4.

Das erste was ich spürte waren die unerträglichen Schmerzen in meinem Nacken. Dann spürte ich einen warmen Arm der um mich lag und darauf folgte, dass meine Hände gefesselt waren. Ich saß auf einem Pferd den Rücken an jemanden gelehnt.

Ich öffnete die Augen und konnte einen Hafen erkennen. Müde und mit einem noch immer verschwommenen Blick drehte ich mich um. Warte mal...einen Hafen? Wieso einen Hafen? Ich blinzelte mehrmals um mich auch wirklich zu vergewissern, dass meine Augen mir keinen Streich spielten.

Unser Land befand sich in Arras und von dort dauerte es zwei Tage zu Fuß. Ich rieb mir meinen noch immer schmerzenden Kopf und überlegte. Wir konnten doch nie im Leben schon zwei Tage unterwegs sein. Außerdem wären wir nie an einem Hafen vorbei gekommen, oder?

Blau traf Grün. Strahlendes Blau traf auf verschwommenes Grün. Ich blinzelte ein paar Mal um dann vor mir den Mann zu erblicken, der mir anscheinend eins mit seinem Schwert übergezogen hatte.

"Ich weiß, ich bin ein richtiges Bild von einem Mann, aber irgendwann musst auch du aufhören mich an zustarren"

Meine Wangen färbten sich rot. Vor Wut und vor Scham.

"Ich habe euch nicht angestarrt!" ,erwiderte ich dann aufgebracht, "Wo sind wir? Wieso sind wir jetzt hier? In einem Hafen?", rief ich wütend.

Der Hauptmann sah mich spöttisch an, sodass sich unter seinen Augen kleine Fältchen abzeichneten.

Er kam mit seinen Lippen nah an mein Ohr und hauchte:"Vergiss nicht mit wem du hier redest. Ich kann jederzeit nach meinem Schwert greifen also komm bloß nicht auf dumme Gedanken. Du weißt so viel wie du wissen musst"

Ich schluckte die Drohung runter und verschränkte meine Arme.

Im Endeffekt weiß ich rein gar nichts. Weder was hier mit mir geschieht noch wo wir hinreiten.

"Wieso sind wir jetzt in einem Hafen?", fragte ich wieder.

"Wir müssen zu meinem König", meinte er schroff und stieg von seinem Pferd ab.

Durch den fehlenden Halt seines Arms fiel ich nach vorne auf den Knauf des Sattels, der sich schmerzend in meine Brust drückte. Der Hauptmann zog mich an meinem Arm wieder hoch.

"Halt dein Gleichgewicht", tadelte er mich.

Er nahm die Zügel des Pferdes und zog das Pferd mit sich zu einer Gruppe von Männern. Das müssten die drei Soldaten sein, die meinen Vater transportierten.

Meredith. Was hatten sie nur mit Meredith gemacht?

Wie ein Blitz schossen mir die vergangenen Ereignisse ins Gedächtnis.

Merediths Schreie
Ihre Warnung
Die Spielschulden meines Vaters
Meine Flucht

Wie aus Reflex wollte ich an meinen schmerzenden Hinterkopf fassen bis ich merkte, dass meine Hände ja gefesselt waren.

Bei den Gedanken an Meredith sammelten sich Tränen in meinen Augen. Sie war immer wie eine große Schwester für mich gewesen. Hasserfüllt blickte ich zu den Soldaten und dem Mann, der mich eben noch getadelt hatte.

Er musste der Hauptmann sein. Sie redeten über irgendetwas, aber so leise das ich es nicht hören konnte. Trotzdem könnte ich, da er jetzt abgelenkt war versuchen zu fliehen. Vater befand sich nämlich seinen Rausch ausschlafend in einem rollenden Käfig, dass an eins der Pferde der Soldaten gespannt war.

Es war viel los und der ganze Trubel der Menschen würden ihnen den Weg zu uns versperren. Außerdem könnten die Soldaten gar nicht so schnell reagieren und-

"Denk nicht einmal daran", zischte der Hauptmann und zog das Pferd näher zu sich.

Ich schaute hoch und sah in seine funkelnden Augen. Genervt drehte ich den Kopf weg. Ich könnte mich auch nur mit dem Pferd wegstehlen, aber Vater...Nein ich kann ihn nicht im Stich lassen. Auch, wenn er der Grund für das alles war.

Der Hauptmann zog das Pferd weiter in eine kleine Gase. Die Soldaten folgten ihm. Sie schienen auf etwas zu warten. Inzwischen dämmerte es schon und der Wind wurde immer kälter. Ich verfluchte mich morgens keinen Umhang angezogen zu haben.

Ein Mann in einen schwarzen Umhang gehüllt kam auf den Hauptmann zu. Sie redeten über irgendetwas und dann folgten ihm alle. Ich verstand nur einige Fetzen. Irgendetwas war bereit...bald auslaufen...erwarten...

Das Schiff! Darauf warteten sie also...es war bereit und würde bald auslaufen. Irgendjemand schien uns zu erwarten, aber ich hatte nicht die geringste Ahnung wer.

Blanke Panik ergriff mich. So lange ich denken konnte, hatte ich in Frankreich gelebt um genau zu sein in Arras. Ich war nie weiter als zu den Stadtmauern gekommen. Wer weiß wo diese Soldaten hin wollten? Vielleicht waren sie ja Freibeuter? Und ihr König war der König der Piraten?

"Richard!", rief eine männliche Gestalt auf dem Schiff, das vor uns stand. Ein junger Mann im gleichen Alter wie der Hauptmann (der anscheinend mit Richard gemeint war) stieg die Planke hinab, die das Schiff mit dem Hafen verband.

Der Mann zog Richard in eine Umarmung. Ich beäugte beide komisch und unterdrückte im gleichen Moment ein Frösteln. Es war doch zu kalt!

"Ohh wer ist dieses hübsche Ding hier?", fragte er mit dem Zeigefinger auf mich gerichtet und mit seinen Augen verschlingend.

"Das-", Richard schob seinen Finger weg und zog die Zügel enger, sodass mein Knie jetzt seinen Rücken berührte, "Ist Mary, die Tochter des Bauern"

Bei meinem Namen funkelten seine Augen auf. Er nickte und wandte sich dann wieder an Richard.

Woher wusste er überhaupt wie ich hieß? Hatte mein Vater etwa alles von uns preisgegeben?

"Das Schiff ist bereit dein Vater erwartet uns bereits", meinte er und ging ohne weiteres die Planke hoch. Richard und die anderen Soldaten taten es ihm gleich.

Einer der drei Soldaten kam auf mich zu. Er hatte blondes Haar und grüne Augen. Er schien genauso groß wie Richard zu sein. In einer schwungvollen Bewegung zog er sich den schwarzen Umhang von den Schultern und legte ihn mir wortlos über die Schultern. Man musste mein Zähneklappern also gehört haben. Dankend lächelte ich ihn an, doch es kam kein Wort von dem jungen Mann mit den blonden Locken.

Richard schien seine Geste einfach zu ignorieren, denn er zog mich unsanft vom Pferd und schubste mich mein Handgelenk umklammert die Treppen runter. Das Schiff war von Nahem betrachtet noch riesiger.

Es war aus dunklem Holz und schien nur diese eine Treppe zu haben. Und eine Kajüte oben, aber anscheinend war diese mir verwehrt. Unten war es dunkel und es roch stark nach Bier.

Hoffentlich war das nicht mein Quartier. Es war stockduster und es wunderte mich, dass er überhaupt etwas sehen konnte. Ich erwartete im Moment das Schlimmste, doch er zog mich wortlos wieder die Treppen hinauf.

Nun merkte ich auch, dass das Schiff in Bewegung gesetzt wurde, da es immer mehr schaukelte und sich mein Magen zu melden begann.

Richard öffnete mit einem Schlüssel die Tür zur Kajüte und schubste mich hinein. Er folgte mir und schloss die Tür sofort wieder ab. Ich war nach vorne gestolpert und gestrauchelt auf dem Boden gelandet.

Jetzt würde er sich alles nehmen.

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