F Ü N F Z E H N

Elara spürte die Kälte der Nachtluft, die durch die düsteren Flure des Palastes strömte, während sie und Gawain sich in Richtung des Thronsaals bewegten. Jeder Schritt hallte bedrohlich wider, als ob die Mauern selbst ahnten, dass das Ende nah war. Die Stille war unheimlich, und Elara wusste, dass in der Dunkelheit mehr als nur Verräter lauerten – es war die letzte Schlacht um das Königreich.

„Bist du bereit?" fragte Gawain neben ihr, seine Stimme rau und ernst.

Elara nickte knapp. „Es gibt kein Zurück mehr."

Gawain hielt kurz inne, als würde er etwas sagen wollen, doch er blieb stumm. Sein Gesicht war ein maskenhaftes Bild der Anspannung. Elara konnte die Schuld in seinen Augen sehen, doch auch eine angespannte Entschlossenheit, die sie nicht ignorieren konnte. Sie wusste, dass er sich ihnen nun angeschlossen hatte, aber tief in ihrem Inneren nagte der Zweifel – war ihm wirklich zu trauen?

Als sie die großen Türen des Thronsaals erreichten, hielt Elara für einen Moment den Atem an. Gawain schob die schweren Türen auf, und der Thronsaal lag vor ihnen, düster und majestätisch. Das Feuer im Kamin flackerte träge, warf flackernde Schatten an die Wände. Doch es war nicht der Thron, der Elaras Aufmerksamkeit auf sich zog – es waren die Männer, die dort auf sie warteten.

Eine kleine Gruppe von Adligen und Wachen stand im Raum, angeführt von einem Mann, den Elara sofort erkannte: Lord Faelan, einer der einflussreichsten Berater des Königs und ein enger Vertrauter von Cedric. Sein Gesicht war hart, seine Augen kalt und berechnend. Neben ihm stand eine Reihe von Wachen, ihre Schwerter gezogen.

„Elara," sagte Faelan mit einem Lächeln, das nichts Freundliches an sich hatte. „Ich hatte gehofft, du würdest dich uns anschließen. Doch wie ich sehe, hast du dich entschieden, dich uns entgegenzustellen."

Elara hob das Kinn und trat vor. „Ich werde euch nicht erlauben, das Königreich zu zerstören."

Faelan schüttelte den Kopf, als wäre er enttäuscht. „Zerstören? Nein, Prinzessin. Wir werden es retten. Dein Bruder ist schwach, das Königreich liegt im Sterben. Es braucht einen starken Herrscher, der weiß, wie man die Macht in den Händen hält."

„Und dieser Herrscher bist du, nehme ich an?" fragte Elara kalt.

Faelan lächelte. „Ich werde tun, was getan werden muss. Doch ich bin nicht allein. Es gibt viele, die hinter mir stehen, darunter einige, die du gut kennst."

In diesem Moment trat eine Gestalt aus den Schatten – jemand, den Elara nicht erwartet hatte. Es war niemand anderes als Morgana, ihre Mutter, die Königin. Elara starrte sie fassungslos an, ihr Herz setzte einen Schlag aus. Die kühle Miene ihrer Mutter verriet keine Emotionen.

„Mutter?" flüsterte Elara ungläubig. „Du... steckst dahinter?"

Morgana hob das Kinn, ihre Augen blickten kalt auf ihre Tochter herab. „Ich habe immer nur das Wohl des Königreichs im Sinn gehabt, Elara. Dein Vater war zu schwach, Cedric ist es auch. Dieses Reich braucht jemanden, der es mit harter Hand führt. Jemanden, der bereit ist, Opfer zu bringen."

Elara fühlte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. Das alles war eine Lüge. Alles, was sie geglaubt hatte, war eine Lüge. Ihre eigene Mutter war Teil des Verrats. „Und was bin ich für dich? Ein weiteres Opfer?"

Morgana schüttelte leicht den Kopf. „Ich wollte dich verschonen, Elara. Doch du hast dich gegen uns gestellt. Es gibt keinen Platz mehr für dich in dieser neuen Welt, die wir schaffen."

Gawain trat einen Schritt vor. „Es müsst nicht so enden, Morgana. Cedric lebt noch, das Königreich kann gerettet werden."

„Gerettet?" spottete Faelan. „Cedric ist schwächer denn je. Es gibt nichts mehr zu retten, nur zu übernehmen."

In diesem Moment spürte Elara, dass etwas nicht stimmte. Gawains Hand bewegte sich leicht, und als sie auf seine Haltung achtete, wurde ihr klar, dass er auf etwas wartete. Plötzlich wurde alles klar.

„Gawain..." flüsterte Elara, während sie langsam den Kopf drehte, um ihn anzusehen. „Du... warst es die ganze Zeit."

Ein kaltes Lächeln legte sich auf Gawains Lippen. „Es tut mir leid, Elara. Aber das hier war unvermeidlich."

Er zog sein Schwert, und Elara wich einen Schritt zurück, das Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Du hast Aric getötet, um den Verdacht von dir abzulenken."

„Aric war nur eine Spielfigur," sagte Gawain, seine Stimme nun kalt und berechnend. „Er war nützlich, solange er mir diente. Doch er hatte keine Vision, keinen Plan. Ich hingegen... ich werde das Königreich führen."

Elara starrte ihn an, unfähig, zu begreifen, dass der Mann, der einst Cedrics bester Freund gewesen war, jetzt derjenige war, der den Thron an sich reißen wollte. „Du warst immer eifersüchtig auf Cedric," flüsterte sie. „Du wolltest immer an seiner Stelle sein."

„Ich hätte ein besserer König sein können," zischte Gawain und trat näher. „Und jetzt werde ich es sein."

Faelan und Morgana traten an seine Seite, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. „Es scheint, als wäre die Zeit gekommen."

Doch bevor Gawain den letzten Schritt tun konnte, geschah das Unerwartete: Eine Wache trat aus den Reihen und stellte sich zwischen Gawain und Elara. „Ich werde das nicht zulassen," sagte die Wache mit fester Stimme. Als sie den Helm abnahm, erkannte Elara die Gestalt – es war ihr Bruder Cedric, geschwächt, aber entschlossen.

„Cedric!" rief Elara, ihre Stimme voller Erleichterung und Überraschung.

„Das hier endet jetzt," sagte Cedric und richtete sein Schwert auf Gawain. „Du hast mich verraten, Gawain. Du hast mein Vertrauen missbraucht. Aber ich bin noch immer der rechtmäßige König."

Gawain lachte höhnisch. „Du bist ein toter König, Cedric."

Doch bevor Gawain zum Schlag ausholen konnte, griff Cedric an. Der Kampf war kurz, aber heftig. Cedric und Gawain, beide geschwächt und doch voller Entschlossenheit. Doch Cedric setzte alles daran, seinen ehemaligen Freund zu besiegen. Gawain kämpfte mit aller Kraft, doch am Ende war es Cedrics Entschlossenheit, die siegte.

Mit einem letzten Hieb ließ Cedric Gawains Schwert aus dessen Hand fliegen. Gawain sank auf die Knie, keuchend und geschlagen.

„Es ist vorbei," sagte Cedric leise.

Gawain starrte ihn an, voller Hass in seinen Augen, doch er sagte nichts mehr.

Elara trat an Cedrics Seite, Tränen in den Augen. „Wir haben es geschafft."

„Noch nicht ganz," sagte Cedric, seine Augen auf Morgana gerichtet. „Es gibt noch jemanden, der sich verantworten muss."

Morgana sah ihren Sohn an, und für einen Moment schien eine tiefe Traurigkeit in ihren Augen zu flackern. Doch sie sagte nichts, als die Wachen auf sie zukamen und sie und Gawain packten. Sie dienten immer nur dem Höchstherrschenden im Raum.

„Das Königreich wird wieder auferstehen, kleine Schwester" flüsterte Cedric, während die Verräter aus dem Thronsaal geführt wurden und Elara ihn liebevoll umarmte.

Die Sonne stieg am Horizont auf und durchflutete den Thronsaal mit warmen Licht. Elara trat zum Fenster. „Wir haben es geschafft," sagte sie entschlossen.

Cedric nickte zustimmend. „Es liegt an uns, das Reich stark und gerecht zu machen."

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