Kein Zurück
In wenigen Sekunden öffnet Silas seinen Rucksack, zieht das Messer heraus und ich sehe an seinem Blick, dass er bereit ist. Die Klinge blitzt im schwachen Licht , sie ist groß und scharf und strahlt pure Bedrohung aus. Mein Herz rast und es fühlt sich an, als würde ich erst jetzt wirklich begreifen, was wir hier tun, wie unwiderruflich dieser Moment ist.
Silas steht auf, richtet seinen Blick direkt auf meinen Vater. Er ist kalt, eiskalt. Die Augen meiner Eltern weiten sich und ihre Gesichter verlieren augenblicklich die Farbe, als sie das große Messer sehen. Meine Mutter greift krampfhaft nach der Tischkante, ihr Instinkt treibt sie zum Aufstehen.
„Bleib sitzen", zischt Silas, seine Stimme ist dunkel, sie wirkt richtig bedrohlich. Meine Mutter erstarrt, ihre zitternden Hände umklammern den Tisch.
Trotz ihrer Angst zögert sie nur einen Moment, bevor sie sich aufrichtet, doch Silas bewegt sich bereits um den Tisch herum auf sie zu. Panik flackert in ihren Augen und sofort sinkt sie zurück auf den Stuhl.
Tränen glitzern auf ihrem Gesicht, sie rollen stumm ihre Wangen hinunter.
Plötzlich erhebt sich mein Vater. Er sieht entschlossen aus, als sei er bereit alles zu tun um sein Leben und das meiner Mutter zu reden. Doch ohne zu zögern schnellt Silas' Hand vor, er presst das Messer an den Hals meiner Mutter und sein drohender Blick durchbohrt meinen Vater.
„Nur einen Schritt weiter", zischt Silas, „und sie ist tot."
Das zerrt ihn zurück. Mein Vater lässt sich wieder auf den Stuhl fallen, seine Augen sind dunkel vor Wut und ich sehe wie er seine Zähne fest aufeinander beißt.
Dann sehe ich, wie Schwester Lahela aus der dunklen Küche heraustritt. Auf ihrem Gesicht liest ein breites grinsen. Die Situation scheint sie jetzt schon zu amüsieren. Sie wirkt zufrieden, als wäre das hier ihr Lieblingsspiel. In ihren Händen hält sie eine Spule mit... Stacheldraht? Woher hat sie denn? Ohne ein Wort bewegt sie sich auf meinen Vater zu, kniet nieder und greift nach seinem Bein.
Er zuckt zurück, fährt erschrocken hoch, als er die scharfen Spitzen an seiner Haut spürt. Doch sein Blick fällt wieder auf meine Mutter und auf Silas, der immer noch mit dem Messer an ihrem Hals steht. Jeder Versuch zu fliehen ist ihm aus den Augen gewichen, und doch doch verzieht sich sein Gesicht, als sich der Draht in seine Haut bohrt.
Meine Mutter schluchzt leise, sie hat die Augen geschlossen als Lahela nun auch ihre Beine und Hände umschlingt und fixiert. Anschließend verschwindet sie ebenso plötzlich, wie sie aufgetaucht ist.
Es wirkt als hätten sie und Silas das alles unzählige Male geübt.
„Lyle..." Die zittrige Stimme meines Vaters durchbricht die Spannung im Raum. Sie klingt schwach, aber hat immer noch diesen schrecklichen Unterton, den ich mein Leben lang so sehr gehasst habe.
„Was... was geht hier vor sich?"
"Lyle!" Mein Vater schreit jetzt. Die Schärfe in seiner Stimme lässt mich zusammenzucken und holt mich für einen Moment zurück in die Realität. Dich Silas ist schneller.
„RUHE!" Ruft er mit fester Stimme. Er bewegt sich nun langsam zu meinem Vater. „Du redest nicht! Niemand redet außer deinem Sohn. Hast. Du. Mich. Verstanden?"
Mein Vater verstummt. Seine Lippen pressen sich zu einer dünnen Linie zusammen, seine Augen sind jetzt nur noch schmale Schlitze, sie mustern Silas voller Zorn und Angst. Nach einem Moment nickt er steif.
Silas' Blick wandert zurück zu mir. Er sieht, dass ich immer noch regungslos da sitze. Meine Gedanken rasen, sie taumeln zwischen Angst, Wut und einer seltsamen Leere. Silas kommt zu mir, so langsam und mit einer Zärtlichkeit die mich schon wieder fast beruhigt. Er legt das Messer vor uns auf den Tisch, geht in die Hocke und schaut mir in die Augen.
"Lyle," flüstert er. Seine Stimme ist so weich, so unglaublich leise und sanft, dass sie mich aus meinem Trancezustand reißt. „Schau mich an."
Ich drehe meinen Kopf langsam und sehe direkt in sein Gesicht. Sein Blick ist ebenfalls sanft, aber auch durchdrungen von dieser Entschlossenheit, die mir zeigt, dass er niemals zögern würde. Er hebt seine Hände, legt sie an mein Gesicht, seine Daumen berühren meine Wangen leicht.
„Ich mache nichts, was du nicht willst.
Verstehst du das?"
Ich nicke stumm. „Ich weiß", flüstere ich leise. Und ich weiß es wirklich. „Ich will das. Aber... ich habe Angst. Er... mein ganzes Leben lang war er in meinem Kopf."
Silas' Blick wird noch liebevoller, doch seine Stimme bleibt sicher. „Ich weiß. Aber ich bin hier. Und ich lasse nicht zu, dass dir irgendetwas passiert. Nie wieder."
„Okay," sage ich leise, obwohl sich meine Kehle anfühlt als hätte sie jemand zugeschnürt. Diese gesamte Situation wirkt so, als wäre sie kilometerweit weg.
Er kommt näher und seine Lippen streifen meine. Es ist kein richtiger Kuss, es wirkt eher wie ein Versprechen. Wie ein Versprechen und eine Erinnerung, dass er da für mich ist. Ich bin nicht alleine. Er tut nichts was ich nicht will.
„In meinem Tempo," sage ich.
Er nickt sofort. „Natürlich."
Dann sehe ich meinen Vater an. Seine Augen sind eng zusammengezogen, sein Blick ist voller Abscheu und Mund verzieht sich zu einem widerlichen Grinsen „Dachte ich mir schon", knurrt er. „Du bist also doch eine verdammte Schwuchtel."
Seine Worte treffen mich wie ein Schlag. Doch noch bevor ich reagieren kann, bewegt sich Silas blitzschnell auf ihn zu. Seine Faust trifft die Nase meines Vaters mit einem dumpfen Knall und ich sehe, wie das Blut in einem dunklen Schwall herausschießt und dabei seinen Pullover durchtränkt. Ein undefinierbarer Laut kommt aus dem Mund meines Vaters und ich sehe wie er sich bemüht seine Augen offen zu halten.
„Ich habe es dir gesagt", zischt Silas während er das Messer wieder aufnimmt und es fest an die Kehle meines Vaters drückt. „Du redest nicht. Noch ein Wort, und ich schneide dir die verdammte Zunge raus."
Ich spüre wie etwas in mir kippt. Die Angst weicht einem seltsamen, berauschenden Gefühl von Kontrolle. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich derjenige, der das Sagen hat. Mein Vater... der Mann, der mir all diese Narben zugefügt hat, ist endlich zum Schweigen gebracht.
Die Geräusche meiner Mutter, ihr verzweifeltes Flehen und Wimmern, werden nur noch zu einen Hintergrundrauschen. Sie bedeuten mir nichts. Ich trete vor sie, schaue auf ihren gefesselten Körper herunter. Sie ist die Frau, die mich vor all dem hätte beschützen müssen. Doch das hat sie nicht, nie.
„Schau mich an," sage ich ruhig, meine Stimme ist fester als ich erwartet hatte.
Ihre Tränen verschleiern ihren Blick, doch sie hebt langsam den Kopf. Ihre Augen sind rot, geschwollen und in ihrem Blick liegt etwas suchendes. Sie sucht Mitleid, doch für sie habe ich keins mehr übrig.
„Hör auf mich so anzusehen," sage ich tonlos. „Du hast mich damals auch nie so angesehen. Nicht als du genau wusstest, was er mir angetan hat."
"Lyle, bitte," fleht sie. „Ich wusste nicht..."
"Doch," schneide ich ihr das Wort ab. „Doch, du wusstest es. Du wusstest es die ganze Zeit."
„Ich wusste es nicht!" schreit sie verzweifelt, aber es ist eine Lüge.
Ich sehe zu Silas. Ohne ein Wort versteht er.
Er packt ihre Haare, zieht ihren Kopf nach hinten und presst das Messer an ihre Kehle. Blutperlen zeichnen eine dünne Linie auf ihrer Haut.
„Lyle, bitte! Bitte! Nein!"
„Dann hör auf zu lügen," zischt Silas in ihr Ohr. „Du antwortest ihm."
Ihre Augen flackern zu mir und ich sehe in ihnen nur noch nackte Angst.
„Warum hast du das damals zugelassen?" frage ich erneut, diesmal härter. „Schau mich an, wenn ich mit dir rede."
Silas drückt das Messer fester und sie öffnet ihre Augen zitternd.
„Ich weiß es nicht!" stammelt sie. „Ich weiß es nicht! Bitte, hör auf..."
„Bring sie zum Schweigen," sage ich plötzlich, ich kann mir ihre Worte nicht länger anhören. Ich verspüre nichts als Hass ihr gegenüber.
Ihre Augen weiten sich und dann beginnt sie zu schreien, sich zu winden, doch es ist nutzlos. Silas führt die Klinge mit einem einzigen, gnadenlosen Schnitt durch ihren Hals.
Das Blut spritzt, es ist warm und dunkelrot. Es fließt wie in einem kleinen Bach ihren Körper herunter, verteilt sich auf dem Boden. Ihre Schreie ersticken in einem letzten Keuchen und schließlich verstummt sie.
Silas steht regungslos da, das Messer in der Hand, das Blut meiner Mutter färbt seine Finger rot. Sein Blick sucht meinen und prüft mich.
Ich nicke. Schaue dann zu meinem Vater.
Sein Kopf hängt schlaff herunter, aber das wird sich gleich ändern. „Hey", sage ich laut und schnippe mit meinen Fingern vor seinem Gesicht. Doch außer ein paar schwere Atemzüge passiert nichts.
„Hallo, wach auf du Bastard."
Silas klopft unsanft gegen seine Wange, hinterlässt dabei eine Blutspur mit seinen Händen.
Mein Vater murmelt irgendwelche unverständlichen Dinge und richtet seinen Blick dann endlich nach vorn. Seine Augen sind klein und er versucht die Situation zu verstehen. Sein Blick wandert nach links, zu dem regungslosen Körper meiner Mutter. Sofort beginnt er zu zappeln, reißt an den Fesseln was nur dafür sorgt, dass sich der Stacheldraht tiefer in seine Haut bohrt. Er schreit und reißt seinen Kopf hin und her.
„Beruhig dich", sagt Silas scharf während er mit der Messerspitze über die Wange meines Vaters fährt. „Sonst stirbst du jetzt sofort."
„Selbst jetzt schaust du mich mit puren Hass an", sage ich und setze mich ihm gegenüber als wäre es eine normale Situation. „Ihr büßt nun dafür was ihr mir angetan habt. Ihr habt mein Leben gezeichnet, mich zerstört."
„Das du zerstört bist merkt man daran, dass du mir hier gegenüber sitzt während deine Mutter tot im selben Raum ist und ausblutet, ihr kranken Schweine."
„Ruhe!" brüllt Silas, holt aus und rammt meinem Vater das Messer in seinen Oberschenkel. Er schreit auf, spannt seinen kompletten Körper an, während Silas ihm eine Hand gegen den Hals drückt. „Wenn du nicht endlich deine verdammte Schnauze hältst, schneide ich dir wirklich deine Zunge ab."
Er schnappt nach Luft, seine Augen werden groß und komische Geräusche kommen aus seiner Kehle. „Du hast keine Macht mehr über Lyle."
In Silas Stimme zeichnet sich der pure Hass. „Sag das."
Mein Vater läuft allmählich blau an, öffnet seinen Mund, doch kaum ein Laut kommt heraus.
„Sag es", sagt Silas flüsternd.
„Ich... h... habe keine M-Mach...t mehr ü-ber Lyle..."
„Sehr schön", antwortet Silas, lässt von ihm ab und zieht das Messer wieder aus seinem Bein, was mein Vater mit einem lauten Schrei kommentiert.
In Silas Augen ist ein Funkeln, welches ich nicht ganz deuten kann. Jetzt gerade wird mir bewusst, dass er ein kaltblütiger Mörder ist und ich weiß nicht, ob er vor dem Mord an seinen Eltern schon einmal Leute getötet hat. Doch dann findet sein Blick wieder meinen und er ist sanft, so weich wie Butter.
Ein Lächeln umspielt seine Lippen und dieses Lächeln bringt mein Herz zum schmelzen. Selbst jetzt, blutverschmiert, mit einer Leiche im Raum. Er tut das hier für mich, weil er nicht will das mir jemand weh tut. Und wenn ich sagen würde wir hören auf, dann würde er es tun.
„Alles in Ordnung?", fragt er besorgt.
„Ja", sage ich schnell und wende meinen Blick wieder zu meinem Vater. „Du nennst mich Schwuchtel, Aber hast mich vergewaltigt, meine ganze Kindheit lang. Du bist ein perverses Schwein."
Eigentlich wollte ich ihm so viel sagen, so viel an den Kopf werfen. Ich wollte Antworten, doch ich werde niemals welche bekommen. Egal was wir ihm antun, er wird mir keine geben.
„Tu es", sage ich entschlossen und lehne mich zurück.
Silas Augen leuchten auf, er greift meinem Vater in die Haare, zieht seinen Kopf zurück und setzt das Messer an seine Kehle. „Hoffentlich kommst du in die Hölle", mit diesen Worten verpasst er ihm einen tiefen Schnitt.
Die Augen meines Vaters liegen auf mir, er ist still, man hört nur sein erdrückendes atmen. Er ist zu stolz um jetzt um sein Leben zu kämpfen. Ich sehe dabei zu, wie er stirbt und es fühlt sich gut an.
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