Epilog

10 Jahre später

Es sollte der schönste Tag im Leben von Rosalie Berger werden, natürlich - so wie es Hochzeitstage immer sind, wenn auch diese Hochzeit eine der besonderen Art war.

Eine wunderhübsche Braut schritt auf dem Waldweg auf einen gutaussehenden Bräutigam zu. Sonnenstrahlen brachen durch das Blätterdach, erwärmten die feuchte Kühle.

Anstatt nach Weihrauch und Kerzenwachs duftete es nach Moos und Pilzen, anstelle von Rosenbögen säumten saftig-grüne Farne den Weg. Die Schleppe von Rosies knallrotem Kleid trugen keine jungen Brautjungfern, hinter ihr schritt eine ältere, gut gekleidete Dame.
Vier etwa gleichaltrige Herren zur Linken der Braut und vier zu ihrer Rechten geleiteten sie zu ihrem zukünftigen Ehemann, sprachen am Ziel gleichzeitig die Worte: „Wir übergeben dir das Wichtigste in unserem Leben, unsere Rosie. Liebe, ehre und beschütze sie, bis dass der Tod euch scheidet."

Lukas blinzelte eine Träne weg, nahm die Hand der schönen jungen Frau, sah ihr tief in die blauen Augen und antwortete: „Das werde ich. Ich könnte ja gar nicht anders."

Dann begann Marten mit der Zeremonie. Kein Orgelklang war zu hören, aber alle Singvögel des Zauberwaldes hatten eine Menge an Liedern einstudiert.
Kalopeia überreichte Lukas die Ringe, die Marten gesegnet hatte.

Xasabra und ihr hübscher Krähenmann sangen zusammen mit ihren unzähligen Kindern, Enkeln und Urenkeln das Abschlusslied. Seit sie erfahren hatte, dass die Menschen die Krähen zu den Singvögeln zählten, war sie auch überzeugt und nicht mehr davon abzubringen gewesen, dass Ihresgleichen wirklich singen kann.

Da Glaube ja Berge versetzen kann und nichts wichtiger ist als der Glaube an sich selbst, hatte sich die Sangeskunst in ihrer Familie tatsächlich immer mehr verbessert, so dass der Krähenchor oft für Feste gebucht wurde.

Arosa, in die Jahre gekommen, aber der Freundin noch immer innig verbunden, scharte ihre vielen Nachkommen, deren Ahnen sie und der weiße Kater neben ihr waren, um sich, und alle miauten leise mit.

Nach dem offiziellen Teil nahmen alle auf dem weichen Waldgras Platz, ließen sich das vorzügliche Mal schmecken, das die Zauberer vorbereitet hatten.

Anschließend ergriff Kalopeia das Wort. „Liebe Rosalie! Vor zehn Jahre haben die Jungs hier und ich, so wie auch Xasabra und Arosa erfahren, was du für ein besonderes Mädchen bist. Du hast dich auf ein Abenteuer eingelassen, das dein Verstand zuerst nicht akzeptieren wollte, doch dein Herz, offen für alles, hat ihn schnell überzeugt. Seit damals ist viel Gutes geschehen, wir wissen es alle. Doch das Beste ist, dass du deinen Lukas gefunden hast, der dich so annehmen kann, wie du bist – auch wenn sein Verstand sich schwer tat, alles zu akzeptieren, bis sein Herz ihn überzeugt hat."

Sie lächelte den jungen Mann an, den sie auch sehr lieb gewonnen hatte, allein schon dafür, dass er die junge Frau, zu der Rosie geworden war, die Tochter, die sie nie gehabt hatte, liebte.

Lukas lächelte zurück, erinnerte sich an die Zeit, als er Rosie kennengelernt und sich Hals über Kopf in sie verliebt hatte. Anfangs hatte es ihn immer ein bisschen gewundert, dass das kluge Mädchen nicht studierte, sondern viel Zeit mit der alten Frau und dem alten Mann verbrachte.

Als sie ihm schließlich gestand, dass sie in den Künsten der Hexerei und der Zauberei unterrichtet wurde, hatte er sich von ihr getrennt, war davon überzeugt gewesen, dass sie verrückt sei.

Doch eines Tage bekam er Besuch von einer Krähe und einer Katze, die sein Laptop benutzten, als gäbe es nichts Normaleres auf der Welt. Eine Weile dachte er noch, was er da erlebte, sei ein Traum, der dem Alkoholkonsum des Vortages geschuldet wäre. Er hatte versucht, den Trennungsschmerz zu ertränken.

Allerdings ließen die Tiere nicht locker, berichteten davon, wie sie Rosie kennengelernt, und er lachte sich halb kaputt über Katze und Krähe. Nachdem er auch da noch nicht aus seinem Traum aufgewacht war, musste er wohl oder übel glauben, was er erlebte.

Es folgte die Versöhnung mit Rosie, seiner kleinen Lernhexe. Von da an unterstützte er sie neben seinem Medizinstudium, so oft er nur konnte. Er lernte ihre Freunde kennen, schloss sie tief in sein Herz.

Kalopeia hatte ihm die Zeit für seine Reise in die Vergangenheit gegeben, bevor sie mit ihrer Rede fortfuhr.

„Heute nun habe ich ein Geschenk für dich, liebe Rosalie." Sie zog ihr Amulett über den Kopf, überreicht es der jungen Frau. „Der Hexenzirkel hat die Prüfung, die du bei mir abgelegt hast, anerkannt. Nimm diese Kette, erinnere dich immer daran, was das Ziel unserer Gruppe war und sein wird: Friede, Freiheit, Gerechtigkeit"

Sie legte das Geschmeide um Rosies Hals.

Plötzlich drang ein heller Lichtstrahl durch das Blätterdach.
Kalopeia nahm Marten an der Hand, die beiden bewegten sich auf den gleißenden Schein zu. „Für uns wird es Zeit, zu gehen!", flüsterte sie, dann nahm das strahlende Gold sie auf.

Die Vögel verstummten, sogar die Bäume beendeten das Rauschen im Wind.
Tiere und zurückgebliebene Zauberer erhoben sich wie Rosalie und Lukas.
„Keine Tränen!", hörten sie noch aus dem Nichts, das zurückgeblieben war.

Am nächsten Tag brachte Kasimir Lukas und Rosalie mit dem Ballon nach Berlin, mit einer ganz offiziell angemeldeten Fahrt. Rosies Eltern, die auf ihre Weise dazu beitrugen, die Welt etwas besser zu machen, hatten eine große Hochzeit für ihre einzige Tochter geplant – oder vielmehr planen lassen - zu mehr fehlte einfach die Zeit.

Denn noch immer mussten sie als engagierte Politiker das Land retten, ohne je eine Ahnung davon bekommen zu haben, wie sehr ihre Tochter sie dabei seit Jahren unterstützte.

                                                                                     ******* Ende*******


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ca. 20.896 Wörter
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