Kapitel 22
In mir zog sich alles schmerzhaft zusammen.
Denn ich sah Levin. Mit einem anderen Mädchen. Sich küssend.
Als ich die beiden da so stehen sah, zerbrach etwas in mir. Mein Herz setzte für einen Moment aus. Es tat nur so verdammt weh.
Wieso? Dieses Wort kam in mir auf.
Da war irgendwie eine unheimliche Wut in mir, bei welcher ich echt nicht wusste wo die nun wieder herkam, dieser Teil von mir wäre vermutlich auch liebend gerne zu ihm hinüber gegangen, hätte ihm alles um die Ohren geknallt und ihm eine gescheuert, doch ich konnte nicht. Ich konnte mich nicht bewegen.
Es war als wären meine Füße mit dicken Betonklötzen am Boden befestigt und auch meinen Blick konnte ich nicht abwenden. Ich war erstarrt, mein Körper verkrampfte sich.
Sie war so viel schöner als ich, schoss es mir durch den Kopf, wer auch immer sie eigentlich war, die Levin da küsste.
Langes braunes Haar, perfekte Figur, bauchfreies Top, Sommershorts, Sandalen.
Ja die beiden passten gut zusammen, dachte ich verbittert und sah weiter unfreiwillig zu wie sie sich gegenseitig die Zunge in den Hals steckten. Dies schien Levin ja neuerdings bei jeder zu tun.
Gott, können die sich nicht ein Zimmer nehmen? Das will ja keiner sehen, meinte dieser nüchtern genervte Teil in mir.
Seit wann war ich eigentlich so gespalten? Da war ja außerdem noch dieser vor Wut quasi glühende Teil und der, der sich am liebsten Heulend in der Ecke verkriechen würde.
Ratet mal, welcher gerade wohl die überhand hatte. Nicht wirklich schwer, wenn man die Tatsache besah, dass meine Tränen meine Wangen schon wieder blutig machten. Zum Glück heilte das wenigstens genauso ungewöhnlich schnell wie das Ganze im Allgemeinen war.
Lissa und Tom hatte ich ausgeblendet, ich wurde mir ihrer erst wieder gewahr, als Lissa sich vor mich stellte um mir die Sicht zu versperren. In ihrem Blick lag die Sorge, als sie mich an meinem Handgelenk packte und mich schnell nach links die Einkaufsstraße hinab zog.
Meine imaginären Betonklötze, welche auf meinen Füßen lagen bröckelten und lösten sich dann auf. Endlich konnte ich auch meinen Blick von Levin und dem Mädchen nehmen, ich sah nur noch wie Tom angepisst auf die beiden zu stampfte.
Passanten warfen mir, dem Mädchen mit den Blutenden Wangen, und Lissa, welche mich so hinter sich her zog, merkwürdige Blicke zu.
Haben die nicht ihren eigenen Scheiß zu tun? Typisch Menschen! Hilfsbereit wie ein Stück Brot, aber starren können sie trotzdem gut!
Meine Freundin strebte auf ein kleines, gemütlich aussehendes Café zu, wahrscheinlich das, wo wir uns mit den anderen treffen wollten, schob die Tür auf und ließ ihren Blick suchend über die Tische schweifen.
Am Fensterplatz rechts von uns, versteckt hinter einer recht großen Zimmerpflanze entdeckten wir dann unsere Freunde und Lissa zog mich weiterhin an meinem Handgelenk mit auf die schmale gepolsterte Sitzbank, wo wir gerade noch so zu dritt plus Tiere raufpassten. Naja passen war vielleicht etwas übertrieben, denn ich saß halb in der blöden Pflanze.
Saras Reh Rikki lag unter dem Tisch, tatsächlich unbemerkt von den Menschen um uns herum, welche sich angeregt über den Alltag austauschten oder auf ihre Smartphones starrten.
„Was ist denn mit euch passiert?", fragte Alina als Erste.
„Ja, Shayna, du siehst nicht gut aus.", stimmte Max zu und mich traf sein besorgter Blick.
Ich wich dem Blick aus, wieso traf sowas eigentlich immer mich? Diesen Gedanken hatte wahrscheinlich jedes Wesen schon mal gehegt, aber das sah ich in diesem Moment nicht wirklich so, dieses Problem mit Levin wirkte nun noch größer, unüberwindbarer als zuvor.
Ich hatte es versaut, hatte das Gespräch zu lange vor mir hergeschoben und nun würde alles deutlich unangenehmer werden. Wieso hatte ich überhaupt gezögert?
Zum Glück übernahm Lissa das Antworten für mich.
„Levin ist los.", seufzte sie und fuhr sich durchs Haar.
Sara zog die Augenbrauen zusammen und seufzte „Was hat der Idiot nun schon wieder angestellt?"
„Er hat eine Andere geküsst." Max und Sara atmeten beide tief ein, während Alina kaum merklich die Faust anspannte.
„Dieser Arsch!", zischte die Schwarzhaarige mit dem Lamm auf dem Schoß, „Was will der eigentlich? Kann der sich nicht mal entscheiden? ...Nichts für ungut Shayna."
„Keine Ahnung", entgegnete ich mit einer minimal zitternden Stimme, was die Anderen hoffentlich nicht bemerkten und wischte meine Wangen an einer Serviette ab, die ich mir von Max klaute.
Sara wollte gerade vermutlich zu einer Schimpftirade über Levin ansetzen, da wurden wir von einer Bedienung unterbrochen. Sie war klein und gedrungen, ihre Augen funkelten freundlich und sie zog nun einen kleinen Notizblock aus der weißen Schürze, welche hier alle Angestellten trugen.
„Was kann ich euch denn Gutes tun?", fragte sie herzlich die Standardfrage und bedachte uns mit einem aufrichtigen Lächeln.
Da Sara und die Zwillinge schon ihre Bestellungen hatten, war die Frage mehr an Lissa und mich gerichtet.
Wir bestellten uns beide einen Kakao, wobei sie noch eine Portion Waffeln mit Schokoladensauce bestellte.
„Wenn schon Schoko, dann auch richtig.", hatte sie sich für die Menge an der Süßigkeit gerechtfertigt, worauf wir nur gelacht hatten.
Mein Lachen war allerdings nicht wirklich echt, an der Kuss-Situation hatte ich ganz schön zu kauen.
Konnte ich ihm überhaupt jemals wieder mit ihm befreundet sein? Oder waren wir das überhaupt noch? Waren wir überhaupt je Freunde gewesen?
Die Zweifel schwirrten durch meinen Kopf, sodass ich nicht Mal wirklich mitbekam, dass die Bedienung zurückkam und zwei Tassen Kakao und einen Teller Waffeln vor uns abstellte.
Am Gespräch beteiligte ich mich ebenfalls nicht, ich verkroch mich im Grunde halb in der Topfpflanze, deren große Blätter mir sowieso im Gesicht hingen. So gab ich mir das Gefühl, ich könnte mich vor der Welt verstecken, ähnlich einem verwundeten Tier.
Albern, ich weiß, allerdings ging es mir gerade echt nicht gut, was meine Freunde sorgenvoll stimmte.
Auch als Tom zurückkam blickte ich nur kurz auf, das Thema Levin wurde sowieso auf stumme Absprache hin sorgsam vermieden.
Meine Freunde gaben den Rest des Tages wirklich alles um mich abzulenken, alberten rum um mich zum Lachen zu bringen, aber ich stand trotzdem total neben mir. Sonst hätte ich bestimmt auch den Typen bemerkt, der seit dem Café ungewöhnlich oft in unserer Nähe war...
Schönen Morgen/Tag/Abend/Nacht/Geburtstag/Feiertag oder whatever.♡
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