Z W Ö L F
Elara stand wie erstarrt, als Gawains Worte durch den Raum hallten. Ihre Ohren rauschten, ihre Gedanken überschlugen sich. Das konnte nicht wahr sein. Nicht Gawain. Nicht derjenige, dem sie am meisten vertraut hatte. Es fühlte sich an, als hätte sich der Boden unter ihren Füßen geöffnet, und sie fiel in ein bodenloses Loch aus Verrat und Schmerz.
„Es musste so kommen?" wiederholte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Ihre Augen waren geweitet, Tränen brannten in ihren Augenwinkeln, doch sie hielt sie zurück. Sie durfte jetzt keine Schwäche zeigen.
Aric trat näher, seine Schritte hallten auf dem kalten Steinboden wider. „Gawain hat es schon lange geplant, Elara. Du wusstest, dass es einen Verräter am Hof gibt, doch du hast nie daran gedacht, dass er direkt an deiner Seite stehen könnte."
„Warum?" stieß Elara hervor und drehte sich zu Gawain um. „Warum tust du das?"
Gawain wich ihrem Blick nicht aus, doch seine Augen waren leer, kalt. „Es war nie meine Absicht, dir wehzutun, Elara. Aber das Königreich... es gehört mir, nicht dir oder deinem Bruder." Seine Stimme war ruhig, als ob er nur eine längst beschlossene Tatsache aussprach. „Ich habe Jahre damit verbracht, in Cedrics Schatten zu stehen, ihm zu dienen, während er sich als zukünftiger König feiern ließ. Dabei wäre ich der bessere Herrscher gewesen. Er hätte mir als seinen besten Freund eine größere, wichtigere Stellung geben müssen und jetzt, nach all den Jahren, hole ich sie mir."
Elara schnappte nach Luft, als sie die Ausmaße von Gawains Verrat begriff. „Es war nie Cedrics Schuld! Er hat dir immer vertraut. Und ich auch." Ihre Stimme bebte vor Wut. „Du hast unser Vertrauen missbraucht, Gawain. Du bist ein Verräter!"
Gawain zuckte leicht zusammen, als ob ihre Worte ihn treffen würden, doch das kurze Zucken verschwand so schnell, wie es gekommen war. „Vertrauen ist ein Luxus, den ich mir nicht leisten konnte. Nicht, wenn das Königreich dem Untergang geweiht ist."
Aric lachte leise, trat an Gawains Seite und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Gawain hat klüger gehandelt, als du es je könntest, Elara. Er hat erkannt, dass dieses Königreich mehr braucht als einen schwachen Kronprinzen und eine naive Prinzessin. Wir werden das Land in eine neue Ära führen. Eine Ära der Stärke."
„Neue Ära?" Elara konnte die Abscheu in ihrer Stimme nicht verbergen. „Ihr wollt das Königreich in den Krieg stürzen! Ihr wisst genau, dass die Truppen an der Grenze nur darauf warten, dass Ihr Chaos sät. Ihr spielt mit dem Leben unschuldiger Menschen!"
Gawain sah ihr fest in die Augen, seine Miene ungerührt. „Opfer müssen gebracht werden, Elara. Für das größere Wohl. Ein starkes Königreich entsteht nicht ohne Blutvergießen. Du hast nicht die Stärke, das zu verstehen."
Elara spürte, wie ihr Herz hämmerte, ihr ganzer Körper bebte vor Zorn und Enttäuschung. Dieser Mann, den sie als ihren treuesten Freund angesehen hatte, hatte all die Zeit gegen sie gearbeitet. Und er war bereit, das gesamte Königreich in den Abgrund zu reißen, um seinen eigenen Ehrgeiz zu befriedigen.
„Du bist nicht der Gawain, den ich kannte," flüsterte sie, ihre Stimme rau.
Gawain zuckte mit den Schultern, als wäre ihre Enttäuschung nur ein kleiner Preis für seine Pläne. „Vielleicht bin ich das. Aber es spielt keine Rolle mehr. Du wirst nicht lange genug leben, um es jemandem zu erzählen."
Elara wollte sich nicht schwach zeigen, doch der Schmerz über diesen Verrat war überwältigend. Gawain, der Mann, der sie jahrelang beschützt hatte, der in jeder Schlacht an ihrer Seite gekämpft und ihr unzählige Male das Leben gerettet hatte, stand jetzt als ihr Feind vor ihr.
„Das ist nicht vorbei," sagte sie, ihre Stimme fester, als sie sich fühlte. „Du wirst nicht ungestraft davonkommen. Das Königreich wird nicht fallen, und Cedric wird nicht sterben."
Aric trat vor, ein diabolisches Lächeln auf seinen Lippen. „Ach, Elara, du warst schon immer zu optimistisch. Cedric ist so gut wie tot. Die Giftmischerin hat in deiner Abwesenheit ganze Arbeit geleistet. Bald wird nichts mehr von ihm übrig sein, und Gawain wird als der Held dastehen, der das Reich gerettet hat."
„Ein König ohne Krone ist nichts wert," sagte Gawain ruhig. „Aber ein Mann mit der Macht, das Schicksal zu verändern, ist alles."
Elara versuchte, einen Ausweg zu finden. Sie war unbewaffnet, umzingelt von Verrätern, und Gawain war ein erfahrener Kämpfer. Doch in ihrem Inneren formte sich eine Entschlossenheit, die sie nicht brechen lassen würde.
„Ihr irrt euch beide," sagte sie plötzlich, ihre Stimme wieder fest. „Cedric lebt. Und ich werde nicht zulassen, dass ihr dieses Königreich zerstört."
Aric lachte abfällig, doch Gawain sah sie aufmerksam an, als würde er nach einem Funken Wahrheit in ihren Worten suchen.
„Cedric lebt? Wie kannst du dir so sicher sein?" wiederholte er, sein Gesicht voller Verwirrung. Aric warf ihm einen schnellen Blick zu, als hätte er nicht erwartet, dass Gawain so reagierte.
„Natürlich lebt er," sagte Elara mit neuer Überzeugung. „Und er wird zurückkehren, stärker als je zuvor. Dein ganzer Plan, Gawain, wird scheitern. Du wirst nicht der König sein. Du wirst nur der Mann sein, der alles verloren hat, weil er sich gegen seine eigenen Freunde gewandt hat."
Für einen Moment flackerte etwas in Gawains Augen – Zweifel vielleicht, oder Bedauern. Doch es verschwand so schnell, wie es gekommen war. „Du lügst," zischte er. „Cedric kann nicht mehr gerettet werden."
„Vielleicht glaubst du das," erwiderte Elara. „Aber es ist die Wahrheit. Und tief in deinem Herzen weißt du, dass du diesen Krieg nicht gewinnen wirst. Du kämpfst gegen dein eigenes Volk, Gawain. Gegen das Königreich, das du einst geliebt hast."
Der Raum wurde von einer beklemmenden Stille erfüllt, während Gawain und Elara sich gegenseitig anstarrten. Aric trat einen Schritt zurück, als würde er die Spannung spüren, die zwischen ihnen aufstieg. Gawain öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, doch er hielt inne.
Elara wusste, dass sie keine Zeit hatte, auf seine Reaktion zu warten. Sie wirbelte herum und rannte zur Tür, ihre Gedanken rasten, während sie versuchte, einen Fluchtplan zu entwickeln. Doch bevor sie die Tür erreichen konnte, packte Gawain sie am Arm und riss sie zurück.
„Nicht so schnell, Prinzessin," zischte er, während sie gegen die Wand prallte. Doch in seinen Augen war kein Zorn, nur Verwirrung. Als würde ein Teil von ihm immer noch nicht glauben können, was sie gesagt hatte.
„Lass mich gehen, Gawain," forderte sie, ihre Stimme fest. „Du weißt, dass du mich nicht töten kannst."
Gawain zögerte einen Moment zu lang, und in diesem Moment trat Aric vor, das Schwert in der Hand erhoben. „Sie muss sterben, Gawain. Das war der Plan."
Elara sah das Blitzen der Klinge und wusste, dass sie nur noch Sekunden hatte, um zu handeln.
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