Schwerwiegende Konsequenzen
Als wir das Zimmer von Schwester Lahela verlassen, sehe ich Silas im Flur warten, er hat die Hände nervös in die Taschen gesteckt. Er blickt sofort auf, als er uns sieht und tritt auf uns zu.
„Wie... wie ist es gelaufen?" fragt er und ich kann das aufrichtige Mitgefühl in seiner Stimme hören.
Livan atmet einmal tief durch, bevor er antwortet. „Es wird besser," sagt er mit einem Hauch von Zuversicht. „Der Dämon ist schwächer. Man merkt es an ihrer Erschöpfung und an den Reaktionen auf das Gebet. Aber es wird noch ein langer Kampf werden."
Erleichterung durchströmt mich, und ich blicke für einen Moment auf den Boden. „Das... das ist gut," stammele ich schließlich und sehe zu Livan auf, der mir ermutigend die Schulter klopft.
Dann legt Pater Ludwig mir die Hand auf den Arm und zieht mich etwas zur Seite. „Lyle, könnten wir kurz allein sprechen? Es gibt noch etwas, das ich mit dir besprechen muss."
Ich nicke und folge ihm schweigend den langen Flur entlang, bis wir in einem stillen Winkel des Klosters ankommen, wo wir ungestört sind. Pater Ludwig wendet sich mir zu, seine Miene ist ernst und durchdringend, als er für einen Moment schweigend meinen Blick hält.
„Lyle... ich möchte noch einmal mit dir über das sprechen, was während des Exorzismus zur Sprache kam." Seine Stimme ist ruhig, aber die Strenge darin ist nicht zu überhören.
Mir schnürt sich die Kehle zu und ich schaue mich unser um. Ich weiß, dass ich keine Worte finden werde, die das alles erklären könnten.
„Ich verstehe, dass das Thema unangenehm ist," fährt Pater Ludwig fort, als ich stumm bleibe. „Aber ich denke es ist wichtig, dass du darüber nachdenkst und dass du dir bewusst machst was es bedeutet, den Weg zu wählen, den du gerade gehst."
Langsam schaue ich ihn an. „Ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll, Pater."
Ein sanftes, nachdenkliches Lächeln huscht über sein Gesicht. „Lyle," beginnt er, „ich möchte ehrlich mit dir sein. Ich kenne diese Gefühle besser, als du vielleicht denken würdest." Seine Stimme senkt sich, als würde er mir ein lange gehütetes Geheimnis anvertrauen. „In meinen jüngeren Jahren war auch ich einmal... in einen anderen Jungen verliebt."
Ich sehe ihn überrascht an, unfähig zu glauben was ich da höre. Pater Ludwig, der stets so bedacht und diszipliniert war, so unerschütterlich in seinem Glauben... dieser Mann hatte einmal ähnliche Gefühle erlebt?
„Es war schwer," fährt er fort, als er meine Reaktion sieht. „Glaub mir, es hat mich in eine tiefe Zerrissenheit gestürzt, die ich kaum aushalten konnte. Doch mit der Zeit habe ich erkannt, dass diese Gefühle nichts weiter waren als eine Prüfung. Eine Prüfung, die mich nur noch näher zu Gott geführt hat, weil ich den richtigen Weg gewählt habe und der Versuchung widerstanden habe."
Ich schlucke und finde kaum die Worte. „Und wie haben Sie es geschafft?"
Er sieht mich lange an, bevor er antwortet. „Es war keine einfache Entscheidung. Aber ich wusste, dass ich das Zölibat und den Weg des Priesters gewählt habe. Und dieser Weg ist untrennbar mit den Regeln der katholischen Kirche verbunden. Gefühle wie diese sind eine Prüfung, Lyle. Sie zuzulassen bedeutet, sich gegen die Prinzipien zu stellen, die wir als Priester vertreten."
Ein schweres Schweigen legt sich zwischen uns und ich ringe mit den Worten. Die Vorstellung, dass ich meinen Dienst als Priester verlieren könnte, ist wie ein harter Schlag ins Gesicht und gleichzeitig spüre ich die unbestreitbare Wahrheit in seinen Worten. „Du denkst also, dass es falsch ist? Das ich alles verliere, wenn ich dem nachgebe?"
Er nickt langsam. „Lyle, die Kirche steht für klare Prinzipien. Das Zölibat ist nicht nur eine Regel, sondern ein Versprechen, ein Versprechen der Hingabe an Gott und an die Menschen, denen wir dienen. Wenn du dich davon abwendest, dann verlierst du nicht nur deine Rolle, sondern auch das Vertrauen, das die Gemeinde in dich setzt."
Ich atme tief ein und lasse seinen Blick nicht los. „Aber... was ist, wenn ich diese Gefühle nicht abstellen kann? Was, wenn sie immer da sind?"
Pater Ludwig lächelt traurig. „Manchmal ist der richtige Weg der schwerste. Aber glaube mir, diese Gefühle lassen nach, wenn du dich auf deinen Dienst konzentrierst, wenn du dein Herz und deine Gedanken nur Gott widmest. Du hast die Wahl – du kannst dich dieser Prüfung stellen, oder du riskierst, alles zu verlieren."
Ich senke den Kopf, spüre die Zerrissenheit, die seine Worte in mir auslösen. „Ich verstehe..."
Er legt mir die Hand auf die Schulter und seine Stimme wird sanft. „Lyle, niemand sagt, dass es leicht ist. Aber das Zölibat ist ein Geschenk, das uns erlaubt, uns ganz und gar Gott zu widmen. Wenn du dem widerstehst, wirst du stärker daraus hervorgehen, und du wirst erkennen, dass diese Gefühle nur eine Phase sind, die vorübergeht."
Ich nicke langsam. „Danke, Pater Ludwig," murmle ich schließlich. „Ich... ich werde darüber nachdenken."
Er lächelt und nickt, als ob das Gespräch nun beendet wäre. „Das ist alles, was ich von dir verlange, Lyle. Denk gut darüber nach und erinnere dich daran, was wirklich wichtig ist."
Mit diesen Worten lässt mich Pater Ludwig allein zurück, und meine Gedanken beginnen zu kreisen. Der Gedanke, meine Rolle als Priester zu verlieren, ist wie ein Schlag ins Gesicht. Ich liebe was ich tue, könnte mir nichts anderes vorstellen. Mein Glaube ist die Konstante in meinem Leben, etwas das mich durch schwierige Zeiten getragen hat. Die Vorstellung, meine Verbindung zu Gott zu verlieren... Das will ich um keinen Preis.
Und dann ist da Silas. Wir kennen uns gerade einmal drei Wochen. Mein Leben gehört dem Dienst, dem Glauben, und ich habe mir selbst versprochen, nie davon abzuweichen. Doch das bleibt leichter gesagt als getan, solange Silas hier ist.
Ein Räuspern hinter mir reißt mich aus meinen Gedanken. „Pater? Haben Sie kurz Zeit?"
Es ist Detective Andrew. Ein mulmiges Gefühl beschleicht mich; nach allem, was ich inzwischen weiß, bin ich mir unsicher, wie ich mit ihm umgehen soll. Ich schlucke schwer und drehe mich zu ihm um. „Hallo, Detective," sage ich, meine Stimme zittert ein wenig. „Ja... ich habe Zeit. Bin nur etwas neben der Spur." Die Worte von Pater Ludwig hallen noch immer in mir nach und ich versuche mich zu sammeln.
„Ich habe lange nichts mehr von Ihnen gehört," sagt er. „Da dachte ich, ich sehe mal nach Ihnen. Eine Nonne kam zu mir und hat von Schwester Lahela erzählt."
Ich nicke, vermutlich war es Schwester Levana. „Ja, was wissen Sie?"
Er sieht mich durchdringend an und räuspert sich kurz. „Nun ja... Ein Dämon, sagt sie? Ist sowas überhaupt möglich?"
„Ich hätte es auch nicht geglaubt," antworte ich leise. „Bis vor Kurzem dachte ich, solche Dinge gehören nur in Bücher und Filme. Aber ja... ein Dämon hat von ihr Besitz ergriffen."
Detective Andrew schüttelt langsam den Kopf. „Das ist doch kaum zu fassen." Er lässt seinen Blick über mich wandern und hebt eine Augenbraue. „Interessante Kleiderwahl, Pater."
„Ach ja... Es ist eine lange Geschichte. Ich musste heute Morgen schnell zu Schwester Lahela."
Er nickt verständnisvoll und lehnt sich gegen die Steinwand. „Könnte ich sie sehen? Also, falls das möglich ist?"
Ich runzle die Stirn. „Sie kennen sie doch kaum, oder?"
Er zögert kurz, als müsste er überlegen was er jetzt sagt. „Wir waren ein paar Mal zusammen Kaffee trinken," sagt er dann leise. „Wir konnten uns gut unterhalten." Da ist etwas in seinem Ton, das ich nicht recht deuten kann, etwas das ihm unangenehm zu sein scheint.
„Kaffee trinken? Nur das?" frage ich.
Andrew antwortet nicht direkt, sondern schaut stattdessen schweigend durch die langen Flure des Klosters.
„Detective... was auch immer zwischen Ihnen war, Sie müssen verstehen: Schwester Lahela ist nicht sie selbst. Es ist der Dämon, der durch sie spricht und handelt."
Er wirkt betroffen, hält jedoch meinen Blick fest. Sie ist noch nicht einmal dreißig und er ist verheiratet, hat ein Kind. Es steht mir nicht zu, zu urteilen aber das macht es nicht weniger befremdlich.
„Ich denke es ist besser, wenn Sie sie nicht sehen," sage ich schließlich. „In ihrem Zustand ist sie kaum wiederzuerkennen."
„Verstehe," murmelt Detective Andrew fast tonlos. „Es gibt übrigens Neuigkeiten zu den Fällen."
Mein Herz setzt einen Schlag aus. Ich weiß, wer hinter all dem steckt und es wäre fatal, wenn Andrew dahinterkäme. „Welche Neuigkeiten?"
„Wir haben einen Verdächtigen," sagt er, und ich fühle, wie mein Magen sich verkrampft. Ich hoffe inständig, dass es nicht Silas ist.
„Es ist ein Mann, der sich selbst als ‚der Antichrist' bezeichnet. Seine DNA wurde an einem Tatort gefunden und sein Verhalten ist extrem verdächtig."
Erleichterung durchflutet mich, als klar wird, dass Silas nicht verdächtigt wird. „Das... ist gut," antworte ich zögernd.
„Ja," fährt der Detective fort. „Die Leute haben zunehmend Angst. Wenn wir ihn fassen und er gesteht, könnte das für viele eine Erleichterung bedeuten – auch für das Kloster."
Ich nicke nur. Das Wissen um die tatsächlichen Ereignisse lastet schwer auf meinen Schultern. Doch ich werde dicht halten.
„Sie müssen Detective Andrew sein," ertönt plötzlich eine vertraute Stimme hinter uns. Silas steht da und streckt dem Detective die Hand hin. „Ich bin Silas."
Andrew ergreift die Hand und nickt. „Ich habe schon einiges von Ihnen gehört. Schwester Lahela redet gern."
Silas nickt freundlich und schaut mich dann besorgt an. „Alles in Ordnung bei dir? Wie geht es dir?" Seine Hand ruht sanft auf meinem Arm und seine Augen suchen meinen Blick.
Andrew mustert uns beide mit einem undefinierbaren Ausdruck, seine Mundwinkel zucken leicht. „Ich lasse Sie beide dann mal allein. Pater, ich melde mich, falls es Neuigkeiten gibt."
Ich verabschiede mich stumm, sehe dem Detective nachund dann wende ich mich Silas zu. „Können wir reden?"
„Natürlich." Er sieht mich aufmerksam an und folgt mir in einen leeren Gebetsraum. Als die Tür hinter uns ins Schloss fällt, atme ich tief durch.
„Pater Ludwig hat mit mir gesprochen," beginne ich. „Wir... wir müssen aufhören damit."
„Was genau meinst du?" fragt Silas leise und ich spüre seine Enttäuschung in der Luft.
„Ich muss mich entscheiden," sage ich und meine Stimme bebt. „Gott und mein Glaube bedeuten mir alles. Ich liebe was ich tue,m und es gibt mir Sinn und Kraft. Trotzdem... du machst, dass ich mich lebendig fühle, wie ich es sonst nirgendwo kann. Aber ich kann beides nicht haben. Meine Berufung als Priester ist mein Leben. Es tut mir leid, Silas... aber wir müssen Abstand halten."
In seinen Augen schimmern Enttäuschung und Verletzung, vermischt mit einem Hauch von Wut. „Meinst du das ernst?" Seine Stimme ist leise und jedes Wort schneidet sich in mich hinein. „Nach allem, was zwischen uns passiert ist?"
„Es hätte nie passieren dürfen," sage ich, auch wenn mir das Herz schmerzt. „Vielleicht ist es eine Prüfung Gottes. Er prüft mich, wie stark mein Glaube ist. Ich muss mich für das Richtige entscheiden."
„Lass mich raten... Das Richtige ist also nicht ich."
Ich kann ihm nur stumm in die Augen sehen, unfähig zu antworten.
Silas' Gesicht wird hart, seine Stimme ist nun gefasster, aber kalt. „War ja klar. Weißt du was? Das ist... verdammt lächerlich." Er schüttelt den Kopf und geht zur Tür.
„Du kannst trotzdem hier wohnen bleiben," sage ich leise und klammere mich an diesen letzten Rest.
„Wie nett." Seine Worte tropfen vor Sarkasmus, bevor er die Tür schließt und mich im Raum allein zurücklässt.
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