Kapitel 9

Jeder, der den Korb des Ballons bestiegen hatte, verschwand vor den Augen der anderen.
„Das ist aber jetzt blöd!", beschwerte sich Arosa.
„Etwas ungewöhnlich!", schloss sich Xasabra überraschend zustimmend an.
Rosie versuchte, nicht auf eines der beiden Tiere zu treten, gruselte sich schon auch ziemlich.

Eine Männerstimme lachte leise auf, kurz darauf fühlten die drei Magie-Ungeübten etwas wie ein leichtes Netz, das sich sanft über sie legte – und plötzlich wurde einer nach dem anderen wieder sichtbar.

„Heilige Kacke!" stieß die Katze aus. Xasabra sah sie zwar gewohnheitsmäßig strafend an, schwieg aber überraschenderweise. Wahrscheinlich hatte sie dasselbe gedacht – was sie aber natürlich nie zugegeben hätte.


Rosie, die die Tierchen mittlerweile schon ziemlich gut kannte, verbiss sich wieder einmal ein Lachen.
Kasimir löste die Halteleine, und wie von Geisterhand stieg der noch immer unsichtbare Ballon nach oben in Richtung eines blitzblanken Himmels.

Rosie war sich nicht mehr so ganz sicher, ob sie diesen Teil des Abenteuers mochte. Sie versucht krampfhaft, nicht nach unten zu sehen, betrachtete lieber die sieben Zauberer genauer.
Sie waren von unterschiedlicher Statur, und waren auch nicht alle gleich alt. Marten war wohl der Älteste, und er war der Kleinste.

Der Jüngste schien Kasimir zu sein, und er sah nicht mal schlecht aus. So ein Richard Gere Typ. Sie mochte dessen alte Filme sehr gern.
Beatus kam ihrer Vorstellung von einem Zauberer am nächsten. Großgewachsen, weißes, etwas zu langes Haar und ein weißer Bart, der aber nicht wallend lang war, sondern sauber gestutzt. So einen Großvater hätte sie gerne gehabt.

Cajus, Melander und Terzio sahen sich überraschend ähnlich. Ob sie wohl Brüder waren? Fast die gleichen Gesichtszüge und die gleiche Haarfarbe, wenn die auch etwas unecht wirkte. Dieses dunkle Braun kam sicher aus einer Tube.

Salotins knallrote Mähne schien dagegen echt zu sein.
Alle Männer trugen modische, teuer wirkende Anzüge. Als Rosie mit ihrer Betrachtung fertig war, sah sie wieder nach unten. Es war zwar mittlerweile Nacht geworden, aber die Lichter der Autos und Dörfer zeigten ihr, wie hoch sie gestiegen waren.

Es war schon ziemlich crazy, auf einem nicht sichtbaren Boden zu hocken und durch die Dunkelheit getragen zu werden.

Die Lasagne stieg ein bisschen ihre Speiseröhre hoch, sie versuchte krampfhaft zu schlucken.

Um sich abzulenken, fragte sie Cajus, während sie auf Melander und Terzio zeigte: „Seid ihr Brüder?"
„Cousins", antwortete Cajus lächelnd. Er bewunderte das Menschenkind. Das war schon ein ausnehmend tapferes Mädchen. „Unsere Väter waren Brüder."

Marten lachte auf. „Sie waren die drei Unwiderstehlichen, als sie jung waren. Und alle waren scharf auf Kalopeia."
Xasabra zog hörbar die Luft ein. „Ihr herzlich zugetan", flüsterte sie leise.
Arosa grinste vor sich hin, blinzelte Rosie zu.

„Sie war aber auch ein heißer Feger!", erklärte Cajus lachend.
„Eine hübsche Junghexe." Die Krähe litt Höllenqualen.
„Mach dich locker!", empfahl Arosa ihrer Freundin. „Gegen uns alle kommst du nicht an!"

Rosie lachte laut los. „Wenn du es gar nicht mehr ertragen kannst, schalt halt deinen Translator ab!", schlug sie vor.
Xasabra seufzte tief. Für ihr Seelenheil wäre das sicher am besten. Aber andererseits war sie auch neugierig, was sie so alles über Kalopeia erfahren könnte. Sie nahm sich vor, die Dinge etwas leichter zu sehen – nicht, dass sie während dieser Ballonfahrt noch graue Federn bekam.
Das würde dem hübschen Krähenmann, der sie seit einiger Zeit umschwärmte, vielleicht nicht so gut gefallen.

Sie machte ein paar Atemübungen zur Entspannung und lauschte dann weiter dem Gespräch.

Melander, einer der drei Cousins lachte gerade in Erinnerung an ihre gemeinsame Jugend. Aber es lag auch etwas Bitterkeit darin. Kalopeia hatte ihm damals mehr als gefallen. Aber sie hatte immer nur Augen für Marten gehabt.

Sie hatte es zwar immer weit von sich gewiesen, wenn irgendjemand darauf anspielte, dass sie beiden ein Paar waren.
„Wir sind nur Freunde!", hatte sie immer sehr bestimmt von sich gegeben, aber geglaubt hatte er es ihr nie.
Ständig steckten die zwei zusammen, angeblich lernten sie. „Was halt!", hatte er immer gedacht, und die Eifersucht hatte ihn schon ziemlich gebeutelt.

Und doch war wohl kein Paar aus Marten und Kalopeia geworden, zumindest nicht für längere Zeit.
Aus seinen Gedanken heraus fragte er seinen Zaubererfreund: „Warum seid ihr eigentlich nie zusammengekommen?"

Martens Blick schweifte ab. „Ich war nie gut genug für sie."

Arosa rieb sich sanft an seinem Bein. „Doch! Das wärst du schon gewesen", erklärte sie leise, und Xasabra nickte zustimmend. „Sie hat uns oft vor dem Einschlafen von dir erzählt!"

Marten sah die Katze überrascht an. „Und was genau?"
Arosa erwiderte seinen Blick verschmitzt grinsend. „Katzen-Krähen-Hexen-Geheimnis!"

Xasabra schenkte ihr einen bewundernden Blick. Das Fellknäuel hatte es ja manchmal ganz schön drauf. Wahrscheinlich hatte die eine oder andere Lehrstunde endlich Früchte getragen.

Schließlich übermannte die bunt gemischte Truppe die Müdigkeit, alle außer Kasimir fielen in einen leichten Schlummer.

Die Sonne stieg schon wieder über die Höhenzüge der Eifel, als Kasimir den Ballon langsam sinken ließ.

„Lasst die Zaubernetze auf. Dann können wir uns sehen, bleiben aber für alle anderen unsichtbar", erklärte der Fachmann vor dem Aussteigen.
„Damit kann ich aber nicht fliegen!", wandte Xasabra ein.
„Und ich nicht durch die Welt spazieren!" Arosa grinste die Krähen-Freundin an. Die blinzelte mit einem Auge, hob zustimmend einen Flügel.

„Versucht es!" japste Kasimir lachend. „Man kann viel, wenn man daran glaubt!"
Und tatsächlich schwang sich Xasabra in die Lüfte, Arosa sprang anmutig aus dem Ballonkorb.

Dann machte sich der ungleiche Trupp auf den Weg in das Eifeldorf, in dessen Nähe sie gelandet waren. So früh am Morgen lag die Straße noch einsam vor ihnen, leichter Nebel lag  über den Wiesen.
„Müssen wir jetzt jedes Dorf und jedes Haus ablatschen?", fragte Arosa missmutig, als sie die ersten Höfe erreicht hatten.

Xasabra war auch schon ziemlich flügellahm, zu müde, um die Freundin zu verbessern. Natürlich hätte man das besser ausdrücken können, aber es gab heute wirklich Wichtigeres zu tun.
Man musste schon Prioritäten setzen.

Kasimir nahm die Katze auf den Arm. „Komm her! Ich trage dich ein Stück!"

Ein blinzelnder Blick aus grünen Augen dankte es ihm. Arosa schmiegte sich an ihn. „Mir tun schließlich vier Füße weh, euch nur zwei!", erklärte sie.
„Pfoten!", konnte sich Xasabra nicht verkneifen. „Tiere haben Pfoten!" Alles konnte sie auch nicht durchgehen lassen, das war wider ihre Natur.

Doch so willkürlich war Kasimir nicht gelandet. Er hatte an seinem Armband Signale sowohl von einem Zauberer als auch von einem Hexenamulett erhalten – sehr schwach zwar, aber eindeutig. Ob es das von Kalopeia war, konnte er nicht sagen, aber es schien eher unwahrscheinlich. Es wirkte nur, wenn es die Besitzerin selbst trug.

Was entweder bedeutete, dass die, die sie suchten wieder frei war, oder ...

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