13.

"Ich habe noch nie eine richtige Dirne gesehen", murmelte ich leise mehr zu mir selbst als zu der vollbusigen Frau vor mir. 

Diese antwortete natürlich wieder mit schallendem Gelächter. 

"Als Schwester eines Kaufmannes habt ihr ja wahrlich nur Schiffskajüten begutachtet!", lachte sie. 

Ich versuchte unsicher zu lächeln. Und stocherte peinlich berührt mit meiner Schuhspitze über den dunklen Holzboden. Plötzlich kam mir das Schiff so unsagbar eng vor. Die Wände schienen sich auf mich zu zubewegen und mich zerdrücken zu wollen. 

"Das stimmt wohl", meinte ich leise. 

"Seid doch nicht so schüchtern!", munterte sie mich auf. 

Ich war glücklich, dass ihr Lachen endlich verstummt war. Sie musterte mich wieder mit ihrem prüfenden Blick und fuhr sich dann mit ihrer rechten Hand über die langen offenen Haare. Dann stemmte sie ihre Hände in die Hüften und schürzte die Lippen. 

"Mir scheint", und jetzt beugte sie sich zu mir, sodass nur wenige Zentimeter unsere Nasenspitzen trennten; ",dass das nicht das einzige ist, von dem ihr kaum etwas wisst", flüsterte sie. 

Ich öffnete direkt meinen Mund um irgendeinen Widerspruch zu geben, doch so schnell wie das ging, schloss er sich auch wieder. Sie hatte Recht. Wieso konnte sie so gut in meinem Gesicht lesen? Wollte sie sich jetzt aus mir einen Spaß erlauben? Oder stellte sie die Situation extra so dar um mir ihre Hilfe anzubieten?

"Da habt ihr wohl Recht", hauchte ich kaum hörbar. Ihre Augen weiteten sich kurz vor Erstaunen und nahmen dann wieder den gleichen amüsierten Ausdruck an. Sie kam etwas näher und legte ohne noch etwas zu sagen ihren Arm über meine Schultern und zog mich mit sich den langen dunklen Flur entlang. 

"Wohin gehen wir?", entfuhr es mir erschrocken, sodass ich in meinem Gehen direkt stoppte. 

"In meine Kajüte, ich denke ich kann euch noch so einiges erzählen", lachte Anne. 

Erzählen? Worüber denn? Über den Akt von Mann und Frau? Hatte Francis sie etwa geschickt?  

"Ich glaube ich sollte wieder zurück in meine Kajüte, mein Bruder sucht mich bestimmt schon", versuchte ich sie abzuwimmeln und nahm gleichzeitig ihren Arm von meinen Schultern. 

"Richard hieß euer Bruder, nicht wahr?", vergewisserte sie sich nachdenklich.

Ich nickte zustimmend während Anne plötzlich wieder in schallendes Gelächter verfiel. 

"Ich denke, er wird heute den ganzen Tag noch seinen Rausch von gestern ausschlafen müssen", kicherte sie. 

"Welchen Rausch?", fragte ich so unschuldig wie möglich. 

"Na, gestern! Ach ihr wart bestimmt nicht dabei! Gestern abend hat die ganze Besatzung unter Deck gefeiert! Euer Bruder war auch dort. Ich habe noch nie einen Mann in so wenig Zeit so viel Bier trinken sehen!", erzählte sie. 

Mein Herz war kurz stehen geblieben. Ich hatte schon Angst gehabt sie würde mir irgendetwas von ihrer Arbeit im Zusammenhang mit Richard erzählen. Da Anne mich weiter anlächelte, versuchte ich mir auch wieder ein leichtes Lächeln aufzuzwingen auch, wenn es mich wirklich Mühen kostete. Langsam wurde sie mir wieder sehr unsympathisch. 

"Da mögt ihr wohl Recht haben", fing ich an, "Doch ich denke, es ist trotzdem besser, wenn ich mich langsam wieder in meine Kabine begebe bevor er noch jemanden nach mir suchen schickt", versuchte ich sie wieder abzuwimmeln. 

"Gut, wenn ihr meint. Ich dachte nur, dass es euch vielleicht interessieren würde ein bisschen mehr über meine Arbeit zu erfahren", murmelte sie und ging ein paar Schritte nach vorne. 

Tief in meinem Inneren zerriss mich meine Neugier und ich kämpfte mit mir selbst nicht nach ihr zu rufen. Und ob es mich interessierte zu wissen wie es ist als Dirne zu arbeiten! Ich konnte mir ehrlich gesagt in diesem Moment auf dem Schiff keine spannendere Geschichte denken als die ihre. Ich nahm also all meinen Mut zusammen und warf damit auch die letzten Funken meines Stolzes und Selbstwertgefühls über Bord. 

"Ich denke mein Bruder kann warten", rief ich ihr zu, was Anne abrupt zum stoppen brachte. 

Sie drehte sich mit einem siegessicheren Lächeln zu mir und ich hätte wetten können, dass sie nichts anderes von mir erwartet hätte. Sie kam wieder auf mich zu und legte wieder ihren Arm um meine Schultern um mich zu ihrer Kabine zu bugsieren. 

"Na dann lasst uns mal anfangen", sprach sie geheimnisvoll. 

Wir blieben vor einer massiven Holztür stehen. Anne klopfte sicherheitshalber ein paar Mal um sich auch wirklich zu vergewissern, dass gerade niemand "arbeitete" wie sie so schön sagte. Nach ein paar stillen Minuten öffnete sie die Tür und wir traten in einen sehr stickigen und etwas dunklen Raum. Es standen mehrere Betten verteilt in der Mitte, die durch rote Baldachins den Hauch von Privatsphäre vermitteln sollten. Die Luft war geschwängert von einem eigenartigen Geruch, denn ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu beschreiben vermochte. 

"Macht es euch bequem", wies mich Anne an während sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ. 

Etwas unsicher blieb ich dem Raum stehen und merkte dann wie Anne einfach an mir vorbei lief und sich auf eines der drei Betten fallen ließ. Als sie merkte, dass ich immer noch etwas ratlos in dem engen Raum stand, setzte sie sich kurz auf und klopfte dann auf den Platz neben ihr auf dem Bett. Innerlich wieder mit meinen Selbstzweifeln ringend, schlürfte ich auf das Bett zu und setzte mich übervorsichtig und mit möglichst großem Abstand zu der Dirne auf das Bett. 

"Na, dann schießt mal los: Was interessiert euch?", fragte sie. 

Ja, Mary was willst du wissen? Vielleicht wie das jetzt wirklich funktionierte? Konnte ich das einfach so fragen? Oder wie es so war ständig mit verschiedenen Männern anzubändeln?

"Ich...ich", stotterte ich. 

Sie setzte sich wieder stöhnend auf und sah mich lange an. 

"Ihr seid wirklich ein schüchternes Kirchenmäuschen", bemerkte sie und strich sie nochmal durch die Haare, "Gut, dann fange ich einfach mal an. Ich bin seit meinem dreizehnten Lebensjahr eine Dirne. Davor hatte mich ein Händler von meinen Eltern abgekauft, da sie so hoch verschuldet waren. Nun ja, dann kam ich von diesem Händler weiter in ein Freudenhaus. Zuerst kam es mir sehr schlimm vor meinen Körper für so welche für mich früher noch schändlichen Taten zu verkaufen, aber mittlerweile habe ich mich einfach mit meinem Schicksal abgefunden", erzählte sie. 

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