14.
"Das klingt traurig", bemerkte ich leise.
"Zuerst kam es mir auch so vor", murmelte sie in Gedanken verloren, "Doch mit der Zeit bemerkte ich auch die guten Sachen daran. Mir mangelt es nicht an Essen, ich habe ein Dach über dem Kopf und oh welch Wunder! Es gibt auch immer Arbeit! Trotzdem dauerte es seine Zeit bis ich mich vollends an mein neues Leben gewöhnt hatte. Ihr müsst wissen, dass eine jungfräuliche Dirne bei ihrem ersten Mal eine sehr hohe Summe für ihren Freier einspielt, daher war mein erster Kunde auch ein alter sehr wohlhabender Mann, der mich danach noch mehrmals besucht hat"
"War es denn nicht...naja etwas...", ich gestikulierte wild mit meinen Händen.
"Ekelhaft?", fragte sie lachend und ich nickte.
"Ja, aber auch daran gewöhnt man sich mit der Zeit. Außerdem ist mir mit der Zeit auch klar geworden, dass es nicht auf das Äußerliche eines Mannes ankommt oder auf sein Geld...naja so lange er eben für meine Dienste zahlen kann, sondern auf seinen Charakter und seine Art wie er mich behandelt. Mein erster Kunde war zwar alt und vielleicht nicht der Ansehnlichste, aber er war wirklich sanft zu mir und klärte mich über so manche Dinge auf. Ich war bis zu diesem Zeitpunkt extrem unerfahren und kannte mich überhaupt nicht mit meinem Beruf aus. In den ersten Tagen, in denen ich in dem Freudenhaus wohnte, hatten mich zwar schon die älteren Dirnen etwas mehr aufgeklärt, aber es ist immer noch etwas anderes es von einem Mann zu hören"
"Er hat euch erzählt was ihr zu tun habt?", fragte ich etwas ungläubig.
"Ja, natürlich. Eigentlich sagt mir jeder Mann was er von mir will. Gestern zum Beispiel, da gab es einen Mann der wollte, dass nur ich ihn anfasse", sie hatte wohl an meinem Gesichtsausdruck erkannt, dass ich absolut keinen Schimmer hatte was sie damit meinte, "Na ich hab seinen Schwanz angefasst", prustete sie dann.
Ich lief nur noch rot an und wollte bei diesen Worten am liebsten im Erdboden versinken. Das meinte sie doch nicht ernst? Mein Verhalten heizte die Frau noch mehr an und jetzt hielt sie sich schon lachend den Bauch.
"Du bist ja so ein schüchternes Mäuschen!"
Ich fühlte mich einfach nur noch lächerlich und wollte so schnell wie möglich wieder in Richards Kajüte. Zwar konnte ich seinen Anblick immer noch nicht sehen, aber es war immerhin besser permanent ausgelacht zu werden.
"Ich denke, ich sollte jetzt mit dem relevanten für dich anfangen", meinte Anne.
Ich nickte und blieb trotzdem angespannt auf dem Bett sitzen.
"Zwar hat sich mein allererster Kunde sehr viel Mühe gegeben, doch es hat weh getan", erklärte sie, "Ich denke bei euch wird es nicht anders sein. Männer sind in dieser Sache meistens sehr egoistisch. Es geht bei der Vereinigung daher auch nicht um euch sondern um den Mann. Es wird euch weh tun und ihm naja ihm wird es äußerst Spaß machen"
"Tut es sehr weh?", fragte ich etwas ängstlich.
Sie begutachtete mich wieder eingehend und erwiderte dann: "Es kommt auf euren Mann an. Er hat sehr viel Einfluss darauf. Es gibt Männer", und jetzt wechselte ihre sonst sehr fröhliche Stimme in ein scharfes Zischen, "Die Frauen gerne weh tun und ihr auch dabei weh tun wollen. Oder die dabei Lust empfinden"
Ich sah sie ungläubig an.
Welcher Mann sollte denn so etwas tun? Und wieso?
Es schien als könnte Anne in diesem Moment meine Gedanken lesen.
"Nicht jeder Mann kann lieben. Oder will es. Für sie ist die Vereinigung nur für sich selbst da. Sie wollen kein Kind damit zeugen oder euch ihre Liebe. Sie wollen bloß ihre Lust loswerden. Un das geht am einfachsten, wenn eine Frau ihre Beine breit macht", erklärte sie schlicht.
Vielleicht sagte sie das auch, weil sie eine Hure war und keinen Ehemann hatte. Natürlich wurde sie von Männern nur für diese eine Sache benutzt. Wer wollte denn schon eine Hure heiraten?
Mir wurde es langsam zu bunt mit dieser Frau und ich wollte endlich gehen. Ich stieg von dem Bett auf und strich die Falten meines Kleides glatt.
"Danke für diese Geschichten, aber ich denke wirklich ich sollte langsam gehen. Mein Bruder macht sich bestimmt schon Sorgen um mich"
Ich versuchte so überzeugend wie möglich zu klingen.
"Euer Bruder hieß Richard oder?", fragte sie.
"Ja", antwortete ich schlicht und wollte schon zum gehen ansetzen.
Anne schmunzelte leicht.
"Er war gestern mein Kunde", bemerkte sie wie beiläufig.
Ich hielt die Luft an. In meiner Brust spürte ich ein schmerzhaftes Stechen. Doch irgendwie wunderte es mich nicht mehr. Dann war es auch kein Wunder, dass er heute so auf dem Diwan gelegen hatte.
"Wie schön", zischte ich zynisch, "Für ihn"
"Interessiert es euch, denn gar nicht?", fragte sie.
"Wieso?"
"Ihr seid nicht seine Schwester, das habe ich schon beim ersten Wort, welches ihr sagtet bemerkt", höhnte sie jetzt.
"Ich bin seine Schwester", zischte ich mit geballten Fäusten.
Anne verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf, dann stand sie auf und blieb direkt vor mir stehen.
"Er hat mich gestern gefickt, wenn du das wissen willst. Und ich denke er hat in keiner Sekunde an dich gedacht", lachte sie wieder.
Ich presste meine Lippen fest aufeinander. Egal was ich jetzt sagen würde, es würde nur noch ein Schluchzen aus meinem Mund kommen. Ich drehte mich um und stolzierte aus dem Raum. Ich riss die Tür auf und ließ sie hinter mir laut ins Schloss fallen. Jetzt musste ich es nur noch wieder zurück in Richards Kabine schaffen ohne vorher in Tränen auszubrechen.
Der Flur kam mir jetzt noch dunkler und länger vor. Er benutzte mich also nur für irgendwelche seiner Spielchen? Die Stelle in meiner Brust schmerzte immer noch. Seufzend blieb ich vor der Kabine stehen und bereitete mich darauf vor von Richard eine Standpauke zu erhalten. Ich öffnete langsam die Tür und trat hinein. Nach ein paar Minuten und vorsichtigem umherschauen merkte ich, dass sich niemand außer mir in der Kabine befand. Der Diwan war leer und nur noch die Decke, in die Richard gewickelt war, lag unordentlich darauf.
Wo war Richard?
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