Prolog
Der tosende Wind schlug mir um die Ohren, als ich dort oben auf dem Hügel stand und dir in deine Augen sah. Die Wiese unter meinen Füßen fühlte sich wie ein eleganter Teppich an, den ich noch von früher kannte.
Es waren so viele Jahre – Jahrhunderte – Jahrtausende – so viel Zeit vergangen. Nie hätte ich geglaubt, dass es wirklich so jemanden gibt, wie dich. Jemandem, bei dem mein ganzes Leben normal zu sein scheint. Aber war es das wirklich? Normal? Es war nur ein Wort. Und doch lag dort hinter eine Bedeutung, die für mich als unerreichbar galt. Aber in diesem Moment wollte ich das wirklich. Normal sein. Auch wenn es nicht lange sein würde, wollte ich den Moment, so lange er auch anhalten würde, in all seiner Pracht genießen.
Deine langen, glänzenden, goldenen Haare peitschten im Wind, während deine smaragdenen Augen mit so viel Entschlossenheit herausstachen, wie ich es bisher bei noch niemandem gesehen habe. Dabei habe ich schon unzählige Leute gesehen, getroffen und begleitet.
Selbst das Rauschen der Wellen, die hinter mir gegen die Felswand schlugen, kamen mir friedlicher vor, als sonst. Dazu musste ich nur deinen Blick einfangen und ... die Welt um mich herum vergessen. Es war so, als wenn ich endlich glücklich wäre. Aber konnte ich das denn? Mit jemandem glücklich sein? Es würde niemals gehen. Es war zwar noch nie so, dass irgendjemand schonmal mir so ein Gefühl beschert hatte, wie du jetzt und hier, aber ich habe es schon immer gewusst: Glücklich zu werden war mir nicht gegönnt. Nicht, dass ich in meinem bisherigen Leben nicht schon genug Untaten miterlebt – und manche davon auch selbst getan – habe. Auch, dass mein ganzes Leben ein einziger Fluch war, war einfach nicht genug. Aber das Glück würde mir auf immer verwehrt bleiben.
Doch irgendetwas an dir ist ... anders. Was ist es? Sag es mir. Wenn ich rate, dann würde ich sagen, dass es dein Blick ist. So einen, den du gerade aufhast und der scheint, durch mich hindurchschauen zu können. Er ist so durchdringlich, dass ich meinen gar nicht mehr von deinem abbringen kann. Wir haben noch kein einziges Wort miteinander gesprochen, haben uns nur angesehen, seit wir zur gleichen Zeit am gleichen Ort waren. Ein seltsamer Zufall – oder war es Schicksal? Jedoch, wieso sollte mir das Schicksal so etwas passieren lassen? Es mochte mich nicht sonderlich und hatte schon oft Gelegenheit, um es mir zu zeigen. Warum schickte es mir also nun so plötzlich dieses große Glück? Oder tat es das nur, um es mir hinterher wieder wegzunehmen, oder um mir zu sagen: „Schau dir das genau an: Sowas wirst du niemals haben können!"
Auf einmal wurde das tosende Rauschen von Wind und Wasser unterbrochen. Deine Worte waren eigentlich nur ein leichter Hauch – eine sanfte Briese, – die eigentlich von dem Lärm übertönt oder vom Wind fortgeweht werden. Aber erstaunlicher Weise verstand ich jedes einzelne Wort in aller Größe und Klarheit. Ich schloss meine Augen und nahm den Klang deiner Worte auf und die Wärme, die in jedem einzelnen mitschwang. Selbst dein leichter Akzent war so hinreißend, obwohl ich nicht so recht wusste, zu welcher Sprache dieser gehörte. Es fühlte sich jedoch alles im Großen und Ganzen so richtig an.
Langsam öffnete ich meine Augen wieder. Du stehst dort so voller Erwartungen. Weder an deinen peitschenden Haaren, noch an deiner Körperhaltung hatte sich etwas verändert. Doch in deinen Augen blitzte ganz offensichtlich etwas. Sie waren nicht mehr so geheimnisvoll, wie noch vor zwei Minuten. Denn wenn ich dich so ansehe, dass schreit mir ein Wort ganz laut entgegen: Erkenntnis.
Aber was gibt dir Erkenntnis? Bitte, sag es mir!
Doch erst jetzt fällt mir auf, dass du es mir schon längst erzählt hast! Vor noch nicht einmal einer Minute. Aber erst jetzt sicherte die Bedeutung deiner Worte, die ich zuvor so himmlisch aufgesogen habe, zu mir durch. Ich mich jedoch zuvor nur im Klang deiner Worte gewogen. Verzeih mir mein schamloses Verhalten! Ich weiß nicht, wie dies passieren konnte.
Die Bedeutung deiner Worte war nun endlich in meinem Kopf angelangt und traf mich wie ein Schlag. Es waren nur drei Worte. Jedoch war ihr Gewicht unaussprechlich. Und doch hatte sie es soeben getan. „Du bist Wirklichkeit!"
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