XIX. Die beste Zuflucht

Dieses Mal würde Defsoul mich wohl nicht so einfach davonkommen lassen.

Ich war also vorsichtiger als zuvor, bat Youngjae nicht, mich heim zu bringen, sondern zu einer Insel weiter südlich, von der die Winde mir wispernd versicherten, dass sie unbewohnt war. Die ganze Zeit über klebte das Wasser verbissen an mir, ließ sich vehement nicht abschütteln, so sehr ich es auch versuchte und als Youngjae mich absetzte, brach ich zusammen, so sehr zitterten meine Beine.

Der Vogelmann half mir behutsam wieder auf die Füße und machte dann schweigend ein Feuer, wärmte mich auf, bis alles Wasser verschwunden war, endlich wieder das Gefühl in meine prickelnden Finger zurück kam.

"Danke... Geh heim. Sieh nach, ob dein Chef in Ordnung ist...", murmelte ich dem sanften Jungen danach leise zu, beobachtete, wie das sanfte Licht orangene Töne in sein braunes Haar warf, bevor er die Flügel ausbreitete und mich verließ.

Ich war allein mit dem tuschelnden Wald.

Nach einer kurzen Pause, in der ich mich noch sammelte, versuchte weder über Defsouls Haut an meiner, noch an Wasser auf mir nachzudenken, stellte ich mich den alten Bäumen höflich vor, ersuchte ihren Rat.

Sie berichteten mir von einem Tempel weiter im Landesinneren, ein alter Ort, an dem ich trocken bleiben könnte und von dort aus ich bestimmt auch besser auf der Insel agieren könnte. Sie konnten mir nicht versprechen, ob ich dort ein Portal finden würde, wünschten mir aber Glück.

Ich verfluchte Jackson dafür meine Tasche mit Hilfsgegenständen genommen zu haben und wanderte los, tiefer in den verführerisch duftenden Wald, der mich mit dem weichen Moos unter meinen Füßen lockte der Müdigkeit nachzugeben, aber ich ging starr weiter, während die nahende Sonne schon bald begann den Himmel in ein helleres Grau und dann langsam orange zu färben.

Ich irrte ungefähr drei Stunden lang mit der Hilfe von freundlichen Vögeln und lieblichen Blumen durch den dicht bewachsenen Wald, beobachtete in meiner Pause zwischendurch, wie Blumen in Spritzern auf meiner linken Hand erblühten, meine Knöchel zu harmlosen Blumenbeeten wurden und ich nahm stark an, dass Defsoul soeben etwas oder jemanden geschlagen hatte.

Ungerührt diesem erreichte ich dennoch bald schon den Tempel, von dem die Rede gewesen war, eine aztekenartige Pyramide, die sich von Ranken überwuchtert und vom Moos grünlich verfärbt aus den Bäumen erhob, zwischen deren ausladenden Kronen beinahe gänzlich verborgen blieb.

Ich ging die Stufen zum offenen Eingang gelassen hinauf, behielt allerdings ein wachsames Auge auf meiner Umgebung, wäre bereit sofort zu rennen, sollte mich etwas angreifen.

Hier war allerdings nichts außer der gelegentlichen Eidechse, die heimlich über den bröckelnden Stein huschte.

Drinnen führte ein langer Gang tiefer in die Erde hinab und ich studierte die verwitterten Zeichen an den geraden Wänden, las fasziniert in einer antiken Sprache über eine Art von Wesen aus dem Meer, halb Mensch, halb Fisch, das mit seinem Gesang zahllose Seefahrer in den Tod riss und ich musste lachen, allein in den langen, hallenden und düsteren Gängen, dort lachte ich.

Die Menschen hatten meine Art schon immer gefürchtet. Beide meiner Hälften galten als ein Verbrechen gegen die Natur und wurde gejagt und niedergemetzelt. Wovor hatte ich Angst?

Ich spürte das Meer nach mir rufen und zum ersten Mal seit ich es unterbunden hatte ließ ich den Ruf zu, vertraute meinen Beinen, als sie mich tiefer in die Gänge brachten, es um mich kälter wurde.

Das Wasser plätscherte leise von weiter unten, es hörte sich an, wie eine kleine Quelle, die einen unterirdischen Teich speiste und genau dort hin führte es mich, hinein in eine gigantische Höhle, die an die gemeißelten Wände des Tempels angrenzte und wo sich auf einem Vorsprung das Wasser silbern glänzend sammelte, etwas tiefer wieder abfloss, in einen dunklen Abgrund hinab stürzte, der uns gänzlich umgab.

Das Wasser berührte meine Zehen, bevor ich wusste, was ich tat und es stieg zu meinen Wadern, bis zu meinen Knien und dann bis über meine Hüften.

Und ich ließ los, übergab ihm meinen Willen.

Farben explodierten hinter meinen Augen, als die Natur meines Wesens durch mich riss und mich unter einer Welle an Kälte begrub.

Ich spürte meine Beine unter mir nachgeben, dann verlor ich gänzlich das Gefühl aus ihnen und das Wasser umfing mich wie die Umarmung eines Geliebten, als ich haltlos hinein stürzte und gar nicht erst nach Luft schnappte, ich brauchte sie schließlich nicht.

Das Wasser glitt kaum spürbar über meine Haut, schmiegte sich liebevoll an mich und formte mich, zerrte an mir, bis ich ihm gefiel, dann erst ließ es mich los, verteilte sich wieder gleichmäßig im Teich, während ich kurz schwerelos in seiner Mitte trieb und danach erst überwältigt meine Augen öffnete.

Das erste, das mir auffiel, war wie gestochen scharf ich unter Wasser sah, wie jeder bisherige Verschwommenheit verschwunden war und ich nun die kleinen Details im Stein um mich erkennen konnte.

Ich zog fasziniert die Hände vor mein Gesicht und bestaunte den dunkelblauen Hautkamm, der sich über die Unterseiten meiner Arme zog, durchsichtig schimmerte und auf meiner Haut dann in dunkelblau schillernde Schuppen wuchs.

Zwischen meinen klauenartigen Händen spannten sich blaue Schwimmhäute und ich konnte auch einen Kamm über meinen Rücken ausmachen, wie ich Seepferdchenartige Flossen dort ertasten konnte, wo zuvor meine Ohren gewesen waren.

Meine Schwanzflosse war wunderhübsch.

Sie strahlte im selben Königsblau wie meine Magie und um die Hüfte trug ich seitlich zwei weitere, kleinere Flossen wie einen Rock, die sanft an meinen Schuppen entlang glitten.

Das Ende meiner Flosse war vierzackig, ein eleganter Schweif, der hellblau ausfärbte und schier durchsichtig wurde

Die dunklen Schuppen glitten über meine Hüften hinauf, wuchsen in einem Strahl zu meinem Bauchnabel hinauf und zogen dann einen Bogen um meine Hüften, nur um bis zur Mitte meines Rückgrats einen weiteren Pfeil zu bilden.

Ich beobachtete mich voller Wunder und Staunen, ohne den bisherigen Hass, den ich mir gegenüber zuvor empfunden hatte und hob dann behutsam den Kopf aus dem Wasser, atmete wieder durch den Mund und es war absolut kein Problem.

Vorsichtig glitt ich an den Rand der Schlucht, wo das Wasser in einem großen Wasserfall um die hundert Meter weit in einen reissenden Fluss stürzte, der sich dann den Weg aus der Höhle bahnte, dem Geruch nach irgendwo im Meer mündete.

Mein befreites Lachen hallte laut und glücklich in der großen Höhle, in der man keine Ecken sah, weil sie zu dunkel waren, die alles umschlingende Schwärze sie gänzlich füllte.

Und ich ließ mich fallen.



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