Chapter 10
Immer nach Monstern unter'm Bett gesucht, aber fand sie in uns selbst gefangen.
Als Ava langsam wieder zu sich kam, lag sie in einem Bett und war zugedeckt. Eindeutig nicht das Werk ihres zugedröhnten Ichs, das wusste sie zu hundert Prozent. Es brauchte ein paar Sekunden, ehe sie begriff in welchem Bett sie lag.
Liams.
Als es durch ihren benebelten Verstand sickerte, sprang sie sofort aus dem Bett. Aus dem Bett, in dem Liam gestorben war. Ihr kleiner Bruder. Entsetzt starrte sie auf das Bett und die Erinnerungen strömten auf sie ein. Sein kleiner Körper, auf dem Bett liegend, tot. Er, krank in dem Bett liegend, flehend darum, dass sie bleibt, ihn nicht alleine lässt. Ihr Atem wurde hektischer und schneller, während sein Gesicht ihr zu folgen schien. Lachend, weinend, wütend. "Lass mich in Ruhe!", schrie sie verzweifelt, fiel auf die Knie und hielt sich den Kopf, im Versuch dadurch die Erinnerungen zu stoppen. Es war zu viel für sie. Es war zu viel für sie, ihren kleinen Schatz zu verlieren. Er war doch ihr Lebenssinn. Ihr Diamant. Das Einzige was sie noch gehabt hatte.
Aprupt stoppte sie in ihren Bewegungen. Sie wollte nicht mehr trauern, leiden und schreien. Sie wollte Rache. Rache an den Polizisten, die sie festgehalten haben als er starb. Rache an Isaac, weil er ihr zu spät geholfen hat. Rache an ihr selbst, weil sie ihn verlassen hat. Rache an jedem, weil sie alle leben dürfen, während Liam sterben musste. Diese eisige Wut packte sie und ließ sie nicht mehr in Ruhe. Und tief in ihrem Inneren wusste Ava, sie würde erst wieder Ruhe finden, wenn sie bei Liam war. Wenn sie sterben würde, genauso einsam und verlassen wie Liam. Denn keiner scherte sich noch um sie. Mechanisch stand sie auf und ging aus dem Zimmer, welches sie nie wieder betreten könnte. Und ging in die Küche, in der auf dem Tisch ein Zettel lag. Er war ordentlich draufplatziert, sowie ordentlich gefaltet. Und als sie ihn aufmachte, sah sie auch die genauso ordentliche Schrift aus Tinte. Sie begann zu lesen:
Liebe Ava,
wenn du das hier liest, wirst du wohl aus deinem Drogen-Schlaf aufgewacht sein. Es tut mir leid, was deinem Schützling passiert ist. Und ich wünsche dir mein herzlichstes Beileid. Ich habe seine Leiche in eine Leichenhalle wegbringen lassen, wo er drauf wartet, dass du entscheidest was mit ihm passieren soll. Ich verzichte darauf dich wegen illegalen Konsums von Betäubungsmitteln anzuzeigen, allerdings gehe ich davon aus, dass dies ein Unfall war, den Umständen verschuldet. Ein einmaliges Vorkommen und kein Anfang von etwas, was du nicht kontrollieren kannst. Also fange ich nicht damit an, dir zu sagen wie falsch so etwas ist und was für Folgen es mit sich bringt. Denn das weißt du selbst nur zu gut. Unter deiner Couch in deinem "geheimen" Lager liegen zusätzliche 2.000€, welche ich dir für einen Neuanfang spendiere. Such dir einen Job, ich werde auch ein gutes Wort für dich einlegen. Beginne ein neues Leben, ein gerechtes Leben. Ohne Drogen und ohne Diebstähle.
Ich wünsch dir viel Glück und Erfolg, bitte enttäusche mich nicht.
Det. Isaac West
Ava schnaubte auf, nachdem sie den Text gelesen hatte. Ihr Wunsch nach Rache hatte längst die Übermacht erlangt und ihr Verstand war nicht mehr in der Lage rational zu denken. Sie zerknüllte das feine Briefpapier und schmiss das Papierknäuel in den Mülleimer. Vom Rachedurst erfüllt schnappte sie sich ihre Jacke, ohne nach dem Geld von Isaac zu schauen, und stürmte aus der Wohnung. Sie ignorierte den Fakt, dass die Tür ziemlich sicher nagelneu war und ließ dies einfach auch Isaac zu schulden kommen.
Zeit für den ersten Raubzug in ihrem Neuanfang. Es geht nicht mehr länger ums Überleben, es geht nur um Rache. Und bei diesem Gedanken schlich sich ein hinterhältiges Grinsen auf Avas Gesicht.
Nur wenige Tage nach dem Vorfall, hatte sie bereits neun Diebstähle hinter sich. Ein neuer Rekord in solch kurzer Zeit, denn sie verschwendete keine Zeit mehr mit Vorbereitungen, Verkleidungen oder Vorsicht. Alles war spontan, ohne Ahnung was auf sie zukommen würde. Es würde ihr Untergang sein, dass wusste sie, aber es war ihr egal. Und sie würde nicht aufhören, da musste man sie schon stoppen. Und genau das hatte Isaac vor.
Ava ging zügig auf den kleinen Laden zu, ohne Aussicht nach Menschen zu nehmen, und schlug dann mit ihrem Ellbogen die Schaufensterscheibe ein. Sie zersplitterte ohrenbetäubend laut in der Stille der Nacht und die ganze Nachbarschaft konnte dies hören. Ihre Mimik war versteinert, als sie durch das Fenster stieg. Nicht länger war sie elegant und flink wie eine Katze, sie kratzte ihr Bein sofort leicht mit einer übrig gebliebenen Glasscherbe auf. Ein brennender Schmerz zog sich durch ihren Körper, welchen sie resignierend in Kauf nahm. Sie ging in den Laden herein und fing an die Vitrinen zu zerschlagen und sich willkürlich Diamanten rauszunehmen. Noch immer waren keine Sirenen zu hören, was Ava stutzig werden ließ, aber sie ignorierte ihren Instinkt einfach. Vielleicht waren die Polizisten nur zu doof den Weg zum Laden zu finden. Ein Kichern entfloh ihr bei diesem Gedanken und gedankenverloren steckte sie immer mehr Schmuck ein. Plötzlich erklang eine Stimme hinter hier: "Lassen Sie alles fallen und nehmen sie die Hände hoch!"
Ava stoppte in ihrem Tuen und drehte sich langsam zu der Stimme um, welche sie sofort erkannte hatte. Dann schaute sie in sein Gesicht: "Detective." Ihr Kopf legte sich leicht schief und ein Grinsen umspielte ihre Lippen, während die Kette in ihren Händen klimperte. Hinter ihm standen mehrere Polizeiautos und Polizisten, mit gezückten Waffen. Auch Isaac hatte seine Pistole auf sie gerichtet. Sie suchte unbewusst etwas in seinem Blick, was sie auch fand. Schmerz und Reue. Ihr Grinsen verschwand langsam und sie ließ ergebend die Kette fallen. "Den anderen Schmuck auch", stellte er klar und schaute ihr ununterbrochen in die Augen, in welchen er keine Gefühlsregung fand, sie waren einfach nur stumpf und leer. Doch er erkannte sehr wohl ihre geweiteten Pupillen und ihren hektischen Atem. Und ihm wurde schmerzlichst klar, dass er ihre Drogensucht finanziert hatte. Das Geld was ihr den Neuanfang und die Rettung versprechen sollte, hatte ihren Untergang herbeibeschworen.
Krachend landete die Tasche mit dem Schmuck auf dem Boden und ließ Isaac aus seinen Schuldgefühlen hochschrecken. Dann ging er auf sie zu, misstrauisch und vorsichtig. Er hätte Vertrauen in Ava gehabt, aber er hatte kein Vertrauen in einen zugedröhnten Junkie. Als er bei ihr ankam flüsterte sie: "Wegen euch ist er tot. Wegen dir und deinen Freunden." Isaac biss seine Zähne aufeinander und versuchte ihre Worte zu ignorieren, welche seine Schuldgefühle weiter anheizten. Dann drehte er sie sanft um und nahm seine Handschellen heraus. Er erwartete eine Reaktion und Gegenwehr, aber sie ließ alles teilnahmslos geschehen. Sie hörte wie er erst die Pistole wegsteckte und dann die Handschellen öffnete. Das kühle Metall legte sich um ihre Handgelenke und Isaac befestigte ihre Arme hinter ihrem Rücken. Seine warmen Finger waren ein starker Kontrast zur Kälte der Handschellen und es wirkte beruhigend wie er sie an den Handgelenken nach draußen führte. "Es tut mir leid", flüsterte er ihr dann von hinten ins Ohr, was Ava schlucken ließ. Die Polizisten starrten sie an mit nichts als Hass in den Augen. Selbst ein paar Schaulustige wirkten sehr zufrieden sie in Handschellen zu sehen. Ihre Mauer begann zu bröckeln, sie wussten doch nichts. Sie hatten nur eine freche junge Frau vor Augen, welchen anderen Menschen geschadet hat ohne ersichtlichen Grund. Wie gerne würde sie ihnen sagen, warum sie es getan hatte. Aber was würde es ihr bringen? Mitleid? Verständnis? Vielleicht, aber ihr kleiner Liam kam davon auch nicht zurück. Wortlos wurde sie vor den Augen aller abgeführt und ins Polizeiauto geschoben. Man spürte die Anspannung in der Luft und es herrschte vollkommene Stille. Dann fuhren sie endlich los und ließen die gaffenden Menschen hinter sich.
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