Instabil

Kapitel 6

Jason

Er betrachtete die beiden alten Wölfe und wusste, dass es so das Beste war. Diese Gestaltwandler hatten sich freiwillig dazu entschlossen, für sich zu bleiben und kein Teil des Rudels sein zu wollen. Ihre alten, radikalen Vorstellungen von Familie und Gestaltwandlerreihnheit hatte es ihnen unmöglich gemacht, sich mit dem neuen Kurs anzufreunden, den Konstantin eingeschlagen hatte aber dennoch hatten sie seinen Respekt dafür verdient, dass sie nun freiwillig gingen, anstelle weitere Probleme zu machen. Dennoch sah er an Moonshines Gesicht, dass ihr Fortgehen auch für eine gewisse Trauer sorgen würde. Das Black-Water-Rudel war klein und verletzlich und hatte die Aufgabe, sich in der neuen, modernen Welt zu integrieren erst noch vor sich und da wäre es gut gewesen alte, erfahrene Wölfe in der Gemeinschaft zu wissen, die mit ihrer Weisheit und Ruhe zu einer inneren Stabilität beitragen hätten können. Auch wenn der ehemalige, zurückgebliebene Teil der noch lebte und hier verweilte, dass nie für sie gewesen war, fiel nun etwas für das gesamte Rudel weg:

Die Vorstellung, dass die Zeit alle Wunden heilte. Denn das tat sie nicht, das wurde Jason mit diesem Moment klar. Es gab Brüche, die nicht zusammenwuchsen, selbst wenn man sie mit Schienen verband, es gab Verletzungen, die nie ganz aufhörten zu eitern und nicht genug Verständnis und Zusammenhalt um letztendlich alle glücklich zu machen.

Konstantin hatte es versucht, aber selbst jetzt, nach einem Jahr des Spagats, zwischen Traditionen und der Moderne, die viele andere Rudel sicherlich nicht für diese Alten aufgebracht hätten, war es nicht zu einer Versöhnung gekommen. Und das war bedauerlich. Sehr sogar.

Das war die hässliche Seite der Natur, die ein Rudelleben mit sich brachte: Manchmal half eben nur der Ausschluss einiger Individuen, damit das Rudel weiter existieren konnte. Konstantin hatte es anders machen wollen, hatte den Alten so viel Respekt gegenüber gebracht, sie nicht zu vertreiben, hatte ihnen die Chance gegeben wieder Teil des Rudels zu sein.

Doch das war nicht möglich gewesen. Mit ihren freiwilligen gehen, zeigten die Alten zumindest, dass sie den Versuch zu schätzten wussten und nahmen dem Rest der Gemeinschaft die Last ab, sie ausschließen zu müssen. Das war alles was sie an Respekt und Verständnis von ihrer Seite aus hatten erbringen können.

Zum Ausschluss selbst, wäre es ohnehin irgendwann gekommen, das schien Eindeutig. Der Geruch den sie jetzt bereits verströmten war für Jasons Wolf so fremdartig, dass er diese Wölfe bereits als Eindringlinge wahrnahm. Der Mensch aber bedauerte, dass es so weit gekommen war, dass ein Jahr des Kampfes nichts gebracht hatte. Es war ein Rückschlag, mit dem das Rudel würde leben müssen.

„Dann bedanke ich mich für Eure Treue und auch Euren Mut diesen Weg zu gehen, die Mondgöttin soll über Euch wachen.", sagte Jason traditionell und senkte einmal respektvoll den Kopf, bevor er hinter sich zu Shiny blickte, die einen Kloß in ihrem Hals herunterschluckte, sich aber ebenfalls schnell verneigte und seine Worte wiederholte.

„Vielen Dank für Eure Treue und Eurem Mut auf diesen Weg, möge die Mondgöttin über euch wachen."

Die alten Wölfe senkten ebenfalls den Kopf, ihrerseits etwas tiefer, dann ging die Tür zum Gebäude auf und Konstantin trat heraus. Seine Miene war finster, bedauern lag in seinen Augen und er legte Jason eine Hand auf die Schulter, bevor er mit ernster Miene erklärte.

„Ich begleite sie zur Rudelgrenze und mache dann ein Abstecher zu den übrigen Zurückgeblieben. Gestern Nacht sind bereits zwei andere Wölfe gegangen, ohne sich zu verabschieden", sagte er zu Jason, während Shiny noch etwas schockierter aussah.

Wölfe freiwillig gehen zu sehen, war bereits furchtbar, besonders wenn es alte Wölfe waren, die kaum einen Monat ohne das Rudel überleben würde und sich damit den sicheren Tod auslieferten. Aber diese beiden hatten ihnen zumindest „danke für alles" gesagt, während ein abschiedsloses Gehen eher darauf hindeutete, dass sie im Groll gegangen waren.

„Dein Onkel ist auch unter ihnen, Shiny. Tut mir leid", sagte Konstantin an Shiny Gewand, die wieder nur nickte und schluckte. Und damit hatte sie auch Jasons komplette Aufmerksamkeit für sich – so wie es immer war.

Shinys unterdrückte Trauer über den Verlust dieser Rudelmitglieder ließ seinen Wolf ebenfalls aufheulen, obwohl er das wesentlich rationaler sah als Konstantin und Moonshine. Die beiden waren geborene Alpha, auch wenn es sich die Alphawitterung bei Shiny nicht gefestigt hatte, war für sie dieser Verlust fast schon körperlich spürbar, während die anderen Wölfe es lediglich emotional treffen dürfte. Der Drang Shiny an sich zu ziehen und in seine Arme zu schließen, war so übermenschlich, wie er es immer gewesen war und wie immer, wenn er kurz davor war diesem Drang nachzugeben, wollte er dieser Situation entfliehen. Denn er durfte es nicht.

Konstantin hatte zwar soviel Verständnis für Shinys und seine Situation aufgebracht, dass er es ihnen nicht mehr verbot war, auf dem Rudergelände eine, für alle sichtbare, Beziehung zu führen – sofern Moonshine volljährig war – aber er hatte auch Jason Verkündung akzeptiert, dass er dennoch auf ihren Abschluss warten würde.

Konstantin wusste um Jasons Probleme mit seinem Wolf und vertraute darauf, dass Jason wusste, wie er Shiny am besten davor schützen könnte.

Es war kein Problem, das Jason irgendeinem anderen Rudelmitglied anvertraut hätte, aber Konstantin war nicht nur sein Alpha, sondern auch sein bester Freund und vor allem hatte Konstantin, nachdem er selbst seine Luna Laura gefunden hatte, Jason nicht mit seiner Frage in Ruhe gelassen: Wie zum Teufel es Jason aushielt, Shiny nicht nahe zu sein, nicht zu berühren und keinen beistand zu leisten zu dürfen, wenn sie Probleme hatte.

Jason Antwort darauf hatte Konstantin sowohl schockiert als auch ein schlechtes Gewissen gemacht: Gar nicht.

Er hatte sich nicht von Shiny fernhalten können, zumindest nicht ohne weiteres. Es war jede Sekunde ein Gewaltakt gewesen. Sein Wolf litt unter der Entfernung und hatte in den Monaten seit Moonshine ihre Welpenwitterung verloren hatte, einen komplexen Schaden erlitten, der ihn unberechenbar machte. Er hätte es nie ausgehalten Shiny nicht zu berühren, aber ein Alphabefehl hatte ihm dabei im Weg gestanden und ihn in einen Konflikt gefangen genommen, in den Rückzug seine einzige Option gewesen war unter dem Verlust einen enormen Teil seiner psychischen Gesundheit.

Nach Außen hin, wirkte Jason vielleicht wie der große geduldige Wolf, der er immer gewesen war, aber das war er nicht. Sein Wolf war aggressiv und fast schon zu einer Bedrohung geworden und lediglich Jasons eiserne Disziplin, die er immer gehabt hatte, hielt ihn im Zaum. Eine Disziplin, die er nie auch nur für eine Sekunde vergessen durfte.

Es war einfach widernatürlich, dass sich ein Wolf von seiner Luna fernhalten musste und endete nicht selten mit Selbstmord, falls seine Luna tatsächlich unerreichbar für ihn erschien. Und jetzt?

Sein instabiler Wolf, würde vielleicht heilen, wenn er Moonshine endlich ganz für sich haben konnte aber bis das geschehen war, würde er sich von ihr fernhalten müssen.

Die Option, sie nur zur Hälfte haben zu können, nämlich hier auf dem Rudelgelände, würde alles nur noch verschlimmern. Sein Wolf würde Moonshine notfalls auch mit Gewalt bei sich behalten, wenn er sie erst einmal in seine Finger bekam. Ein Schulbesuch war ab diesen Zeitpunkt absolut undenkbar – oder überhaupt irgendwelche Freiheiten ihrerseits.

Jason hatte keine Ahnung wie sein Wolf darauf reagieren würde, wenn er das Gefühl hatte, jemand würde ihm seine Luna wegnehmen, bevor er sich nicht wieder von dem Schaden erholt hatte und wie lange das dauern würde, konnte er nicht sagen. Wochen, vielleicht Monate. Und während dieser Zeit konnte sie nicht wieder unerreichbar für sie sein.

Es war besser die letzten Monate zu warten, die dann noch vorhandenen Probleme würden ihn noch genug zusetzen: Moonshine war jung und würde sich weiterhin mit gleichaltrigen Treffen wollen. Sie hatte keine Ahnung wie selbstzerstörerisch das aktuelle Verhalten von Jasons Wolf war und würde schockiert sein, es zu erfahren, sobald es so weit war. Wie sie dann darauf reagieren würde, blieb abzuwarten. Sie war eine dominante Wölfin und würde sich von seinem Wolf nicht so absolut unterwerfen lassen, wie er es brauchte, um sich ihrer sicher zu wähnen und wieder zu heilen. Sie hatte ja keine Ahnung was für Horrormonate sie nach ihrem Abschluss erwarten würden und er konnte dann nur auf ihr Verständnis hoffen und dafür beten, dass sein Wolf tatsächlich wieder stabiler wurde und es kein Dauerzustand bleiben würde, Shiny so nahe bei sich zu behalten, denn sonst würde seine Luna erdrücken.

Also würde er sich auch jetzt, wo sie litt von ihr fernhalten müssen. Des es gab kein dazwischen. Ganz oder gar nicht.

Beta: noch nicht

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