3 | Wettrennen

K A L I A

Angespannt hielt ich meinen Atem an und blickte durch das Gebüsch auf die Lichtung. "Lia!", rufte plötzlich eine laute Stimme, die mich und Alya zusammenzucken liess. Die Stimme gehörte einer jungen Frau, welche zu dem kleinen Mädchen lief, das anscheinend Lia hiess. "Wo warst du? Mama ist schon ganz krank vor Sorge!", meinte sie und sah Lia streng an.

Offenbar war sie die Schwester von Lia. "Tut mir Leid Sissi. Ich wollte doch nur wieder einmal mit den Blättern tanzen.", meinte diese und sah ihre Schwester traurig an. "Seit Papa tot ist, habe ich das schon lange nicht mehr gemacht." Lia blickte auf den Boden.

"Hey, schon okay.", meinte ihre Schwester, welche wohl Sissi hiess. "Ich vermisse ihn auch.", sagte sie traurig und ihre Stimme zitterte. Lia sah auf und bemerkte, dass Tränen in den Augen ihrer Schwester glitzerten. Wortlos umarmten die beiden sich.

Mit einem Mal spürte ich, dass meine Wange nass waren. Verwundert wischte ich mir über die Wange und bemerkte, dass es Tränen waren. Alya sah mich mitfühlend an und rutschte näher an mich ran, um mir dann einmal quer über das Gesicht zu schlecken. Ich lachte leise und Alya hechelte freudig.

Die beiden auf der Lichtung schienen das gehört zu haben, denn sie richteten sich beide auf. "Was war das?", fragte Sissi. Mit grossen Augen sah sie sich um, aber Lia beruhigte sie. "Das war Papa.", meinte sie und lächelte selig. "Was?", fragte Sissi ihre kleine Schwester verwundert. "Das war Papa.", wiederholte die Kleine noch einmal. "Ich habe vorhin sogar mit ihm getanzt.", meinte sie und nahm die Hand ihrer Schwester.

"Er ist immer bei uns, dass weiss ich jetzt.", sagte sie bestimmt und Sissi schloss sie wieder in ihre Arme. "Komm.", murmelte sie dann wenig später. "Wir müssen nach Hause. Mama wartet schon auf uns." Lia nickte und die beiden liefen Hand in Hand von der Lichtung.

Kaum hatten die beiden die Lichtung verlassen, fing ich an, hemmungslos zu weinen. Warme Tränen liefen mir über die Wangen und ich presste eine Hand auf meinen Mund, um die Schluchzer zu unterdrücken. Ich weinte wie ich noch nie zuvor in meinem Leben geweint hatte. Und glaubt mir, ich habe viel geweint. Alya versuchte mich zu trösten und legte ihren Kopf auf meinen Bauch, was mich schlussendlich auch beruhigte.

"Tut mir Leid.", schniefte ich und kraulte Alya den Kopf. "Schon gut Kalia.", meinte sie und drehte ihren Kopf, um mich besser zu betrachten. "Was ist eigentlich los mit dir?", fragte sie mich und beobachtete aufmerksam meine Reaktion. Ich stockte. Sollte ich mich ihr endlich anvertrauen?

Ich sah ihr in die Augen und konnte sehen, dass sie sich wirklich um mich sorgte. "Du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht willst.", meinte sie und sah wieder in die Ferne. "Ich spüre einfach, dass etwas mit dir nicht in Ordnung ist. Du bist meine beste Freundin Kalia. Ohne dich könnte ich nicht mehr leben. Deshalb tut es mir im Herzen weh, dich so sehen zu müssen." meinte sie und das gab mir den Ausschlag.

"Ich erzähle es dir.", flüsterte ich und sie sah mich wieder an. Ich holte tief Luft und erzählte ihr dann alle meine Gedanken. Alle meine Fragen, meine Wünsche und Sorgen. Einfach alles. Sie lauschte mir zu und hin und wieder schleckte sie mir mit ihrer Zunge über meine Hand.

Als ich geendet hatte merkte ich, dass ich schon wieder weinte. Diesmal jedoch waren es stille Tränen, die leise meine Wange hinunterrollten. Alya sah mich an und richtete sich dann auf. Sie setzte sich neben mich und leckte mir einmal quer über das Gesicht. "Igitt Alya!", fluchte ich, musste aber lachen.

"So gefällst du mir schon besser.", meinte sie und zog eine Grimasse, welche wohl ein Lächeln darstellen sollte. Ich verdrehte die Augen und wischte mir mit meinem Pullover die Tränen und den Sabber von Alya vom Gesicht. Es tat so unendlich gut, endlich jemandem alles erzählt zu haben. Alya sah mich wieder prüfend an. "Warum hast du vorhin eigentlich geweint?", fragte sie mich. Ich blickte auf den Boden und atmete zittrig ein.

"Sie haben ihren Vater so früh verloren. Ich habe keinen Vater, aber ich kann mich auch nicht erinnern, je einen gehabt zu haben. Die beiden jedoch sind mit einem Vater aufgewachsen, welcher immer für sie da war. Bis jetzt. Das hat mich im Herzen getroffen und mir gezeigt, dass ich nicht die Einzige bin, die es schwer hat. Es hat mir einfach weh getan, die beiden trauern zu sehen.", wisperte ich und Alya verstand. Sie kam wieder näher heran und legte ihre Pfoten um meinen Hals. Dankbar umarmte ich sie und kuschelte mich an sie. Wie sehr ich sie doch liebte!

Nach einer Weile erinnerte Alya mich, dass wir weiter mussten. Seit ich vor Jahren aufgewacht war und mich niemand mehr sehen konnte, streifte ich durch die Welt und erprobte meine Kräfte. Außerdem hatte ich, seit ich die Hoffnung aufgegeben hatte, Antworten auf meine Fragen zu finden, nichts mehr zu tun. Deshalb war es umso schöner, dass ich heute jemandem eine Freude bereiten konnte.

Ich raffte mich auf und sah in den Himmel. Es ging schon gegen Nachmittag zu. Wir hatten viel Zeit hier verbracht. "Komm.", meinte Alya und zeigte mit ihrer Rute gen Westen. "Jetzt darf ich wieder die Richtung bestimmen.", meinte sie und ich grinste. "Wettrennen?", fragte ich und sie knurrte leise. Wir begaben uns in Startposition und ich zählte leise runter. "3,2,1...", bevor ich "Go" sagte, war Alya schon davon geprescht.

Kopfschüttelnd rannte ich ihr hinterher. Diesmal rannte ich nicht mit dem Wind, sondern genoss es einfach, mich von meinen eigenen Füssen tragen zu lassen. Als ich auf der Höhe von Alya war, stupste ich sie leicht an, sodass sie strauchelte. "Verdammt Kalia! Pass doch auf!", schrie sie so laut in meinem Kopf, dass ich mir schon die Ohren zuhalten wollte bis ich bemerkte, dass es eh nichts bringen würde.

Durch die Lautstärke ihrer Antwort war ich so abgelenkt gewesen, dass Alya schon wieder auf und davon war. Knurrend hetzte ich wieder los und folgte Alya, welche nur noch in der Ferne zu sehen war. Plötzlich sah ich, wie Alya strauchelte und mit voller Geschwindigkeit gegen einen Baum krachte. Mein Herz blieb stehen. "Alya?", schrie ich, doch Alya blieb am Boden liegen und regte sich nicht. "Scheisse Alya!" schrie ich panisch und flog zu ihr hin.

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Das wars mit dem dritten Kapitel!
Wie gefällt euch die Story bisher?
Wollt ihr das ich öfters als einmal pro Woche ein Kapitel hochlade?
Lasst gerne ein Vote oder einen Kommentar da!
Bis nächsten Freitag und Stay safe<3

Eure AlhenaSt<3

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