Die Beichte

Der Tag nach Silas' Taufe fordert mehr von mir, als ich zuerst gedacht habe. Silas geht mir nicht aus dem Kopf, vor allem seine Blicke. Seine grauen Augen bescheren mir jedes Mal aufs Neue eine Gänsehaut am ganzen Körper. Es war meine Entscheidung mich von ihm zu distanzieren, also muss ich jetzt auch damit klarkommen.

Erst am Abend als ich die Beichten meiner Gemeindemitglieder abnehme, gelingt es mir ihn für einige Stunden aus meinen Gedanken zu verbannen. Ich versinke in der Aufgabe den Menschen zuzuhören, die zu mir kommen. Sie sind hier, weil sie jemanden brauchen, der sie annimmt, der ihnen Trost spendet.

Zuerst ist es Lucretia, die mir mit zitternder Stimme beichtet, dass sie ihren Eltern Geld gestohlen hat. Lea gesteht, dass sie in der Schule abgeschrieben hat und Lacey erzählt mir, dass sie ihren Mann betrogen hat. Liam beichtet das heimliche Anschauen verbotener Filme und Laith gesteht, dass er seine Familie belügt und ihnen verheimlicht, dass er schwul ist. Ich hoffe, dass meine Worte und mein Gebet ihnen Kraft geben, das Richtige zu tun.

Jeder trägt sein eigenes Paket und keines davon ist mehr oder weniger Wert als das eines anderen.

Der warmherzig eingerichtete Raum, in dem ich die Beichten abnehme, wird schließlich leer und ich spüre die Ruhe, die sich in mir ausbreitet. Der Duft von brennendem Wachs erfüllt den Raum und die Kerzen werfen ein sanftes Licht auf die Wände. Ich tausche die abgebrannten Kerzen aus und streiche gedankenverloren über mein Hemd, richte meinen Kragen und schlage die Bibel auf, bereit für die nächste Beichte. Dann höre ich eine Stimme. Eine ganz bestimme Stimme. Und sofort ist meine innerliche Ruhe dahin.

„Hallo, Pater." Silas' Stimme hallt durch den Raum und als ich aufschaue, sehe ich ihn lässig im Türrahmen stehen, seine Augen sind auf mich gerichtet. Er mustert mich mit einem schiefen, herausfordernden Lächeln, das mir sofort eine leichte Nervosität beschert.

„Ich will etwas beichten," sagt er und es liegt ein Hauch von Spott in seiner Stimme.

Einen Moment lang stockt mein Atem. Meine Gedanken rasen... Hat er wieder etwas Schlimmes getan? Ein Verbrechen, einen erneuten Mord? Doch vermutlich hätte mich Detective Andrew schon benachrichtigt, wenn es ein erneutes Verbrechen gegeben hätte.

„Natürlich Silas," antworte ich ruhig, doch meine Stimme zittert leicht. „Komm ruhig rein."

Er murmelt etwas, das ich nicht ganz verstehen kann, aber ich bilde mir ein er das er leise „Wie großzügig" gesagt hat. Er setzt sich auf den Sessel und sieht mich an, seine grauen Augen funkeln amüsiert. Er klopft mit den Fingerspitzen auf den Tisch und sein Lächeln hat einen herausfordernden Ausdruck.

Ich nehme ebenfalls Platz, atme tief durch und versuche die Ruhe wiederzubekommen. Hier mit ihm in diesem kleinen Raum zu sitzen, ohne viel Abstand zwischen uns, weckt ein Zittern in mir. Ich schiebe alle Gedanken beiseite und nehme mir vor, professionell zu bleiben.

Silas hebt die Hand, bekreuzigt sich mit überraschender Ernsthaftigkeit und sagt mit tiefer Stimme: „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen."

Diese Worte die er spricht, haben seit diesen... schrecklichen Dingen eine besondere Bedeutung angenommen. Immerhin hat er sie an Wände geschrieben... mit Blut.

„Gott, der unser Herz erleuch­tet, schen­ke dir wah­re Erkennt­nis dei­ner Sün­den und sei­ner Barm­her­zig­keit," spreche ich leise. Ich sehe, wie seine Mundwinkel leicht zucken und ich weiß, dass er sich über meine Bemühungen amüsiert. Doch ich lasse mich davon nicht beeindrucken. Er ist hier um zu beichten und verdient meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Genau wie alle anderen vor ihm.

Silas lehnt sich zurück, dieses leichte Lächeln liegt immer noch auf seinen Lippen. „Wie war dein Tag, Pater?"

Überrascht über seine Frage, suche ich nach einer angemessenen Antwort. Vielleicht ist es einfach nur seine Art, die Anspannung zu brechen oder aber vielleicht verfolgt er ein anderes Ziel. Ich erinnere mich daran, dass es nicht immer hilfreich ist, alles zu hinterfragen was Silas sagt oder tut.

„Mein Tag war in Ordnung, danke. Schwester Lahela braucht eine Pause, daher haben wir heute keinen Exorzismus durchgeführt. Und deiner?" Meine Stimme ist ruhig, doch mein Herz schlägt schneller.

„Ganz in Ordnung," entgegnet er beiläufig, doch in seinem Tonfall schwingt immer noch etwas herausforderndes mit.

Ich nicke leicht und gehe zum eigentlichen Thema über. „Was möchtest du heute beichten?"

Silas' Blick wird intensiver und seine Lippen formen jetzt ein freches Grinsen. „Weißt du... Da ich jetzt offiziell zur Kirche gehöre, muss ich meine ach so bösen Sünden natürlich beichten, nicht wahr?" Seine Stimme klingt schnippisch und ich spüre das Knistern in der Luft zwischen uns.

„Es ist wichtig, regelmäßig zu beichten," sage ich ernst. „Es ist ein Schritt auf dem Weg der Besserung."

„Oh, bessern will ich mich auf jeden Fall," murmelt er.
Er beugt sich ein Stück vor, sein Blick bohrt sich in meinen und er flüstert: „Ich habe schlechte Gedanken, Pater."

Für einen Moment verliere ich meine Fassung, aber ich zwinge mich, den Blick nicht abzuwenden. „Das ist... das ist nichts, was Gott nicht verzeihen könnte", antworte ich, doch meine Stimme klingt schwächer als ich es eigentlich wollte.

„Ich weiß," antwortet er leise. „Und es ist nichts, was ich aufhören kann." Sein Blick bohrt sich in meinen und er beugt sich noch näher zu mir. „Wenn ich es könnte, glaubst du nicht, dass ich längst damit aufgehört hätte?"

Ich muss schlucken und zwinge mich dazu, nicht wegzusehen, doch in mir tobt regelrecht ein Kampf. Ich bin hier, um Beichten abzunehmen, um den Menschen zu helfen. Doch mit Silas ist es anders, die Grenze verschwimmt immer mehr.

„Es gibt nichts, was Gottes Vergebung dir nicht schenken kann," sage ich schließlich. Ich weiß nicht, wovon er spricht und ich weiß auch nicht, ob ich bereit bin es zu erfahren.

„Möchtest du denn wissen, wovon ich rede, Pater?" Silas' Augen blitzen auf und er lehnt sich ein wenig zurück.

Ich zwinge mich ruhig zu bleiben, auch wenn mir ein nervöses Zittern durch den Körper fährt. Silas weiß einfach zu genau, wie er mich aus dem Gleichgewicht bringen kann. Er kennt die Wirkung, die er auf mich hat und versteht es, mit mir zu spielen. Ich antworte so gefasst wie möglich. „Wenn du es mir sagen möchtest, dann bin ich bereit zuzuhören. Du kannst dich mir öffnen, kannst alles sagen." Meine Stimme klingt fester, als ich erwartet hätte, doch in meinem Inneren fühle ich mich aufgewühlt. Ich bin mir sicher, dass Silas das spürt.

„Okay." Seine Stimme wird leise und seine Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen. „Weißt du, manchmal wenn ich nachts im Bett liege... dann habe ich gewisse Gedanken."

Mein Herz setzt einen Schlag aus. Ein Kloß bildet sich in meinem Hals, als ob ich vorahnen könnte, was jetzt folgen wird und mein Verstand ringt weiterhin darum, auf Distanz zu bleiben.

„Willst du wissen, welche Gedanken das sind?"

Ich versuche die Fassung zu wahren, aber in meinem Inneren verliere ich allmählich die Kontrolle. „Wenn du dich bereit fühlst, es zu erzählen... dann ja," bringe ich hervor, doch meine Stimme klingt brüchig und unsicher. Es ist ein seltsamer Moment, in dem ich fast alles verliere was ich mir an Ruhe und Professionalität angeeignet habe. Egal wie oft ich versuche in seiner Gegenwart gefasst zu bleiben, es gelingt mir einfach nicht.

Silas' Mundwinkel zucken und sein Gesichtsausdruck wird intensiver. „Um genau zu sein," sagt er leise, „...sind es nicht nur Gedanken. Am Anfang... sind es einfach nur Gedanken, aber dann... dann wird es zu einer Handlung." Seine Augen funkeln und das freche Grinsen in seinem Gesicht wird immer breiter.

Meine Konzentration hängt wie in Trance an seinen Worten. Ich weiß, dass ich mich zurückhalten sollte, dass ich diese Konversation so schnell wie möglich beenden müsste. Aber ich kann nicht anders, als jeden seiner Sätze förmlich in mich aufzusaugen.

„Ich denke an dich", flüstert er schließlich, „und dann berühre ich mich selbst." Sein Grinsen wird breiter. „Willst du wissen wo?"

Mein Atem stockt und für einen Moment scheint alles um mich herum zu verschwimmen. Ein Nicken ist das Einzige was ich zustande bringe, obwohl mir klar ist, dass ich so viel stärker sein sollte. Es fühlt sich an, als ob ein Teil von mir einfach wissen muss, was er gleich sagen wird, auch wenn es mir gleichzeitig Angst macht  wohin das führen könnte.

„Weißt du... Ich stelle mir dann vor, wie du mich hier berührst," flüstert Silas und seine Finger gleiten langsam in seinen Nacken, wandern hinunter zu seinem Hals, wo sie kurz innehalten. „Und dann... wie du mich hier küsst."

Seine Worte sind fast schon hypnotisch und mein Blick folgt unbewusst seinen Fingern, die jetzt über seinen Hals fahren. Ein seltsames Kribbeln breitet sich in meinem Körper aus und ich merke, wie mein Mund sich leicht öffnet.

„Dann... berührst du mich hier." Seine Hand fährt weiter, über seinen Brustkorb und seinen Bauch. Die Anspannung in mir wächst und mir wird heiß. Ich schließe die Augen für einen kurzen Moment, um nicht zu zeigen, wie tief mich seine Worte und Gesten berühren.

„Und dann..." Seine Finger verharren schließlich an seiner Körpermitte und er wirft mir einen Blick zu, voller Provokation und mit einem schiefen Grinsen. Das Funkeln in seinen Augen ist intensiver denn je.

Ich versuche mich zu fangen und das Gespräch zurück auf eine sichere Bahn zu lenken, aber meine Gedanken sind schwer und verschleiert von der Flut an Emotionen, die er mit wenigen Sätzen ausgelöst hat.

In diesem Moment bringe ich nicht einmal einen einfachen Satz zustande, geschweige denn einen klaren Gedanken. Mir ist bewusst, dass ich das Gespräch gerade überhaupt nicht zurück auf sichere Bahnen lenken kann, ich habe keine Kontrolle über diese Situation.

Silas' Blick wandert prüfend über meinen Körper und seine Augenbrauen heben sich leicht, als ihm meine Reaktion nicht entgeht. „Dir gefällt das," stellt er fest und hat dabei ein triumphierendes Lächeln auf den Lippen. „Mach dir keine Mühe dich jetzt rauszureden, Lyle. Dein Körper sagt mir alles, was ich wissen
muss."

Für einen Moment schießt mir der verrückte Gedanke durch den Kopf, die Bibel auf meinen Schoß zu legen um meine körperliche Reaktion zu verstecken. Natürlich verwerfe ich den Gedanken sofort wieder, das wäre ziemlich absurd.. Meine Wangen brennen und ich merke, dass Silas das sieht. Er amüsiert sich.

Silas' Grinsen wird breiter und ohne Vorwarnung steht er auf. Langsam kommt er näher und bevor ich realisiere was er vorhat, kniet er direkt vor mir. Meine Augen sind wie gebannt auf ihn gerichtet, jede seiner Bewegungen scheint die Luft um uns herum noch dichter und spannungsgeladener zu machen.

Dann legt er seine Hände auf meine Oberschenkel und ein leichtes Prickeln breitet sich dort aus, wo seine Finger sich in den Stoff graben. Sein Blick ruht auf meinem Gesicht, aber das freche Grinsen auf seinen Lippen verrät, dass er sich jedes Details meiner Reaktion bewusst ist... und dass er die Situation voll und ganz unter Kontrolle hat. Langsam beginnt er seine Hände leicht zu bewegen, seine Finger gleiten kaum merklich über den Stoff. Ein erdrückender Mix aus Nervosität und Erregung raubt mir den Atem und ich ringe darum, mir nichts anmerken zu lassen.

„Weißt du," sagt Silas leise als er näher kommt, „ich kann das vollkommen verstehen. Mir geht es auch immer so."
Seine Finger wandern weiter über den festen Stoff meiner Hose, es ist eine sanfte Berührung die mir allmählich den Atem raubt.

Jede Faser meines Körpers sehnt sich nach seinen Berührungen, doch tief in mir weiß ich, dass das nicht richtig ist. Mein Blick wandert durch den Raum und mir wird schmerzlich bewusst, wo wir uns hier eigentlich befinden. Kreuze an den Wänden, die Bibel neben mir auf dem Tisch. Das hier ist ein heiliger Ort, ein Ort an dem so etwas nicht passieren sollte.

„Nein", hauche ich kaum hörbar. „Stopp."
Mit wackeligen Knien drücke ich mich nach oben und stehe auf. Ich muss aus dieser Situation heraus.

Doch Silas ist genauso schnell wie ich und steht zeitgleich mit mir auf. Er steht nun direkt vor mir, so nah das ich seinen Atem auf meiner Haut spüre.

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