Exorzismus


Ich stehe mit Pater Ludwig und Livan, dem Exorzisten, vor Lahelas Tür. Die Luft im Flur ist drückend, und die Anspannung ist beinahe greifbar. Jeder von uns ist ausgerüstet, ich halte eine Bibel fest umklanmert, in meiner anderen Hand ein kleines Fläschchen Weihwasser, das in meinem Griff schweißnass wird. Ein einfaches Kreuz hängt von meinem Hals, doch es fühlt sich an wie ein schweres Gewicht, das auf meiner Brust lastet.

Neben mir sehe ich, wie Pater Ludwig das Kreuz in seiner Hand prüft, den Blick ernst, und daneben steht Livan, den ich zum ersten Mal sehe. Er ist mittelgroß, mit tiefen, stechenden Augen, und in seiner Haltung liegt eine unerschütterliche Gelassenheit. Er trägt die schlichte, schwarze Kleidung eines Priesters, und um seinen Hals hängt ein ebenso schlichtes Kreuz, das ihm etwas fast Unantastbares verleiht.

Ein Geräusch lässt mich kurz aufschrecken; Silas tritt zu uns. Auch er hat eine ernste Miene und sieht mich kurz durchdringend an.

„Alles klar, Lyle?" fragt er leise, so dass es nur ich hören kann.

Ich nicke stumm, aber er merkt, dass meine Hände zittern. Seine Hand berührt kurz meinen Arm, ein flüchtiges Zeichen von Unterstützung. „Du schaffst das", murmelt er, sein Blick bleibt fest. „Ich weiß, das ist... unvorstellbar schwer. Aber ich glaube an dicx."

Sein Blick und seine Worte geben mir einen Moment lang Halt, und ich atme tief durch, versuche, meine Nerven zu beruhigen.

Livan räuspert sich und sieht Silas prüfend an. „Silas, wir schätzen, dass du uns bisher unterstützt hast," sagt er ruhig, „aber der Rest... das ist nicht für jemanden, der keine geistliche Weihe hat."

Silas zögert, sein Blick springt zwischen uns hin und her, und für einen Moment sieht er aus, als wolle er widersprechen. Dann nickt er knapp und wendet sich mir zu. „Lyle, wenn... wenn es zu viel wird, dann denk an das, woran du glaubst, an alles, was dir jemals Kraft gegeben hat. Wir wir stehen das durch, okay? Ich werde hier draußen sein, egal was passiert."

Er legt mir eine Hand auf die Schulter, und ich spüre, wie diese Geste einen Teil meiner Angst mildert, auch wenn die Last der Verantwortung weiter auf mir lastet. Ich nicke ihm zu, meine Lippen sind trocken und Worte erscheinen mir plötzlich sinnlos, also schenke ich ihm ein dankbares Lächeln.

„Danke, Silas", flüstere ich. Er mustert mich kurz, dann dreht er sich um und entfernt sich den Flur entlang. Ich sehe ihm hinterher, bis er aus dem Blickfeld verschwunden ist, und mir wird bewusst, wie sehr ich diese kurze Geste gebraucht habe.

Pater Ludwig räuspert sich und schaut uns mit einem entschlossenen Blick an. „Seid ihr bereit?"

Ich nicke. Livan öffnet das Fläschchen mit dem Weihwasser und macht das Kreuzzeichen, bevor er mit ruhiger Stimme spricht. „Dies ist kein einfacher Moment. Das Böse, das in Schwester Lahela lauert, wird alles in seiner Macht stehende tun, um uns zu verunsichern, uns zu erschüttern. Bleibt standhaft im Glauben, haltet eure Gedanken rein, und erinnert euch daran, dass wir hier mit der Autorität des Lichts stehen."

Mit diesen Worten streckt er den Arm aus und öffnet die Tür zu Lahelas Zimmer. Ich folge ihm, mein Herz rast, und mit einem mulmigen Gefühl trete ich in das abgedunkelte Zimmer.

Lahela liegt auf dem Bett, gefesselt an die Bettpfosten, ihre Augen sind geschlossen. Doch als wir das Zimmer betreten, öffnen sie sich langsam, und ein schiefes, zynisches Lächeln umspielt ihre Lippen. Sie sieht uns mit einem Ausdruck an, der mir eine Gänsehaut beschert. Ihr Lächeln wirkt viel zu breit, fast unmenschlich.

„Ah, Pater Lyle", flüstert sie leise, ihre Stimme ist ungewöhnlich tief und heiser. „Habt ihr endlich euren kleinen Freund mitgebracht?"

Ich schlucke hart und schließe kurz die Augen, versuche was ich sehe und höre, nicht zu nah an mich heranzulassen. Doch als ich wieder hinsehe, funkeln ihre Augen auf unheilvolle Weise.

„Wo ist denn dein Liebster?" fragt sie spöttisch und blickt zur Tür. „Hat er nicht den Mut, dich zu begleiten?"

Pater Ludwig und Livan beginnen bereits mit den ersten Gebeten, doch ihre Worte hallen weiter in meinem Kopf nach. Ihr Lächeln verzieht sich zu einem höhnischen Grinsen.

„Erzählt mir, Pater", sagt sie und blickt mich dabei direkt an. „Vertraut ihr ihm wirklich? Oder fürchtet ihr euch davor, ihm zu nahe zu kommen? Vielleicht genießt ihr die Vorstellung, ihn bei euch zu haben... mehr, als ihr zugeben wollt?"

Ein Schauer läuft mir den Rücken hinunter, und ich muss mich zusammenreißen, um ihren Blick zu erwidern. Ihre Worte sind wie kleine, giftige Stiche, die versuchen Zweifel und Scham in mir zu wecken. Doch ich halte die Bibel fest und beginne, die Gebete mitzusprechen, die Livan und Pater Ludwig laut rezitieren.

Livan tritt mit einer festen, unerschütterlichen Ruhe an das Bett heran und besprengt Lahela mit Weihwasser. Sie zuckt zusammen, und ein animalisches Knurren entfährt ihr, so tief, dass ich mich frage, wie ein Mensch zu solch einem Laut fähig sein kann.

„Hört auf damit!" faucht sie, ihre Augen verengen sich zu Schlitzen. „Ihr könnt mich nicht aufhalten. Ich weiß alles über euch – all eure dunklen kleinen Geheimnisse." Ihr Blick gleitet wieder zu mir. „Besonders deins, Pater Lyle."

Livan reagiert ruhig, hebt sein Kreuz und spricht mit fester Stimme. „Im Namen Christi und durch die Macht des Lichts befehle ich dir, zu schweigen und diesen Körper zu verlassen."

Lahela windet sich auf dem Bett, ihre Augen verdrehen sich, und ein kalter Laut kommt aus ihrer Kehle, ein Lachen, das sich wie kalter Stahl anfühlt. Sie spuckt beinahe die Worte aus, während ihr Kopf langsam in meine Richtung fällt. „Lyle, Lyle, du armer, verwirrter Mann. Glaubst du wirklich, ein Gebet kann dich retten?"

Ich schlucke schwer und konzentriere mich auf den Text in der Bibel, meine Hände sind feucht, und die Worte verschwimmen vor meinen Augen, doch ich zwinge mich weiterzusprechen, meine Stimme bebt, aber ich höre nicht auf. Lahela sieht mich mit einem durchdringenden Blick an, als wolle sie jeden Schutz in mir durchbrechen, als wolle sie jede Mauer, die ich aufgebaut habe, niederreißen.

„Du weißt, wie es ist, Lyle", flüstert sie mit einem seltsam zarten, fast liebevollen Tonfall, der im Kontrast zu ihrem grausamen Blick steht. „Du weißt, was du fühlst, auch wenn du es verleugnest. Du willst doch nur, dass er..."

„Genug!" ruft Pater Ludwig, seine Stimme hallt durch das Zimmer, und er tritt einen Schritt näher an das Bett heran. Er spricht mit entschlossener Stimme: „Schweige, Geist des Unheils. Du hast keine Macht über uns."

Lahela lacht höhnisch, ihre Stimme klingt fast schmerzerfüllt, doch gleichzeitig liegt darin eine kranke Freude. „Ihr seid alle so lächerlich. Glaubt ihr wirklich, ihr könnt mich mit ein paar Worten vertreiben?"

Livan lässt sich nicht beirren, seine Stimme bleibt ruhig und fest, während er die Gebete fortsetzt und immer wieder das Kreuzzeichen macht. Das Geräusch von Lahelas Atmung verändert sich, wird flacher, und ein flüchtiges Zucken geht durch ihren Körper. Für einen Moment sehe ich einen Ausdruck von Schwäche in ihrem Gesicht, als hätte der Dämon kurz die Kontrolle verloren.

Ich spüre einen Funken Hoffnung und schöpfe neuen Mut. Die Gebete gewinnen an Stärke, und ich merke, wie sich die Atmosphäre im Raum leicht verändert, als ob ein schweres Gewicht langsam von uns genommen wird. Doch bevor ich es richtig begreife, schießt ein letztes, kaltes Lächeln über ihr Gesicht, und sie flüstert: „Das wird nicht das Ende sein. Ich werde zurückkommen... und dann werden wir sehen."

Noch während ich weiter meine Gebete murmle, verzieht sich Lahelas Gesicht in einer Art Krampf, ihre Augen schimmern plötzlich kalt und gefährlich. Sie blickt Pater Ludwig an, und in ihrer Miene liegt ein Ausdruck abgrundtiefen Hasses.

„Du alter Narr", zischt sie zwischen zusammengepressten Zähnen, ihre Stimme tropft vor Verachtung. „Was glaubst du, erreicht zu haben? Die Gemeinde... die verachtet dich. Sie verachtet euch alle."

Ein Schauder läuft mir über den Rücken, doch ich zwinge mich, weiterzubeten, das Fläschchen Weihwasser zittert in meiner Hand. Lahela wendet sich nun an Livan und ihre Augen funkeln kalt. „Und du, kleiner Exorzist", fährt sie fort, „glaubst du wirklich, du kannst mich vertreiben? Ein paar Gebete und ein bisschen Weihwasser... erbärmlich!"

Livan bleibt unbeeindruckt und spricht ruhig weiter, während Pater Ludwig ein paar Schritte zurückweicht und dabei leise, aber fest seine Gebete rezitiert. Doch Lahela lässt sich nicht beirren, ihr Blick wandert zurück zu mir, ihr Gesicht wird zu einer hässlichen Fratze, und dann spricht sie mit einer Ruhe, die nur noch mehr an mir zerrt.

„Du und Silas..." Sie lacht leise. „Ja, ich habe euch gesehen. Ich weiß, was ihr getan habt. Ihr habt euch geküsst. Dein junger Freund... er scheint dich ganz verzaubert zu haben, nicht wahr?"

Mein Herz rast, und ich spüre, wie sich Wut in mir aufbaut. Sie grinst mich höhnisch an, ihre Augen stechend und kalt. „Armer Lyle... glaubst du wirklich, dass du dich davor verstecken kannst? Jeder hier weiß doch, was du wirklich willst."

Meine Hände ballen sich zu Fäusten, die Worte sind wie kleine Dolchstiche, jeder einzelne bohrt sich tiefer in mein Inneres. Ich höre, wie Pater Ludwig und Livan weiter beten, doch ihre Stimmen verschwimmen, und alles, was ich spüre, ist eine aufkochende Wut, die sich einen Weg an die Oberfläche bahnt.

„Halt endlich deinen Mund!" schreie ich, die Worte kommen lauter und heftiger heraus, als ich es mir selbst erlaubt hätte. Ich trete einen Schritt auf sie zu und packe sie an den Schultern, mein Griff ist fest und ich spüre, wie meine Finger sich in den Stoff ihrer Kleidung bohren. „Du hast keine Ahnung, wovon du redest."

Doch sie lacht nur, ein kaltes, spöttisches Lachen, das meinen Zorn nur weiter anheizt. „Oh, aber ich weiß alles, Lyle", flüstert sie in einem gehässigen, kehligen Ton, „und tief in deinem Herzen... weißt du das auch."

Ich zittere vor Wut, und für einen Moment verliere ich die Kontrolle. Ich drücke sie gegen das Bett und merke, wie meine Muskeln sich anspannen, als ob ich sie nicht mehr loslassen könnte. Ihre höhnische Miene trifft mich wie ein Schlag ins Gesicht.

„Lyle!" Pater Ludwigs Stimme dringt wie durch einen Nebel zu mir durch, und ich spüre seine Hand auf meiner Schulter. „Lyle, lass los. Wir dürfen uns nicht in diesen Zorn hineinziehen lassen. Das ist, was es will."

Langsam löse ich meine Finger und trete einen Schritt zurück, mein Herz schlägt wie ein Hammer in meiner Brust. Ich blicke zu Pater Ludwig, und der Ausdruck in seinen Augen ist ruhig, verständnisvoll. Er legt mir eine Hand auf den Arm und nickt mir beruhigend zu.

„Das reicht für heute", sagt er leise. „Wir kommen morgen wieder. Wir werden diesen Kampf weiterführen, aber mit einem klaren Geist."

Ich nicke stumm, mein Blick bleibt auf Lahela gerichtet, die uns alle mit diesem giftigen, höhnischen Grinsen ansieht. Meine Wut brennt noch immer unter der Oberfläche, doch ich zwinge mich, sie unter Kontrolle zu halten.

Livan und Pater Ludwig sprechen ein letztes Gebet, dann verlassen wir langsam das Zimmer, jeder Schritt fühlt sich schwer an. Als wir draußen die Tür hinter uns schließen, spüre ich die Schwere des Geschehenen wie eine Last auf meinen Schultern.

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