9.
Sie lag so eingeschüchtert da. Ihre grünen Augen sahen mich entsetzt an und durch die wenigen Zentimeter die unsere Brustkörbe trennten, konnte ich spüren wie schnell sie atmete. Mir gefiel unsere jetzige Situation. Sie, so schön ausgeliefert unter mir und ich dominant über ihr als Herr des Geschehens.
Wieso hatte sie den Kuss nur unterbrochen? Und wieso ist sie nicht geflüchtet als sie mich bewusstlos schlug? Ich kann mich nicht länger zurück halten, wenn ich so weiter auf ihr sitze und sie mich mit ihren unschuldigen Augen durchbohrt. Ich will sie und zwar jetzt! Je weiter ich nachdachte desto größer wurde auch der Schmerz in meinem Kopf. Sie hatte ordentlich zugeschlagen!
"Was hättet ihr denn an meiner Stelle getan, wenn euch jemand entführt hätte und euch noch dazu belogen hätte?", fauchte sie mir entgegen während sie sich unter mir wand um sich aus meinem Griff zu befreien.
Oh, Mary hör bitte auf damit, flehte ich in meinem Inneren. Immer darauf bedacht nicht mit meinem vollen Gewicht auf ihr zu liegen um nicht direkt über sie herzufallen.
"Wieso seid ihr dann nicht geflohen sondern immer noch hier?", fragte ich sie interessiert.
Sie hielt kurz inne und wich dabei meinem finsteren Blick aus.
"Ich wurde aufgehalten", erwiderte sie schlicht, "Und da die Kajüte abgeschlossen war, dachte ich mir ich warte einfach bis ihr erwacht und versuche es dann erneut"
"Wieso habt ihr dann auf meinem Bett auf mich gewartet, wenn ihr mich allem Anschein nach so abscheulich findet?", hauchte ich, ganz darauf bedacht ihrem Gesicht noch näher zukommen.
Es schien sie wieder zu verunsichern, denn sie drehte den Kopf zur Seite um eine gewisse Distanz zu mir aufrecht zu halten. Ich beugte mich noch ein bisschen weiter zu ihrem Gesicht und strich ganz leicht mit meiner Nasenspitze über ihre Wange. Mary drehte sich verunsichert wieder zu mir und blickte mich ängstlich, doch zugleich auch erstaunt an. Beide starrten wir uns bestimmt minutenlang in die Augen bis ich ihr wieder etwas näher kam um die letzten Zentimeter zwischen uns zu überbrücken als es an der Tür hämmerte. Vor Schreck schreckte Mary hoch und da ich bis vor kurzem noch an ganz andere Dinge mit ihr gedacht hatte, war der Griff um ihre Handgelenke wieder so locker geworden, dass sie sich ohne weiteres losreißen konnte und direkt aufsprang. Wieder hämmerte es an der Tür.
Rasend vor Wut, da ich so nah dran gewesen war, richtete ich mich ebenfalls vom Bett auf und drehte mich mit einem letzten Blick zu ihr.
"Ihr schuldet mir noch eine Antwort", presste ich zwischen zusammengepressten Lippen hervor und näherte mich der Tür.
Hinter ihr befand sich niemand geringeres als Francis.
"Was willst du?", zischte ich wütend.
"Du sollst zum Captain anscheinend gibt es eine Planänderung. So lange übernehme ich die Wache über sie", antworte er schlicht.
"Die Wache?", hackte ich nach.
"Ja, du hast doch bestimmt selbst gemerkt, dass man das Ding nicht alleine lassen kann", bemerkte er trocken.
Irgendetwas stimmte hier doch nicht! Francis war mir gegenüber noch nie so kühl gewesen.
"Ach, das meinst du", entgegnete ich.
Er nickte. Ich schaute nochmal nach hinten und sah wie Mary sich auf den Diwan setzte.
"In Ordnung", meinte ich schulterzuckend und schloss die Tür hinter mir, "Sie gehört mir, Francis", erklärte ich mit einem bedrohlichen Unterton.
"Ich bin verheiratet, falls du das vergessen hast", zischte er mich an und ließ mich alleine im Flur stehen.
Wütend über mich selbst stieß ich mit meiner bloßen Faust gegen die hölzerne Täfelung.
Es hätte doch alles so einfach sein können. Wer weiß was jetzt passiert wäre, wenn uns niemand gestört hätte. Es war zum Haare raufen!
Mit einem lauten Seufzen machte ich mich auf den Weg zur Kajüte des Captains.
Wehe ihm, wenn das nicht wichtig war!
Es war kaum was los auf dem Schiff. Der Abend war hereingebrochen und die meisten der Schiffsleute waren unter Deck im Speiseraum. Oben konnte man das Gröllen der Seeleute vernehmen. Der Horizont wechselte langsam von seinem tiefen orange in ein leichtes lila was oben schon zu einem dunklen blau verschwamm. Es war eine wundervolle Aussicht. Ich atmete die kalte Seeluft ein. Wie sehr hatte ich England vermisst! Und meine Geschwister erst!
Geistesabwesend lief ich zum Rand des Schiffes um hinunter auf das immer dunkler werdende Meer zu schauen. Ich hatte auch das Wasser vermisst. Zum ersten Mal seit unserer Reise fühlte ich mich wieder richtig frei. Am liebsten wäre ich hier noch ewig so stehen geblieben, doch je schneller ich beim Captain war, desto schneller war ich auch wieder bei Mary. Mühsam entfernte ich mich wieder von der Reling und stapfte missmutig zur Kajüte des Captains. Nach einem lauten Klopfen und einem gedämpften Herein stand ich in der zweitgrößten Kajüte des Schiffes. In der Mitte stand ein riesiger Tisch, der übersät war mit den verschiedensten Karten. In der linken Ecke stand ein zerwühltes Bett in dem ich die Haare einer Frau erkennen konnte und direkt vor mir stand der Captain. Ein etwas griesgrämiger, in die Jahre gekommener Mann, dessen Haut ledrig aussah von der ganzen Seeluft. Im allgemeinen hatte er sehr viel Ähnlichkeit mit der See. Er sah etwas wild aus, war sehr eigensinnig und roch...naja etwas fischig.
"Ihr wolltet mich sprechen?", fragte ich.
"Sprechen?", hakte der Captain verwirrt nach während er sich das lose Hemd versuchte in die halb geöffnete Hose zu stecken.
"Es soll eine Planänderung geben, oder?"
"Die einzige Planänderung, die mir in den Sinn kommt, seid ihr der mich gerade von meinem Plan abhält", bemerkte er griesgrämig.
Ich blickte ihn etwas verwirrt an.
Francis hatte mich angelogen. Er wollte mich nur aus meinem Zimmer locken. Außerdem scheint der Captain jetzt wirklich etwas Besseres vorzuhaben als sich noch mit mir zu befassen.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, machte ich auf dem Absatz kehrt und ließ einen völlig verdutzten Captain hinter mir. Mit eiligen Schritten näherte ich mich meiner eigenen Kajüte.
Wehe dir Francis, wenn du sie auch nur anrührst!
Ich öffnete die Tür und blieb erstaunt im Türrahmen stehen.
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