Eine unvergessliche Nacht
Silas kommt langsam zu mir. Seine Bewegungen sind ruhig, er wirkt gelassen. Er bleibt ganz nah vor mir stehen,l und ich stehe automatisch auf, um ihm auf Augenhöhe zu sein.
Seine blutverschmierten Hände hängen locker an seinen Seiten. Kleine Spritzer davon haben sein Oberteil und sein Gesicht erreicht, es sieht aus als er hätte er kleine Pinselstriche am ganzen Körper. Doch es ist nicht beängstigend. Es ist... faszinierend.
Seine grauen Augen wirken jetzt warm, geradezu weich, als sie mich ansehen. Ich öffne den Mund um etwas zu sagen, doch die Worte kommen nicht heraus.
„Silas, ich...", beginne ich, meine Stimme ist leise. „Ich... weißt du... Ich... ich..."
Seine Mundwinkel zucken und er beginnt leicht zu grinsen. „Ich... dich auch," flüstert er.
In diesem Moment bleibt die Welt um uns herum für einen Augenblick lang stehen. Alles Schlechte, alles Schreckliche verblasst. Alles was bleibt... ist er. Alles an ihm zieht mich an, hypnotisiert mich. Es braucht keine weiteren Worte, ich weiß genau was er mir sagen will. Und was ich ihm sagen möchte.
Für einen Moment bin ich wie in Trance. Seine blutigen Hände, die düstere Aura dieses Ortes, all das verliert an Bedeutung. Alles ist plötzlich klar.
Die Tür knarrt leise und Schwester Lahela betritt den Raum. Sie hat das gleiche unnatürliche Grinsen auf den Lippen wie zuvor. Ihre Augen mustern erst Silas, dann mich und sie legt den Kopf schief.
„Und?" fragt sie schließlich. „Was habt ihr jetzt vor?"
Ich richte mich auf und sehe ihr direkt in die Augen. „Keine Inszenierung", sage ich. „Ich will keine Nachrichten, keine Schlagzeilen. Lass die Leichen verschwinden. Es soll so aussehen, als wären sie einfach... ausgewandert."
Lahela kneift die Augen zusammen und mustert mich einen Moment, dann nickt sie langsam. „Ich verstehe. Aber das kostet Zeit."
„Dann fang an," erwidert Silas knapp.
Lahela wirft uns noch einen abschätzigen Blick zu, dann geht sie zur Arbeit. Silas wendet sich wieder mir zu und er sieht mich mit dieser seltsamen Mischung aus Fürsorge und Macht an.
„Ich... muss mich waschen," murmelt er schließlich und sieht auf seine blutverschmierten Hände hinunter.
„Das Badezimmer ist oben," sage ich und wir gehen gemeinsam die Treppe hinauf.
Im Badezimmer ist es still, das einzige Geräusch ist das Plätschern des Wassers, als Silas seine Hände unter den Hahn hält. Das Blut rinnt ins Waschbecken und verschwindet im Abfluss. Ich beobachte ihn dabei, wie er das Wasser über seine Hände laufen lässt.
„Hilfst du mir?" fragt er plötzlich.
Ich brauche einen Moment um zu begreifen, was er meint, dann greife ich nach einem Handtuch und beginne damit vorsichtig seine Hände abzutrocknen. Meine Berührungen sind langsam und ich spüre wie mein Herz schneller schlägt. Wie immer, wenn wir uns nahe sind.
„Danke," murmelt er und hebt den Kopf um mich anzusehen. Sein Blick ist intensiv und ich merke, wie mir augenblicklich heiß wird.
Silas greift an den Kragen seines Pullovers und zieht ihn sich über den Kopf. Sein Oberkörper kommt zum Vorschein, er ist schmal aber trotzdem definiert, mit einer feinen Spur von Narben. Ich halte unwillkürlich den Atem an.
Er bemerkt meinen Blick und grinst. „Sieht so aus, als hätte ich deine Aufmerksamkeit."
Ich spüre, wie mein Gesicht noch heißer wird. „Du hältst dich für unwiderstehlich, oder?" murmele ich grinsend. Er ist unwiderstehlich.
„Oh, ich halte mich nicht für unwiderstehlich," sagt er leise, während er einen Schritt näher kommt. „Aber ich weiß, dass du mich so siehst."
Ich schaffe es nicht, eine Antwort zu finden. Stattdessen nehme ich das frische Shirt, das er aus dem Rucksack gezogen hat und reiche es ihm. Unsere Hände berühren sich kurz und ich merke, wie mein Atem unregelmäßig wird.
Er zieht es langsam über, doch sein Grinsen bleibt. „Danke," sagt er knapp.
. . .
Wir steigen ins Auto und fahren zurück zum Kloster. Die Nacht ist still, die Straßen sind leer. Für eine Weile sprechen wir nicht, die Stille zwischen uns ist allerdings angenehm.
„Wie fühlst du dich?" fragt er, ohne den Blick auf mich zu richten.
Ich überlege kurz. „Frei," sage ich schließlich. „Aber auch... verloren. Es fühlt sich an, als wäre alles was ich kannte weg. Und gleichzeitig ist das gut."
Silas nickt langsam. „Manchmal muss man alles hinter sich lassen, um neu anzufangen. Das hier..." Er macht eine kurze Geste. „... war der Anfang. Aber es ist noch nicht vorbei."
Ich sehe ihn von der Seite an. „Was meinst du?"
Er lächelt leicht. „Du wirst sehen. Wir machen das zusammen."
Ich weiß nicht was er meint, weiß nicht was er mir damit sagen will. Doch für den Moment gebe ich mich damit zufrieden. Ich fühle mich gerade so frei und unabhängig. Zu wissen das meine Eltern für immer weg sind, beschert mir Glücksgefühle. Schwester Lahela wird es so aussehen lassen, als seien sie ausgewandert. Niemand wird sie jemals wieder finden.
Zurück auf dem Parkplatz des Klosters zeigt ein Blick auf die Uhr: Es ist zwei Uhr in der Nacht. Der Parkplatz ist menschenleer und die Lichter des Klosters wirken so weit entfernt und gedämpft. Es ist noch Zeit bis zum morgendlichen Gottesdienst, doch ich denke nicht daran, schlafen zu gehen.
Mein Blick wandert zu Silas. Sein Gesicht ist von den schwachen Lichtern des Armaturenbretts sanft beleuchtet. Sein Mund ist zu diesem leichten, herausfordernden Grinsen verzogen, das er immer dann hat, wenn er ganz genau weiß, dass er die Kontrolle hat.
Und verdammt, er hat sie.
Mein Herzschlag beschleunigt sich, als ich ihn ansehe. Die Erinnerung an die letzten Stunden brennt in meinem Kopf. Das Blut an seinen Händen, die Entschlossenheit in seinem Blick, die Art, wie er meinen Vater zur Ruhe gezwungen hat... all das hätte mich erschrecken sollen. Aber das tat es nicht. Es hat mich fasziniert. Es hat mich angezogen.
Ich spüre wie mein Atem flacher wird, während ich seine Gesichtszüge betrachte. Selbst jetzt, nach allem, strahlt er diese unerschütterliche Dominanz aus und ich kann nicht anders als daran zu denken, wie unglaublich heiß er vorhin aussah. Wie sicher er wirkte.
Silas dreht den Kopf leicht zu mir und unsere Blicke treffen sich. Sein Grinsen vertieft sich, als er meinen Ausdruck bemerkt. „Was ist?" fragt er mit einer rauen Stimme, die mir einen Schauer über den Rücken jagt.
Ich antworte nicht. Stattdessen lehne ich mich langsam zu ihm hinüber, während mein Puls in meinen Ohren hämmert. Es ist unbequem im Auto, aber ich ignoriere das. Meine Hand gleitet auf die Rückseite seines Nackens und bevor ich mich zurückhalten kann, schließe ich die Lücke zwischen uns und küsse ihn.
Der Kuss ist nicht zaghaft oder unsicher, er ist voller Intensität. Meine Finger vergraben sich in seinen Haaren, während ich ihn näher an mich ziehe. Seine Lippen sind weich, doch sein Kuss ist fest und ich verliere mich in dem Gefühl.
Silas zögert keinen Moment. Seine Hände finden ihren Weg zu meinen Hüften, ziehen mich näher, so weit es im Auto möglich ist. Ich spüre wie seine Nägel leicht in meine Haut drücken, seine Berührung ist genauso bestimmend wie der Rest von ihm.
Die Zeit scheint sich aufzulösen. Alles was zählt, ist dieser Moment, dieser Kuss. Mein Herz rast, meine Gedanken sind verschwommen.
Nach einer Weile trenne ich mich schwer atmend von ihm. Meine Lippen fühlen sich geschwollen an und ich sehe ihn an. Sein Grinsen ist immer noch da, aber jetzt wirkt es dunkler, irgendwie fast schon herausfordernd.
„Silas...", beginne ich, meine Stimme klingt irgendwie brüchig. Ich schlucke und fasse mir ein Herz. „Ich will mehr."
Sein Blick wird noch intensiver, seine Finger spielen mit dem Saum meines Shirts. „Mehr, hm?" fragt er leise.
Ich nicke langsam, sage nichts mehr.
Er hält inne, so als würde er mich noch einen Moment zappeln lassen wollen. „Dann gehen wir auf mein Zimmer", sagt er schließlich grinsend.
Wir steigen aus dem Auto und sofort schlägt mir die Kälte der Nacht entgegen, doch ich spüre sie kaum. Silas greift nach meiner Hand, während wir über den leeren Hof zum Kloster gehen. Mir ist es jetzt gerade egal, ob uns jemand sehen könnte oder nicht.
Drinnen herrscht eine seltsame Stille, so spät in der Nacht war ich noch nie in den Gängen unterwegs.
Ohne ein Wort zu sagen, schließt er seine Zimmertür auf und zieht mich hinein. Er dreht sich sofort zu mir um und schließt die Tür hinter uns.
"Jetzt sind wir ungestört," sagt er leise und tritt näher.
Er zieht mich zu sich, seine Hände gleiten über meinen Rücken und ich spüre, wie die Wärme in mir aufsteigt. Doch bevor er mich wieder küsst, sehe ich wie er einen Moment innehält.
„Du hast es wieder getan", sagt er mit ruhiger Stimme und mir wird sofort bewusst, was er meint. Bei einer Berührung an meinem Rücken hat er es gespürt. Das, was ich gestern getan habe.
„Bitte nicht jetzt", flüstere ich und schau ihn eindringlich an. „Ich will das hier", sage ich leise.
Er hält einen Moment inne und schaut mich immer noch an. Er zögert einen Moment, doch dann finden seine Lippen meine und diesmal gibt es keine Zurückhaltung mehr. Seine Hände gleiten unter mein Shirt, seine Berührungen sind fordernd und ich lasse es zu, lasse mich fallen.
Seine Fingerspitzen hinterlassen ein kribbeln auf meiner Haut, seine Berührungen treiben mich regelrecht in den Wahnsinn. Es ist als hätte mein Körper schon sein Leben lang nur auf diesem Moment gewartet.
Sein Shirt landet irgendwann auf dem Boden und zum zweiten Mal in dieser Nacht sehe ich ihn oberkörperfrei. Mein Blick wandert über die feinen Narben, die sich über seine Brust ziehen und ich spüre, wie mein Atem erneut stockt.
„Du starrst", sagt er mit einem selbstzufriedenen Lächeln, während er mich ebenfalls beobachtet.
„Du siehst gut aus", erwidere ich und lächel ihn ebenfalls an.
Er tritt näher, seine Hände finden meine und er zieht mich sanft mit sich zum Bett. „Du auch", murmelt er, bevor er mich wieder küsst und ich verliere mich erneut in ihm.
. . .
Ausnahmslos alles, was in dieser Nacht passiert ist, werde ich niemals vergessen. Der Tod meiner Eltern... Die Ketten, die mich mein Leben lang gehalten haben, waren endlich weg und ich konnte zum ersten Mal wirklich atmen.
Doch es war nicht nur das. Es war Silas.
Diese Nacht mit ihm, seine Berührungen, seine Dominanz, die Sicherheit die er ausstrahlt. Alles an ihm ist so anders, so real.
Der Sex mit ihm fühlt sich so anders an als all das, was ich durch meinen Vater erfahren habe. Anders als die Wunden, die er mir damals zugefügt hat. Ich habe geglaubt, dass er mich für immer gebrochen hat. Dass jede Berührung, jede Nähe für den Rest meines Lebens von diesen Erinnerungen überlagert würde.
Aber bei Silas konnte ich mich fallen lassen.
Bei ihm bin ich sicher. So sicher wie noch nie in meinem Leben.
Jetzt liege ich auf dem Bauch, während Silas' Finger sanft über meinen Rücken streichen. Seine Berührungen sind leicht, aber zielgerichtet. Die Fingerspitzen gleiten über die feinen Linien der Narben, die sich dort eingegraben haben.
„Hm", murmelt er nachdenklich. „Bitte... tu das nicht mehr."
Ich blinzle und drehe den Kopf leicht zu ihm. „Was meinst du?" frage ich obwohl ich genau weiß, was er meint.
Seine Finger verharren. „Diese Striemen, Lyle. Ich weiß, dass du sie dir selbst zufügst. Das hast du mir erzählt. Hör auf damit. Hör damit auf, dich selbst zu bestrafen."
Ich öffne den Mund um etwas zu sagen, doch die Worte bleiben mir zuerst im Hals stecken.
„Ich habe das Gefühl, dass Gott mir meine Sünden nur verzeiht, wenn ich mich bestrafe. Es ist... es ist mein Weg, wieder rein zu werden."
Silas verstummt einen Moment, doch dann beugt er sich vor und seine Lippen berühren sanft meine Schulter. „Nein", haucht er. „So funktioniert das nicht. So darf es nicht sein."
Er richtet sich auf „Zeig mir, womit du das machst."
Ich bin plötzlich hellwach, die Ruhe der Nacht verschwindet. „Was?" frage ich leicht panisch.
„Zeig es mir," wiederholt er.
Ich zögere, doch schließlich gebe ich nach.
Ich schiebe die Decke beiseite, stehe auf und schlüpfe in meine Kleidung, ohne ihm dabei in die Augen zu sehen. Es fühlt sich an, als hätte ich etwas Falsches getan obwohl ich weiß, dass es keine Schuld gibt, die er mir zuweist.
Leise verlassen wir das Gästehaus und gehen über den dunklen Innenhof, bis wir mein Zimmer im Priestergebäude erreichen.
Drinnen angekommen bleibt er stehen, seine Augen wandern über den Raum, während er tief durchatmet. „Du hast es wirklich schön hier, habe ich das schon mal gesagt?", murmelt er, als würde er mich beruhigen wollen.
„Vielleicht solltest du dein Zimmer auch ein bisschen wohnlicher machen," antworte ich.
Er lächelt, nimmt meine Hand und drückt sie leicht. „Später. Jetzt zeig es mir."
Mit einem Knoten im Magen gehe ich zu meinem Schrank, öffne die Türen und ziehe aus der untersten Schublade die Peitsche hervor.
Silas nimmt sie aus meiner Hand und betrachtet sie schweigend. Seine Finger gleiten über das Material und seine Stirn zieht sich zusammen. Dann hebt er den Kopf und sein Blick ist so intensiv, dass ich das Gefühl habe, er könnte durch mich hindurchsehen. „Nein", sagt er, mehr zu sich selbst als zu mir. „Das ist vorbei. Ab jetzt."
„Ich... weiß nicht, ob ich das einfach so lassen kann", stammele ich unsicher.
"Doch, du kannst," sagt er ruhig, aber bestimmt. „Vertrau mir." Er schaut sich um. „Hast du eine Schere?"
Ich zögere, doch dann ziehe ich sie aus der Schublade meines Schreibtischs und reiche sie ihm. Ohne ein weiteres Wort öffnet er die Klingen und setzt sie an die Lederstränge der Peitsche.
„Was machst du?" frage ich entsetzt, aber er antwortet nicht.
Mit einem festen Schnitt trennt er die erste der fünf Stränge ab. Dann die zweite. Die dritte. Ich sehe, wie die Peitsche unter seinen Händen ihre Gestalt verliert, bis schließlich nichts mehr übrig ist als ein Haufen zerstörtes Leder.
Er wirft die Überreste auf den Boden, hebt den Blick zu mir und tritt näher. Seine Hände umfassen mein Gesicht, seine grauen Augen durchbohren mich und sein Ausdruck ist sanft.
„Du bist so viel mehr als das, Lyle. Und du brauchst keine Peitsche um irgendjemandem irgendetwas zu beweisen. Verstehst du?"
Ich nicke stumm, meine Kehle ist wie zugeschnürt. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühle ich mich... leicht.
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