Kapitel 8
In der darauf folgenden Nacht träumte Christopher davon, wie er auf seiner Seite des Bettes lag und zu dem kleinen Fenster hinüberblickte, das normalerweise auf den Hinterhof zeigte, nur dass er jetzt nicht hinausblickte, sondern hinein in ein Zimmer, das ebenfalls zum Schlafen benutzt wurde. Von dort aus starrte ihn Cathy an und er konnte nicht deuten, ob ihr Blick leer, vorwurfsvoll oder neugierig war. Christopher wachte auf, aber die Verwirrung blieb noch einen Augenblick. Gab es einen Unterschied, ob man von außen hinaus oder von innen hinein blickte? Und wie unangenehm so ein Blick sein konnte, wenn man ihn nicht zu deuten wusste! Und wie unangenehm sein eigener Blick wohl sein mochte... Darüber hatte er sich noch nie Gedanken gemacht. Wo war innen, wo war außen? Wo wollte er sein? In einer Fabrik? In einem Gefängnis? Auf der Straße? Obdachlos? Unterwegs, reisend? Zu Hause? Eingesperrt? Sicher und gemütlich in seinem Bett? In Mitten der Gesellschaft oder als zynischer, unbeteiligter Beobachter außen stehend?
Christopher war kein Zyniker. Er stand nicht gerne außen. Er mochte es gemütlich und sicher. Brian hingegen hatte die Tendenz sich selbst auszugrenzen. Vielleicht war das der Grund, warum Christopher ihn für nicht ganz geistig gesund hielt und sich insgeheim Sorgen machte.
Das mit Cathy hatte er noch nicht verdaut. Sie und ihr Blick verfolgten ihn und er wusste nicht, was sie ihm zu sagen hatten. Oder was er ihnen sagen sollte? Kommunikation war kompliziert, vor allem, wenn man allein war.
Rebecca hingegen träumte von einer Straße, die sie entlang wandern musste. Sie wusste nicht, warum und wohin sie sie führen würde. Weit und breit existierte nichts und die Welt hinter ihr zerfiel, so wie sie sich von ihr abwandte. Manchmal ist es schwierig, sich in Träumen fortzubewegen. Man klebt an einem Fleck, bewegt sich wie in Zeitlupe, obwohl man weiß, dass einem Gefahr droht, wenn man sich nicht schnell davon macht. Manchmal verspürt man Schmerzen, weil man verspannt im Bett liegt. In dieser Nacht fühlte Rebecca sich leicht, als könnte sie überallhin gelangen, wenn sie nur mit den Augen blinzelte. Leider gab es nur diese öde Straße, also ging sie los. Erwartungen beflügeln, Enttäuschungen hängen hingegen an einem wie Bleigewichte. Wozu irgendetwas tun?
Es ist eine Straße in Wales, wusste Rebecca plötzlich im Traum. Genauso gut könnte es eine Straße im Nichts sein. Wales ist ein schmieriger, feuchter, kalter und dunkler Ort. Besser, man nahm jede Möglichkeit, die sich einem bot, wahr, um von dort wegzukommen. Besser, man blickte sich nicht um, besser man vergaß. Und dennoch kam die nasskalte Leere des Traumes ihr heimeliger vor, als der Gedanke an das in Trümmern liegende Haus. In Trümmern? Wieso lag es in Trümmern? Lag es in Trümmern? Sie wandte sich um und sah hinter sich nichts als die gleiche gradlinige Straße, die auch vor ihr lag. Es ist weg, dachte sie einen Augenblick und wusste im nächsten nicht, ob sie das ängstigen oder erleichtern sollte. Es ist weg. Ich bin allein.
Das Glück war bekanntlich mit den Leichtsinnigen und unter den Leichtsinnigen war David ein Narr. Er hielt es nicht aus und wanderte am nächsten Tag am Ufer des Kanals entlang, um nach den Giftködern zu sehen. Rebecca hatte gesagt, er solle das sein lassen, weil es zu auffällig wäre, aber was ließ er sich schon von einer Frau sagen? Und er behielt Recht, denn er war der Erste, der von ihrem Triumph erfuhr: Gleich am ersten Tag hatte es drei Schwäne erwischt. Ihre leblosen Köper lagen wie Unrat bei den winterkahlen Sträuchern, aber ihr blütenweißes Gefieder wollte den Ekel, der normalerweise an allen toten Körpern klebt, nicht annehmen und so hätte man sie für weggeworfene Schwanenpuppen, Spielzeug oder ein Häufchen übriggebliebenen Schnees halten können. Ein bisschen zerzaust durch den Wind, aber keinesfalls hässlich. Künstlich, kalt, wie ein makabres Kunstwerk, das am Ende doch niemand wollte. Gottes Ausschussware. Ein kleines, von Menschenhand bereitetes Unheil.
David war zufrieden. Sie staben nicht im Wasser. Auch diese eleganten, majestätischen Wesen krochen zum Sterben an Land, wo sie sich wanden und zuckten, bis es vorbei war. Etwas an dieser Vorstellung beglückte David und es erschreckte ihn zugleich, dass er auf die toten Schwäne herabblicken konnte, ohne zu erkennen, dass diese Tiere gestern noch eine Seele gehabt haben mussten. Und jetzt sind sie Abfall, dachte er und schlenderte weiter, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.
Was immer das Ziel ihrer Aktion gewesen war, der Plan war aufgegangen. David verstand immer noch nicht so ganz, was es bringen sollte, anonym zu bleiben, aber das Hochgefühl, etwas bewirkt zu haben, das sie bewirken wollten, überlagerte gerade seinen Wunsch nach Ruhm. Vielleicht konnte er Brian und Christopher vorschlagen, dass sie der Gruppe zumindest einen Namen gaben und als Geheimgesellschaft auftraten.
In seinem Kopf überschlugen sich die Ideen und er musste sich zurück halten, dass er nicht zu offensichtlich grinste und sein Schritt nicht in übermütiges Hüpfen überging.
„Drei tote Schwäne?", rief Christopher erfreut, „Das ist zumindest eine kleine Meldung wert. Wenn wir weitermachen, werden wir..."
„...eine etwas größere Meldung sein", sagte Rebecca und tischte den Tee auf. David beäugte ihn misstrauisch, probierte dann aber doch und fand ihn akzeptabel genug, um ihn geräuschvoll zu schlürfen.
„Hör mal, David", begann Rebecca mit einer Stimme, deren Mütterlichkeit sie selbst erschreckte, „vielleicht wäre es doch besser, wenn du dir eine Anstellung auf einem der Schiffe suchen würdest. Du bist noch jung und du wirst diese Zukunft, von der allen faseln, noch erleben."
„Und ihr etwa nicht?", fragte er brüsk zurück.
„Du bist jung und kräftig. Du kannst es noch zu etwas bringen, wenn du dich anstrengst. Du solltest deine Zeit nicht damit verschwenden, einem toten Traum hinterher zu jagen."
„Aber..."
„Wir haben nichts sonst, außer diesem toten Traum", unterbrach sie ihn, „Überlass das Trauern um die Vergangenheit denen, die sie gekannt haben und kümmere du dich darum, dass die Zukunft lebenswert sein wird."
„Wie verbittert du bist!", sagte David entsetzt, „Es scheint, als würdest du gar nicht daran glauben, dass sich etwas ändern kann."
Rebecca lächelte: „Wir sind hier unter uns. Da draußen rufen sie von den Podesten herunter, dass eine solidarische Gesellschaft möglich ist und dass wir uns füreinander einsetzen müssen, dabei wissen wir, was die Wahrheit ist: Jeder wird soviel an sich reißen, wie er kriegen kann. Wenn es hart auf hart kommt, bekämpfen sie sich mit Zähnen und Klauen. Diejenigen, die wirklich solidarisch sein wollen, sind die ersten, denen sie das letzte Hemd ausziehen. Deshalb sag ich dir jetzt, wie es wirklich läuft: Wenn du hier eines Tages rauskommen willst, dann kriech denen in den Arsch, die dich verachten. Hier im Slum, brauchst du nicht auf Unterstützung zu hoffen. Hier ziehen sie dich nur alle tiefer hinein in den Sumpf."
Sie schwiegen alle eine Weile, bis Christopher sagte: „Sie hat Recht. Sieh zu, dass du von hier wegkommst."
Aber David schüttelte den Kopf: „Nein", sagte er langsam, „Meine Eltern haben sich von ihrem Land vertreiben lassen und es ist ihnen dabei schlecht ergangen. Ich werde bleiben, wo ich bin und darauf bestehen, dass mir hier ein angemessenes Leben zusteht. Die Iren sind oft genug geflohen. Jetzt wird es langsam Zeit, dass sie sesshaft werden."
„Wie kämpferisch", bemerkte Rebecca, „Aber du wirst sehen, das Leben ist eine einzige Enttäuschung."
„Es ist immer dann eine Enttäuschung, wenn man kapituliert", meinte David, „Natürlich kann ich eine Stellung annehmen, aber das heißt nicht, dass das Ende der Fahnenstange ist. Habt ihr keine Träume mehr?"
Rebecca überlegte einen Augenblick, schwieg aber dann. Das Thema Träume war eines, in das sie nur ungerne allzu viel Zeit investierte. Sie hatte einfach zu viel zu tun. Und wovon konnte sie auch träumen? Sie hatte in ihrem Leben bereits mehr gesehen, als die meisten Frauen jemals erfahren würden. Und dennoch bestand für sie die Welt nur aus stinkenden Großstädten. Wenn sie darüber nachdachte, kam sie zu dem Schluss, dass das, was sie am meisten störte, die Mauern waren. Man konnte nie weiter als fünf Meter blicken, ehe eine Backsteinmauer einem das Sichtfeld versperrte.
Manchmal fragte sie sich, ob Erfahrungen, die man nicht sammelte, einem mehr Glück brachten, als solche, die einen klüger, härter und weiser machten. Erkenntnisse konnten zu falschen Schlüssen führen. Wenn beispielsweise der Karpfen erkennt, dass auch der Hecht im Wasser lebt, kann er zu dem Schluss kommen, dass das Wasser an sich eine Gefahr darstellt, dem er besser entkommen sollte. Aber ist das wirklich ein falscher Schluss?
Die meisten Frauen lebten in seliger Ignoranz und das war der Grund, warum sich für sie nichts änderte, warum sie das Wasser nie verließen und ihre Kiemen nie verlieren würden. Sie wussten nichts davon, was möglich war. Sie fürchteten sich vor Verantwortung und sie sehnten sich danach, behütet zu werden, weil sie erkannt hatten, dass das Leben als unmündiges Kind glücklicher ist als das eines mündigen Bürgers. Daran wird die Frauenrechtsbewegung scheitern: Daran, dass die Frauen klug genug sind, zu wissen, dass es unklug ist, klug sein zu wollen. Ihre Angst vor der Evolution ist das Hemmnis derselben. Sie fürchten sich, es nicht zu schaffen, gegen die Männer nicht anzukommen, deshalb wünschen sie sich, dass diese auf ihrer Seite sind und verhätscheln sie, reden ihnen so lange ein, sie seien stärker, klüger und wichtiger, bis sie es selbst glauben und gegen die Frauen verwenden. Dies ist eine Männerwelt, eine Welt der Hechte, ohne Zweifel, dachte Rebecca, aber wie zimperlich muss man sein, um sich davor zu fürchten, sich in ihr zu bewegen? Nur wenn man sich in ihr als Frau bewegte, konnte man dafür sorgen, dass sie weniger männlich und mehr menschlich wurde.
Es hatte keinen Sinn, eine weibliche Welt zu fordern, denn was wäre diese außer preziös und schwatzhaft? Eine Welt, in der all das Gute, das Starke und Wichtige auch den Frauen zugänglich gemacht und so vom Attribut der Männlichkeit gelöst würde, sodass Güte, Stärke und Wichtigkeit genauso natürlich mit Frauen wie mit Männern in Verbindung gebracht würde, würde Rebecca ausreichen.
Ein Blockhaus in Amerika, auf dessen Terrasse man sitzen und von wo aus man meilenweit in die Ferne schauen konnte. Vielleicht wäre das einer von Rebeccas Träumen gewesen, wenn diese nicht von dem alten Haus unten in Swansea vereinnahmt gewesen wären.
Er hat recht, dachte sie, wer einmal flieht, wird immer weiter vertrieben, wenn er nicht ein für alle mal klar macht, dass er nicht mehr bereit ist, weiter zu ziehen. Wo wäre ich heute, wenn ich immer ausgewichen wäre, wenn ich immer klein bei gegeben hätte? Glücklich verheiratet in einem großen Haus irgendwo in Südwales... Es hatte seine Tücken, das selbstbestimmte Leben.
„Träumen kann man hier nur davon, dass man abends etwas Warmes zu essen bekommt", warf Christopher ein, „Und das ist das Problem. Du kämpft vielleicht für deine Träume, wir für das Recht überhaupt träumen zu dürfen."
„Du willst also auch, dass ich gehe?", fragte David.
„Ich will, dass du weißt, dass du gehen kannst, wann immer du willst."
„Ich habe immer geglaubt, du hältst mich für einen kleinen Jungen, Christopher, aber ich bin nicht dein Sohn."
„Besser, du wärst jemandes Sohn. Jeder hat es verdient, jemanden zu haben, der einem versichert, dass er es einmal besser haben kann", sagte Christopher.
„Das ist eine Lüge und das weißt du."
„Als ich in deinem Alter war, hatte ich die Hoffnung auch schon aufgegeben", sagte Rebecca und brachte damit Christopher zum Schweigen, der noch etwas nachsetzen wollte.
Welche Hoffnung hast du jemals gehabt?, fragte sich Rebecca später. Egal, wo ich gewesen bin, immer wollte ich fort, davonlaufen und alles, was ich angerichtet hatte, zurücklassen, damit jemand anderes den Scherbenhaufen hinter mir aufräumt. Du bist hysterisch, Rebecca, sagte sie sich, du bist in jeder Hinsicht hysterisch. Für dich gibt es nie eine bessere Idee als wegzulaufen. Aber gibt es denn überhaupt irgendeinen Ort auf dieser Welt, an dem es sich lohnt zu bleiben? Schwan müsste man sein, dann könnte man einfach davonfliegen, dächte nicht an morgen, fraß einfach, was die Leute einem hinwarfen und verendete, wenn man Pech hatte und etwas Falsches erwischte.
Wie seltsam, fand sie, ich sollte Mitleid mit den armen Tieren haben, aber das einzige, woran ich denken kann, ist, dass sie es hinter sich haben.
David war enttäuscht über die Reaktionen Rebeccas und Christophers. Er hielt sie für feige. Wollten sie aufgeben, weil sie sich vor ihrem eigenen Erfolg fürchteten? Er schlenderte die Straße entlang und fragte sich, ob er überhaupt noch zu Brian gehen und ihm von den toten Schwänen erzählen sollte. Er fühlte sich plötzlich sehr allein mit seinem Wunsch nach... wonach eigentlich? Vergeltung? Wie tief musste ein Mensch sinken, um Kraft aus schnöder Vergeltung ziehen zu können? David wusste selbst, dass Zerstörung einen nicht weiter brachte, sondern nur den Weg anderer hemmte und sie somit nur eine Illusion des Erfolgs darstellte, aber es fühlte sich gut an und er war kein Philosoph, der diese Frage hätte erörtern können.
Es war Cathy, die ihn empfing und erklärte, Brian sei nicht da. Wo er denn sei. Arbeiten.
David war es unangenehm mit einer Verrückten zu reden und so verabschiedete er sich schnell von ihr und suchte das Weite. Wahrscheinlich trieb Brian sich irgendwo herum. Was hatte er schon zu tun? Und wenn man arbeitslos war, fielen die meisten Hemmungen – insbesondere, was das Trinken am Morgen und in der Öffentlichkeit betraf.
Ob Cathy Bescheid wusste? Unter all den Schichten ihrer Hirngespinste vielleicht... Selbst wenn sie jemandem etwas Wahres erzählte, würde ihr niemand glauben.
David stellte sich den Verstand Cathys wie eine Zwiebel vor. Schleier lagen übereinander und trübten die Sicht auf die Realität und in ihrer Mitte, wo der Verstand sitzen sollte, befand sich nichts. Sie bestand nur aus Hüllen, die sich selbst einwickelten. Tragisches Schicksal, dachte er und seine emotionale Kühle, fiel ihm jetzt weniger auf, als beim Anblick der toten Schwäne.
„Wir haben alle unsere Probleme", sagte Christopher zu Rebecca, „Es ist nicht fair, die einen gegen die anderen auszuspielen."
„Wenn dein Problem ist, dass du am Verhungern bist, ist es sehr wohl angebracht, es gegen das Problem auszuspielen, dass du dir dein drittes Rennpferd nicht leisten kannst."
„Das ist ja kein Problem", verteidigte sich Christopher.
„Der Rennpferdehalter wird das anders sehen. Alles eine Frage der Perspektive."
„Ich glaube kaum, dass es dem Rennpferdehalter egal ist, wenn ein Mensch verhungert!"
„Du bist ein hoffnungsloser Optimist, Christopher. Die meisten Menschen, die Rennpferde besitzen, wissen nicht einmal, dass es so etwas wie Hunger überhaupt gibt. Und wenn doch, dann ist es die Schuld des Hungernden, der schlicht zu faul ist, um für sein Brot zu arbeiten. Verstehst du, was ich damit sagen will? Deine Perspektive wird sich niemals mit der Perspektive der Königin überschneiden können. Sie kann dich gar nicht verstehen. Du sprichst nicht ihre Sprache."
„Aber sie hat doch Augen im Kopf und sie kommt herum in ihrem Land", sagte Christopher.
Rebecca nahm ihm die Zeitung aus der Hand und klappte die zusammen: „Das ist das Problem mit diesen Dingern, sie reden den Leuten Verständnis für ihre eigenen Ausbeuter ein. Nur weil diese Schreiberlinge behaupten, dass die Königin ein Mensch ist, muss das noch lange nicht stimmen."
„Was soll sie denn sonst sein?", fragte Christopher, „Ich dachte, es ginge darum, sie daran zu erinnern, dass sie nichts anderes ist als wir alle?"
„Schnickschnack", erwiderte Rebecca, „Ein Vampir ist sie, sonst nichts."
Christopher seufzte: „Das führt doch zu nichts. Man kann nicht außerhalb des Systems leben. Wir brauchen Geld und ich kann es nur verdienen, indem ich..."
„...indem du dich von irgendjemandem aussaugen lässt."
„Ich arbeite nun mal mit Pferden, Rebecca. Da muss ich mich auch mit Leuten abgeben, die ich normalerweise verabscheuen würde."
„Normalerweise? Aber ausnahmsweise verabscheust du sie nicht, wenn du für sie malochen musst? Rennpferde, Christopher? Wirklich? Damit willst du dich befassen? Mit solchen Leuten willst du Umgang pflegen?"
Ich will mit Pferden umgehen", sagte Christopher.
„Weißt du, im Vampirmythos ist auch eine gewisse Hoffnung enthalten."
„So?"
„Die Gutsherren, deren Schatten die Vampire sind, sind tot. Das ist die Zukunft. Du biederst dich einem Schatten an. Du willst dich einem Schatten versklaven."
„Ich will es nicht. Ich muss."
Rebecca funkelte ihn an: „Es würde mich sehr enttäuschen."
„Was willst du eigentlich? Eben noch hast du David gesagt, er solle sich einen Job suchen!"
„Christopher, siehst du das nicht? Der Junge ist unberechenbar! Er ist gefährlich! Besser ihr schmeißt ihn raus aus eurer Gruppe. Noch besser, er geht von alleine!", sagte Rebecca.
„Unsere Gruppe? Du meinst Brian und mich?"
Sie räusperte sich.
„Und dich", ergänzte Christopher, „Glaubst du wirklich wir könnten etwas ausrichten?"
„Ich glaube, du solltest nicht bei einem beschissenen Adligen für einen Job vorsprechen!"
„Ich habe doch nur den Bericht gelesen", verteidigte er sich.
„Und wohlwollend kommentiert", sagte Rebecca.
„Wann ist das Leben eigentlich so kompliziert geworden?"
Jetzt seufzte Rebecca: „Als sie den Sklaven ihre Ketten abgenommen und ihnen einen Arbeitsvertrag in die Hand gedrückt haben. Seit dem können sie sich nicht mehr damit entschuldigen, dass die gezwungen sind, ihren Herrn immer reicher zu machen. Seit dem müssen sie mit Verantwortung, Unsicherheit und Schuld umgehen. Früher haben sie aufmüpfige Sklaven öffentlich gehängt und damit jedem die Bestialität ihres Systems vor Augen geführt. Es war unmissverständlich. Heute werden aufmüpfige Arbeiter entlassen und man hängt ihnen einen Ruf an, der dafür sorgt, dass sie nirgendwo sonst eine Stellung finden. Aber immerhin sind sie frei. Verstehst du? Sie sind frei und selbst schuld. Immerhin hätten sie sich auch entscheiden können, nicht aufmüpfig sondern zufrieden zu sein. Andere sind es ja schließlich auch. Bescheidenheit ist ein Fluch, keine Tugend!"
„Du willst also David loswerden?", wechselte Christopher das Thema.
„Unbedingt."
„Ich bringe es nicht übers Herz. Er ist nicht dumm, weißt du. Er ist nur ein wenig unerfahren und muss in einer Welt bestehen, die nicht darauf ausgerichtet ist, dass einer wie er in einem sicheren Rahmen aus Fehlern lernen kann. Jeder Fehler kann dich den Kragen kosten."
„Eben deshalb ist er eine Gefahr", sagte Rebecca.
„Und was unterscheidet dich da von einem Unternehmer, der seinen aufmüpfigen Arbeiter feuert?"
„Die Tatsache, dass ich ihn nicht durchfüttere."
„Manchmal weiß ich nicht, woran ich bei dir bin", sagte Christopher, „Vorhin sagtest du, dass jeder nur für sich nach allem grabscht, was er kriegen kann und jetzt..."
„Jetzt beweise ich es", sie gab ihm einen Kuss auf die Stirn, der ihn versöhnen sollte, „David wird ein Problem werden. Er versteht nicht, worum es geht."
„Und worum geht es?"
„Einen toten Traum wiederzubeleben, den er nicht träumen kann."
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