Versagen
Kapitel 5
Moonshine
Jason beendete die Fahrt im Herzen des Ruderterritoriums, wo die wenigen Häuser relativ nahe beieinander standen. Obwohl die Wölfe mit ihren territorialen verhalten es nicht so sehr mochten so dicht aufeinander zu hocken, taten sie es, weil sie sich hier sicher fühlten und es kaum eine andere Möglichkeit gab. Leider waren in den Jahren der Spaltung viele der Holzhütten in den Wäldern so verrottet, dass nur noch ein Abriss möglich gewesen war.
Hier, auf der kleinen Lichtung aber, wo sogar relativ befestigte Wege die Häuser miteinander verbanden, waren sie noch ziemlich gut bewohnbar. Es waren die ehemaligen Wirtschaftshäuser, die notdürftig von den zurückgelassenen, alten Wölfen in Schuss gehalten worden sind und nun zu Wohngebäude umfunktioniert worden waren. Die älteren Wölfe, die noch hier gewesen waren, als die junge, stärkere Hälfte des Rudels zusammen mit Konstantin, dem Alpha, zurückgekehrt war, hielt sich von hier fern. Konstantin hatte ihnen zwar angeboten ihren Lebensabend friedlich, innerhalb des Rudels bestreiten zu können, aber nicht einer der Alten hatte sich dazu entschieden. Sie hatten zehn Jahre ohne Alpha verbracht, versunken in ihren Ansichten von einer Strickten Rassentrennung, die sie nicht ablegen würden. Man sah sie in der Regel nur am Abend in der Rudelbar, wo sie das bisschen Gemeinschaft auffingen, die der Instinkt von ihnen einforderte. Ansonsten blieben sie unter sich.
Auch Shinys und Magnolias Onkel hauste irgendwo da draußen, sie hatten ihren letzten lebenden Verwandten, abgesehen von ihrer Schwester, seit der großen Versammlung nicht mehr getroffen, in der Konstantin die Anwesenheit aller eingefordert hatte, und zwar unter Androhung der Verbannung aus dem Territorium.
Dort hatte der Alpha verkündet wie sie jetzt leben würden, dass auch nur ein Fehltritt der Alten gegenüber den integrierten Menschen oder ihren Mischlings nachkommen nicht geduldet werden würde und hatte von ihnen die Treue eingeholt, die ihm als Alpha zustand. Dennoch waren sie und Shinys Onkel Außenseiter geblieben.
Deswegen überraschte es sie zwei ältere Wölfe am Straßenrand zu sehen, wie sie vor dem Versammlungshaus standen und mit gesenkten Köpfen wohl darauf warteten mit Konstantin reden zu können.
Carly und Mat stiegen langsam aus dem Wagen, auch wenn der junge Wolf sofort nach Carlys Hand griff und sie um den Wagen herumführte anstatt den direkten Weg zu seinem Zuhause zu nehmen. Ein Knurren stahl sich dabei aus Jasons Kehle und auch Shiny nahm diese Tendenz eher negativ wahr.
Mat war ein Welpe.
Welpen gingen keinen anderen Rudelmitgliedern aus dem Weg, weil sie instinktiv jeden erwachsenen Wolf trauten und sich dort geborgen und sicher fühlten. Dass Mat, Carly mit sich in eine andere Richtung zog, nur um diesen beiden Alten nicht vorbeigehen zu müssen, bedeutete aber, das die Welpen dieses Urvertrauen nicht mehr hatten und dies war in der Regel das erste Anzeichen dafür, dass etwas im Rudel nicht stimmte. Dass sich ein Graben auftat den es galt zu bekämpfen, oder das Rudel würde sich spalten. Erneut. Bei diesem Gedanken fühlte sie ein ziehen in der Brust.
„Nicht gut, oder?", fragte Louis, der schnell seinen Neffen an sich drückte, der in Wolfsgestalt die Ohren aufgestellt und das Fell aufgestellt hatte. Auch er reagierte nicht so wie er reagieren sollte. Shiny schob ihre eigenen Probleme beiseite, stieg aus dem Wagen und hielt die Nase in die Luft.
Die beiden alten Wölfe rochen noch immer vertraut, aber sie nahm auch ein kleines Prickeln in ihrem Nacken wahr. Die Veränderung des Geruches war die letzte Phase, die sich bei einer Trennung des Rudels einstellte, also war es nicht verwunderlich, dass ihr Wolf es noch nicht so direkt wahrnahm. Dennoch bestätigte das Prickeln bereits, was die Welpen jetzt bereits wahrnahmen, weil sie näher an ihren Instinkten waren, als die ausgewachsenen Wölfe. Diese beiden Alten gehörten schon bald nicht mehr zum Rudel.
„Bring den Welpen weg, Louis!" knurrte Jason so dunkel, das Shiny sie sich umdrehen musste, weil sie kurz glaubte, Jason würde sich verwandeln. Und tatsächlich lag sein Wolf nahe an der Oberfläche, aber das tat er bei Jason immer. Seine goldenen Augen legten sich kurz auf sie, bevor sie wieder die Männer vor sich fixierten.
„Du solltest auch gehen, du hast morgen wieder Schule", sagte er aber Shiny schnaufte nur herablassend. Konstantin hatte ihr immer gestattet sich in Führungsangelegenheiten einzumischen, hatte sie sogar dazu ermuntert, seit sie die Welpen Witterung verloren hatte. Dass sie jung war, änderte nichts an ihren Status im Rudel. Das hier war auch ihr Problem, auch wenn sie erst nach ihrem Abschluss offizielle einen Platz an der Spitze der Hierarchie bekommen würde.
„Ich bleibe", sagte sie deswegen und Jason presste die Kiefer zusammen, akzeptierte ihre Entscheidung aber, ohne sie zu belehren.
Dass er so etwas tat, war ihr schon einige Male positiv an ihm aufgefallen. Er war unbestreitbar der Beta des Rudels und sie schuldete ihm den Gehorsam, aber wenn sie sagte, dass sie sich etwas zutraute, dann nahm er das hin, ohne sie zu bevormunden. Ja, klar würde sie morgen Schule haben und wenn sie sich hier dran beteiligte, könnte das viel Zeit in Anspruch nehmen, die sie eigentlich zum Schlafen oder irgendetwas anderem brauchte. Doch das Rudel stand für sie schon immer an erster Stelle.
Jason ging an ihr vorbei und stellte sich vor den beiden alten Wölfen und versuchte seine immer sehr dunkle und fast knurrige Stimme ruhig zu halten, während er sie fragte:
„Was kann man für euch tun?", beide wichen einen Schritt zurück, was ebenfalls schon sehr bezeichnend war, denn normalerweise fürchteten Wölfe niemanden aus der Führungsebene. Sie respektierten sie, aber wenn Furcht im Spiel war, wenn Wölfe dominantere Artgenossen als Bedrohung wahrnahmen, lag etwas innerhalb eines Rudels ziemlich im Argen oder man stand einen Gestaltwandler gegenüber, der nicht zum Rudel gehörte. Egal was es war: Es bedeutete nichts Gutes, das wusste Shiny. Besonders da dieses Verhalten wohl gegenseitig zu sein schien. Sie sah, wie Jasons Muskeln sich verkrampften und die Sehnen an seinen Hals hervortraten.
Er war ein bulliger Mann, der immer Probleme damit hatte nicht einschüchternd zu wirken, aber Shiny hatte nie erlebt, dass er tatsächlich innerhalb des Rudels als Bedrohung wahrgenommen wurde. Er war der sanfte Riese, der ruhige Pool der Führungsebene. Wo Konstantin nicht mit Charme oder seiner penetranten Art punkten konnte, schaffte es Jason in der Regel mit zuhören und wenigen klaren Worten.
„Wir warten auf den Alpha, er begleitet uns zur Rudelgrenze. Wir wollen dem Wolfsmond folgen und uns der Bestie ergeben", sagte einer von den alten Wölfen und der andere nickte nur zustimmend. Sofort empfand Shiny nichts als bedauern, wo es vorher noch misstrauisch gewesen war.
Sie spürten es also auch und zogen ihre Konsequenzen daraus. Diese alten Gestaltwandler wussten, dass der Graben zwischen ihnen und dem Rudel zu groß war und wollten einen Weg antreten, der für sie den sicheren Tod bedeutete aber immer noch besser war als letztendlich vom Rudel vertrieben zu werden. Es war sicherlich alles andere als üblich, aber in den alten Zeiten, wenn ein Rudel so abgeschieden lebte, dass man ihre Verhaltensweise kaum noch als menschlich bezeichnen konnte, passierte es tatsächlich ab und an, das Außenseiter aus dem Rudel vertrieben worden um entweder als einsame Wölfe ihr dar sein zu fristen oder zu sterben. Die freiwillige Version davon war es friedlich zu gehen, dem Ruf der Mondgöttin zu folgen und sich in der Absicht zu verwandeln, nie wieder ein Mensch zu werden.
Alte Wölfe taten das noch heute, wenn sie spürten, dass ihr Ende näher kam und nicht genug familiäre Bindung bestand, um im kreise ihrer Liebsten dahinscheiden zu wollen. Es galt als letzte Ehrerbietung gegenüber dem Rudel, dieses zu verlassen und sie durch das freiwillige Austreten um eine vermeidliche Schwäche zu erleichtern.
Shiny aber sah das anders. Für sie bedeutete es, dass es Konstantin und auch der Rest des Rudels nicht geschafft hatten, diese Gestaltwandler ein Gefühl von Heimat und Zugehörigkeit zu geben und das war eigentlich ihre Pflicht, egal wie problematisch ihre Ansichten waren und wie schwierig oder unerträglich es das Zusammenleben machte. Und damit war es auch ihr versagen.
Beta: noch nicht
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