahrnehmen, ist kein gutes Zeichen.".

Doch er schüttelt nur mit dem Kopf. Und dann höre ich es auch. Es hört sich an, wie ein raues Atmen und ich bin mir sicher, dass es auch genau das ist. Von wem es stammt, wird mir im selben Moment klar, als ich etwas Heißes auf meiner Schulter spüre. Ich drehe mich um und kriege kein Wort heraus. "Scorp.", murmele ich leise. Er dreht sich auch um und keucht erschrocken auf.

Der warme Speichel des Werwolfes läuft bis zu meinem Unterarm hinunter. Summer sieht uns mit großen Augen an und es versetzt mir einen Stich, dass ich sie überhaupt bei ihrem Namen nenne. Sie ist nicht die Summer, wie wir sie kennen. Sie ist nicht die Summer, die im Unterricht immer fleißig ihren Arm nach oben hält, weil sie eine Antwort hat. Sie ist nicht die Summer, die mir noch vor ein paar Tagen von ihrem Geheimnis erzählt hat. Das hier ist nicht sie. Das hier ist jemand anderes.

"Lauf", brüllt plötzlich Scorpius und ich brauche einige Sekunden, um zu begreifen, was er da eben gesagt hat. Und dann tragen mich meine Beine durch den Wald und über ein paar Wiesen, so wie sie es noch nie getan haben. Ich laufe so schnell, dass ich jeden Moment damit rechne, abzuheben und zu fliegen. Dass wir eigentlich zu Hagrid wollten, haben wir schon längst vergessen.

Ich spüre den heißen Atem von Summer in meinem Rücken und es ist ein Wunder, dass sie uns noch nicht eingeholt hat. Doch irgendwann geht mir die Puste aus und ich werde immer langsamer. In einem unvorsichtigen Moment stürze ich zu Boden und Schmerz durchflutet meinen Kopf. Etwas Warmes strömt an meiner Schläfe entlang und schon bald liegt der metallische Geschmack von Blut auf meinen Lippen.

"Lily!", brüllt Scorpius. Er rennt zu mir zurück. "Steh auf!", befiehlt er mir und irgendwie gelingt es mir auch. Vielleicht ist es die Angst, die mich antreibt oder die Verzweiflung. "Komm hier rüber.". Scorpius winkt hektisch mit einem Arm. Er steht in einem Höhleneingang am Fuß eines knorrigen Baumes. Ich beeile mich, zu ihm zu gelangen.

Als ich bei ihm bin, drehe ich mich nochmal um. Da steht Summer. Sie sieht uns mit zusammengekniffenen Augen an. Ich kann es ihr nicht verübeln, denn immerhin sind wir ihr entlaufenes Fressen. Aber dennoch wundere ich mich, warum sie uns nicht folgt. Komischerweise scheint sie strikt nicht in die Nähe dieses Baumes zu wollen.

Und dann sehe ich ihn. Einen zweiten Werwolf. Er kommt aus dem Schatten der Bäume und bleibt neben Summer stehen, da, wo Scorpius und ich gerade noch waren. Er ist viel größer, als Summer. Ich bin froh, dass wir ihn nicht aus nächster Nähe betrachten durften, aber gleichzeitig bin ich beunruhigt. Sein Erscheinen bedeutet, dass es noch einen Werwolf auf Hogwarts gibt. Und das ist eigentlich unmöglich.

Das Letzte, was ich merke, bevor ich ohnmächtig werde, sind zwei Arme, die mich hochnehmen und mich mit sich tragen...

Als ich aufwache, verziehe ich mein Gesicht. Ich habe höllische Kopfschmerzen und kann mich nur mit Mühe aufrichten. Ich befinde mich in einem dunklen Raum. Der Boden ist mit einer feinen Staubschicht bedeckt und die Fenster wurden mit Holzbrettern zugenagelt. Ich drehe mich um und suche mit meinen Augen den Raum nach Scorpius ab. Wo steckt er bloß?

Doch meine Frage erübrigt sich wenig später, als er den Raum betritt. "Du bist wach!", stellt er fest. "Wo warst du?", ist meine erste Frage an ihn. "Ich habe mich nur ein wenig umgeschaut.", gesteht er achselzuckend. "Wir können bald raus. In einer Stunde müssten sich alle Werwölfe wieder zurückverwandeln.".

Habe ich die ganze Nacht durchgeschlafen? "Wo sind wir?", stelle ich eine weitere Frage. Scorpius sieht sich einmal kurz um. "Wahrscheinlich in der Heulenden Hütte.". Ich kann mich erinnern, dass ich schonmal in einem Buch von ihr gelesen habe. Sie steht in Hogsmeade und alle Dorfbewohner machen für gewöhnlich einen Bogen um sie herum. Angeblich soll es hier spuken, aber an solchen Geschichten habe ich mich noch nie lange aufgehalten.

"Wie sind wir hierher gekommen?". Langsam habe ich das Gefühl, dass ich Scorpius mit Fragen geradezu durchlöchere. Doch er schüttelt den Kopf. "Wir sind bis zu einem Baum gerannt, der mit seinen Ästen um sich schlug. Als du gefallen bist, hat er plötzlich damit aufgehört und wir konnten zu einem Eingang gehen. Als du ohnmächtig wurdest, habe ich dich hochgenommen und bin mit dir einen Gang entlanggelaufen, der hier endete.", erklärt er.

"Danke", sage ich und so meine ich es auch. Scorpius sieht mich zwar fragend an, aber er fragt glücklicherweise nicht nach. "Ich glaube, jemand hat es darauf abgesehen, dass du den Werwölfen ausgeliefert warst. Jemand hat dich in Lebensgefahr gebracht, Scorp!", offenbare ich ihm meine Gedanken. Ich konnte in diesem Moment ja nicht ahnen, wie richtig meine Vermutungen waren.

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Hey,
nach der Lesenacht melde ich mich auch mal wieder 🙈
Habt ihr eine Vermutung, wer der zweite Werwolf sein könnte? Oder wer Scorpius auf diese Lichtung gelockt hat? Schreibt eure Gedanken einfach in die Kommentare 💞
Und schaut doch mal bei ashton_girl_4 vorbei. Sie schreibt eine Fan-Fiction über 5SOS.
Ich wünsche euch eine schöne Woche (bei mir ist es die letzte Ferienwoche 😢) und wir sehen uns dann bald wieder ✨

Eure Vilureef

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